The economic and monetary environment at the end of the 1960s

Das wirtschaftliche und monetäre Umfeld am Ende der 1960er Jahre


Ende der 1960er Jahre stellt die Verschlechterung des weltweiten Finanzklimas insbesondere aufgrund der US-amerikanischen Zahlungsbilanzpolitik eine ernste Bedrohung des Bretton-Woods-Systems dar.1 Die entstehenden Spannungen machen sich auch in den Mitgliedsländern der EWG bemerkbar, denn diese haben insbesondere mit den Risiken zu kämpfen, die sich aus der Finanzspekulation für ihre wirtschaftliche Stabilität ergeben. Die zwischen den sechs Mitgliedstaaten so notwendige Koordinierung und Abstimmung wird durch die wachsenden Preis- und Kostendivergenzen erschwert, was zu mehreren Währungs- und Zahlungsbilanzkrisen führt, die die Zollunion und den Gemeinsamen Agrarmarkt zu gefährden drohen, die bis dahin recht zufriedenstellend funktioniert hatten.


Die Turbulenzen auf dem europäischen Devisenmarkt verstärken sich nach der Abwertung des Pfund Sterlings. Am 18. November 1967 wertet das Vereinigte Königreich seine Währung um 14,3 % ab, was einen schweren Schock auslöst. Das Pfund Sterling ist zu dieser Zeit die zweitwichtigste Reservewährung und wird in 25 % der Devisengeschäfte im internationalen Handel verwendet. War der Wechselkurs des Pfundes bis zu diesem Moment das Ergebnis des Wirkens europäischer wie auch internationaler Faktoren, so sind einige Forscher nunmehr der Auffassung, dass es nicht übertrieben sei, in den Spannungen um das Pfund den Anfang vom Ende des Bretton-Woods-Systems zu sehen.2 Die monetäre Schwäche des Vereinigten Königreichs und die Auswirkungen der Abwertung auf den Wechselkurs des Pfundes dienen General de Gaulle als Rechtfertigung für das Veto, das er am 11. November 1967 gegen den Beitritt des Vereinigten Königreichs zum Gemeinsamen Markt einlegt.


Nach der Aufgabe des Goldpools im Jahr 19683 kommt es zu schweren finanziellen Verwerfungen. Im Mai 1968 gerät Frankreich durch die Protestbewegung der Studenten in eine schwierige politische Lage, auf die Währungsturbulenzen folgen. Dazu stellte Pierre Werner fest: „Vom 14. bis 21. November 1968 kam es aufgrund von Gerüchten über eine Aufwertung der D-Mark und eine Abwertung des französischen Franc zu einer Spekulationswelle […]. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten erforderten einen größeren Kursabstand zwischen der D-Mark und dem französischen Franc […]. Die Ablehnung der Deutschen war im Wesentlichen dadurch begründet, dass sich die Einkommen der deutschen Landwirte bei einer weiteren strikten Anwendung der Grundsätze der Gemeinsamen Agrarpolitik auf der Grundlage der in Rechnungseinheiten ausgedrückten einheitlichen Preise verschlechtert hätten“. 4 Der Franc ist weiterhin Ziel von spekulativen Angriffen, und am 8. August 1969 nimmt die französische Regierung eine Abwertung um 11,1 % vor. Auch gegen die deutsche Währung wird spekuliert, so dass diese am 24. Oktober 1969 um 9,3 % aufgewertet wird. Da das Ungleichgewicht zwischen einer starken D-Mark und einem schwachen Franc die Gemeinsame Agrarpolitik zu destabilisieren droht, werden Währungsausgleichsbeträge eingeführt, um sowohl die Stabilität der Agrarpreise auf dem französischen Markt als auch die Einkommen der deutschen Landwirte aufrechtzuerhalten. Diese Ausgleichsbeträge, die nur als vorübergehende Maßnahme gedacht waren und dann doch ein Jahrzehnt in Kraft blieben, „waren ein Verstoß gegen die der Gemeinsamen Agrarpolitik zugrunde liegenden Prinzipien und vergifteten in der Folgezeit die innergemeinschaftlichen Beziehungen bei der jährlichen Festsetzung der Agrarpreise“.5 Trotz der am 1. Juli 1968 in Kraft getretenen Zollunion, mit der jede Form der quantitativen Begrenzung des Handels zwischen den Mitgliedsländern beseitigt werden sollte, bleibt der europäische Raum aufgrund unterschiedlicher Wirtschaftspolitiken, verschiedenartiger Steuerregelung und der Währungsausgleichsbeträge zersplittert und uneinheitlich.


Doch die Spaltung geht noch tiefer: Die Konsultation unter den Partnern funktioniert nicht mehr. Die Entscheidung zur Abwertung des französischen Franc und die, den Kurs der D-Mark frei schwanken zu lassen, sind einseitig getroffen worden. Die gemeinschaftliche Solidarität wird durch die diametral entgegen gesetzten Interessen Frankreichs und Deutschlands schwer beeinträchtigt. So ist nicht nur die Funktionsweise der Gemeinsamen Agrarpolitik, deren Erfordernis stabiler Preise zwingend Neuregelungen erforderlich macht, gefährdet, sondern es zeigt sich vor allem bei den währungspolitischen Fragen eine Abhängigkeit von sehr tief verwurzelten nationalen Interessen, was dazu führt, dass diese de facto ausschließlich im Rahmen der nationalen Souveränität geregelt werden. Trotz bedeutender Fortschritte der EWG im Bereich der Zollunion und der Gemeinsamen Agrarpolitik6 kommt die Sechsergemeinschaft bei der Koordinierung der makroökonomischen Politik und der währungspolitischen Zusammenarbeit kaum voran.


Auf internationaler Ebene beruhen die monetären Beziehungen auf nationalen Währungen mit festen, aber anpassbaren Kursen sowie der Goldbindung des Dollars. Im Jahr 1968 erlebt das internationale Währungssystem die ersten Erschütterungen und sein Gleichgewicht gerät ins Wanken. In den USA werden die Goldreserven angesichts des Drucks, unter den der Dollar aufgrund makroökonomischer Maßnahmen immer wieder gerät und der sich in der Folge durch den Vietnam-Krieg weiter verschärft, immer mehr aufgebraucht. Durch das ständige Anwachsen der Dollarreserven außerhalb der USA („Eurodollar“) wird deren Umtausch in Gold zum offiziellen Kurs immer problematischer.7 Um das System der festen Wechselkurse von Bretton Woods zu stützen und seine Rolle in der Weltwirtschaft aufzuwerten, führt der IWF im August 1969 das Sonderziehungsrecht (SZR)8 ein, eine künstliche internationale Währungseinheit, deren Hauptzweck darin besteht, die nationalen Reservewährungen, in erster Linie den US-Dollar, zu ersetzen. Die Wechselkurse sollen weiterhin stabil, wenn auch anpassbar, bleiben, und der IWF soll die Menge der SZR so steuern, dass der weltweite Liquiditätsbedarf gedeckt wird. Dieses Instrument vermag jedoch nur die kurzfristigen Schwächen des Systems auszugleichen. So führen die Spekulation im System der festen Wechselkurse und das systematische Versagen internationaler Gremien wie des IWF sowohl bei der Koordinierung als auch der Neuausrichtung der nationalen Politiken unausweichlich zum Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems.


Die währungspolitischen Verwerfungen innerhalb der Sechsergemeinschaft ab Mitte der 1960er Jahre sowie die Schwierigkeiten des Pfund Sterlings, die die großen Unterschiede zwischen den Europäern deutlich machen, haben verschiedene Auswirkungen. Auf Gemeinschaftsebene beeinträchtigen die Schwierigkeiten die Koordinierung der europäischen Politiken, insbesondere der Gemeinsamen Agrarpolitik mit ihrem Grundsatz der Einheitspreise. Um die durch die Wechselkursschwankungen hervorgerufenen Wettbewerbsverzerrungen auszugleichen, werden Währungsausgleichsbeträge eingeführt, doch deren Umsetzung erweist sich als höchst kompliziert. Da im Vertrag von Rom nur ansatzweise Bestimmungen zur währungspolitischen Zusammenarbeit vorgesehen sind, setzen die Mitgliedstaaten nicht auf ein monetäres Konzept, was durch die fehlende Abstimmung bei den Ab  bzw. Aufwertungsmaßnahmen deutlich belegt wird. Sie sind Teil des internationalen Währungssystems, das auf festen, aber anpassbaren Wechselkursen zwischen den einzelnen an den Dollar und an Gold gebundenen Währungen basiert. Doch die zunehmende Instabilität des Dollars, die Schwächung des Bretton-Woods-Systems, dessen Zusammenbruch kurz bevor steht, sowie die Befürchtungen, dass die Europäische Gemeinschaft durch eine unkontrollierte Aufwertung der europäischen Währungen erschüttert werden könnte, veranlassen die Mitgliedstaaten, den Weg zu einer Wirtschafts- und Währungsunion einzuschlagen.9

1 Es handelt sich um das „Triffin-Dilemma“, wonach die Schlüsselwährung (der US-Dollar) im Bretton-Woods-System zwangsläufig abgewertet wird, wenn mit ihr der Bedarf der Weltwirtschaft an internationalen Liquiditätszuflüssen gedeckt werden muss. Eine solche Lage untergräbt im Laufe der Zeit das Vertrauen der ausländischen Wirtschaftsbeteiligten in die Referenzwährung; der enorme Bedarf der Weltwirtschaft an Mitteln in einer vertrauenswürdigen Währung führt somit paradoxerweise zum Verlust des Vertrauens in diese Währung.

2 RÜCKER, Katrin. L’adhésion de la Grande-Bretagne à la CEE et la question de la livre sterling. In DUMOULIN, Michel (Herausg.). Réseaux économiques, 2004.

3 Dem 1961 mit dem Kennedy-Plan geschaffenen Goldpool gehörten die wichtigsten Zentralbanken der Welt an, die ihre Maßnahmen durch Marktinterventionen zu koordinieren beschlossen, um den Marktpreis von Gold bei 35 US-Dollar je Unze zu stabilisieren, wie es mit dem Goldstandard angestrebt war. Eingeführt wurde dieses System mit dem Bretton-Woods-Abkommen, demzufolge der US-Dollar eine direkte Goldbindung aufwies (35 USD je Unze), während die anderen Währungen an den Dollar gebunden waren. Die Reserven der Zentralbanken bestanden dementsprechend aus in Gold konvertierbaren Fremdwährungen und nicht mehr ausschließlich aus Gold. Die Regierung der USA garantierte den Wert des Dollars, war jedoch nicht gezwungen, über eine der in Umlauf befindlichen Dollarmenge entsprechende Goldmenge zu verfügen. Im Mai 1968, als gegen den Goldpool heftig spekuliert wird, erfolgt dessen Auflösung. Vgl. EICHENGREEN, Barry. Global Imbalances and the Lessons of Bretton Woods. The Cairoli Lectures. MIT, 2007. In The Anatomy of the Gold Pool, S. 35-72. Siehe BORDO, Michael. The Gold Standard and Related Regimes: Collected Essays. Cambridge: Cambridge University Press (Herausg.), 1999.

4 WERNER, Pierre. Itinéraires luxembourgeois et européens. Évolutions et souvenirs: 1945-1985. Luxemburg: Éditions Saint-Paul, 1992, 2 Bände, Bd. II, S. 121.

5 Ebenda, S. 122.

6 Ende der 1960er Jahre werden bestimmte Fortschritte auch in den Bereichen verzeichnet, für die im Vertrag von Rom die Möglichkeit gemeinsamer Maßnahmen vorgesehen ist: Verkehr, Sozialpolitik, gemeinsame Handelspolitik und Steuerharmonisierung.

7 Die Überbewertung des Dollars, dessen Wert offiziell bei 35 USD je Unze lag, hat zu einem Missverhältnis zwischen den Goldvorräten und der Geldmenge im System geführt. Mangelnde Bereitschaft seitens der US-amerikanischen Behörden, korrigierend einzugreifen, hatte zur Folge, dass die Goldkonvertierbarkeit des Dollars am 15. August1971 aufgehoben wurde. Mit dem Floating des Dollars war das Ende des Bretton-Woods-Systems, das ursprünglich zur Gewährleistung fester Wechselkurse gegründet wurde, besiegelt.

8 Der Einheitswert des SZR war auf 0,888671 g Feingold (entsprechend 1 US-Dollar) festgelegt. Jedes an diesem System teilnehmende Land benötigte offizielle Reserven (auf Gold und weithin akzeptierte Fremdwährungen lautende Guthaben), die im Interesse der Aufrechterhaltung des Wechselkurses zum Rückkauf der Landeswährung auf den internationalen Devisenmärkten verwendet werden konnten. Allerdings erwies sich die weltweit zur Verfügung stehende Menge der beiden wichtigsten Währungsreserven (Gold und US-Dollar) als nicht ausreichend, um die Ausweitung des internationalen Handels und die Finanzentwicklung, wie sie sich zu jener Zeit vollzogen, zu unterstützen. Die internationale Gemeinschaft beschloss daher, unter der Aufsicht des IWF eine neue internationale Währungsreserve zu schaffen. Allerdings brach bereits ein paar Jahre nach der Einführung der SZR das Bretton-Woods-System zusammen, und die größten Währungen gingen zum System flexibler Wechselkurses über. Außerdem erleichterte sich durch die wachsende Zahl internationaler Kapitalmärkte die Kreditaufnahme durch kreditwürdige Staaten. Diese beiden Entwicklungen bewirkten, dass die Bedeutung der SZR abnahm. Seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems 1973 wird der Wert der SZR mithilfe eines Währungskorbs ermittelt.

9 EICHENGREEN, Barry; JAMES, Harold. International Monetary Cooperation since Bretton Woods. Oxford: Oxford University Press (Herausgeb.), 1996, S. 153. Siehe MAES, Ivo: Economic thought and the making of European Monetary Union. Cheltenham: Edward Elgar (Herausg.), 2002.

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