Context of the establishment of the Werner Committee

Kontext der Einrichtung des Werner-Ausschusses


Nach dem Zweiten Weltkrieg und damit parallel zum Wiederaufbau des zerstörten Europas rückte die Frage nach der monetären Einheit des Kontinents – vor dem Hintergrund tiefgreifender Veränderungen des internationalen Währungssystems – mehr und mehr in den Mittelpunkt.

Doch zunächst standen weitreichende nationale Reformen der Währungssysteme an – allen voran in Westdeutschland, in dem die umfassende und radikale Währungsreform vom 20. Juni 1948 die Geburtsstunde der Deutschen Mark darstellte1. Mit der Einführung der neuen Währung wurde die umlaufende Geldmasse im Verhältnis 10:1 umgestellt. Außerdem wurden öffentliche und private Schulden konsolidiert und eine neue, von den politischen Instanzen unabhängige Bank gegründet – die Bank deutscher Länder. Dieser Vorläufer der Bundesbank war dafür zuständig, den Wert des Gerätes zu garantieren2. Auf der gleichen Grundlage aufbauend folgte die liberale Wirtschaftspolitik von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard,3 die schließlich zur Einführung der sozialen Marktwirtschaft, d.h. Wachstum, geringe Inflation, niedrige Arbeitslosigkeit und soziale Absicherung, führte und das „deutsche Wirtschaftswunder“ begründete. Einige Jahre später nahm Frankreich seine großen Reformen in Angriff. Als General de Gaulle im Mai 1958 an die Macht zurückkehrte, war die französische Wirtschaft von einer starken finanziellen und monetären Instabilität gekennzeichnet, die durch die Krise des politischen Systems weiter akzentuiert wurde. Die Wirtschaft war damals in hohem Maße auf die Binnenwirtschaft ausgerichtet, und der Außenhandel war stark eingeschränkt, u.a. durch mengenmäßige Beschränkungen, hohe Schutzzölle und Wettbewerbsverzerrungen. Um das Ungleichgewicht zwischen Binnenwirtschaft und Außenhandel zu beseitigen, wurde ein Expertenausschuss unter dem Vorsitz des Ökonomen Jacques Rueff ins Leben gerufen. Dessen Bemühungen, eine nachhaltige Stabilität herbeizuführen, führten schließlich zum Rueff-Plan4. Mit seinen vier Eckpunkten – Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit, Inflationsbekämpfung, Öffnung der Wirtschaft und Investitionsförderung – wurde der orthodoxe und liberale Plan von der Regierung General de Gaulles ab Ende 1958 mit Erfolg umgesetzt. Schon bald darauf besserte sich die öffentliche Haushaltslage, der französische Franc wurde konvertierbar (der so genannte „feste Franc“ trat am 1. Januar 1960 in Kraft), und die Zollbarrieren wurden gelockert. Rueff setzte seine Arbeiten im Folgenden fort und empfahl in einem zweiten, im Juli 1960 veröffentlichten Bericht5, die Wirtschaft für den Wettbewerb zu öffnen, derweil die Einführung des Binnenmarkts noch in den Kinderschuhen steckte.

Weitere Staaten, darunter Belgien, Luxemburg, die Niederlande, aber auch Österreich und Norwegen, nahmen in ihrem Bestreben, ihre Geldpolitik auf gesunde Grundlagen zu stellen, Währungs- und Verwaltungsreformen vor (1945-1948). Ungeachtet nationaler Charakteristika sind Parallelen vorhanden, wie der Abbau der alten Wirtschaftsordnung, die Abschaffung von Anreizen, die Erhöhung der umlaufenden Geldmenge und die Eindämmung von Preismechanismen. Obwohl die Maßnahmen vielfältig waren, gingen sie alle mit derselben Philosophie einher: Senkung des Geldangebots, Sperrung der Guthaben (Einlagen und Bankkonten), Einführung neuer Banknoten und neuer Instrumente (obligatorische Mindestreserve, Diskontsatz, selektive Kreditpolitik, Steuervorschriften usw.)6. Andere Länder hingegen, in denen die Lage noch problematischer war, betrieben eine laxere Politik. In Italien, das unter Hyperinflation litt, verzichtete die Regierung auf die Einführung der Konvertierbarkeit, um massive Käufe von Devisen und ausländischen Waren zu verhindern. Die tiefgreifenden Wirtschafts- und Währungsreformen in Deutschland und Frankreich zeichnen sich – wie in anderen Ländern – durch bestimmte Leitlinien aus (feste Wechselkurse, Preisstabilität und Inflationsbekämpfung, Unabhängigkeit des Emissionsinstituts bzw. der Zentralbank usw.), die sich in den Grundfesten des monetären Europas wiederfinden.

Ab den 1960er-Jahren wurde immer intensiver über ein monetäres Europa nachgedacht – und das nicht nur seitens nationaler Regierungen und Gemeinschaftsinstitutionen, sondern auch seitens europäischer Aktivisten, Wissenschaftler oder bestimmter Persönlichkeiten. Im weiteren Verlauf der Geschichte spielte das Jahr 1970, in dem sich der Plan für die schrittweise Umsetzung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft (Werner-Plan) herauskristallisierte, eine Schlüsselrolle.

1 Das sogenannte Umstellungsgesetz, das am 20. Juni 1948 in den drei westdeutschen Besatzungszonen durch gemeinsamen Beschluss der Alliierten erlassen und vom amerikanischen, britischen und französischen Kommandanten mitunterzeichnet wurde, besiegelte die Abschaffung der von 1924-1948 im Umlauf befindlichen Reichsmark. Dabei wurden alle alten Reichsmarkguthaben in D-Mark umgetauscht. Am 23. Juni 1948 wurde in der sowjetischen Besatzungszone eine vergleichbare Reform durchgeführt, gleichwohl in unabhängiger Weise und mit anderen Rahmenbedingungen. Diese führte zur Gründung der Ostmark. Vgl. hierzu Erstes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens vom 20. Juni 1948 unter www.cvce.eu (eingesehen am 10. Oktober 2012).

2 Die Deutsche Bundesbank wurde am 26. Juli 1957 durch das Bundesbankgesetz gegründet, das am 1. August desselben Jahres in Kraft trat. Vgl. hierzu ISSING, Otmar. Geschichte der Nationalökonomie. München: Vahlen (Hrsg.), 1984. Vgl. hierzu MITZAKIS, Michel. La réforme monétaire en Allemagne occidentale. In: Revue économique. 1950, Band 1, Nr. 3, S. 311-340. Vgl. hierzu PENGALOU, Charles und GUGGENHEIM, Thomas. Le problème de la réforme monétaire après la deuxième guerre mondiale, et la solution en Allemagne occidentale, en Autriche, en Belgique et aux Pays-Bas. In: Revue économique. 1966, Band 17, Nr. 6, S. 1030-1031.

3 Ludwig Erhard (1897-1977), Wirtschaftswissenschaftler und liberaler westdeutscher Politiker christlich-demokratischer Gesinnung. Erhard war Professor und Wirtschaftsberater der amerikanischen Militärregierung, die ihn schließlich zum Staatsminister für Handel und Gewerbe der Bayerischen Staatsregierung machte (1945-1946). In dieser Funktion zeichnete er u. a. für Geldmenge und Kredite verantwortlich. 1948 wurde er zum Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebiets ernannt und war im Folgenden Bundeswirtschaftsminister unter Konrad Adenauer (bis 1963). Erhard gilt als Vater der sozialen Marktwirtschaft.

4 Bisweilen in Anlehnung an den französischen Politiker und Staatsmann Antoine Pinay (1891-1994) als „Pinay-Rueff“-Plan bezeichnet. 1952 war Pinay mehrere Monate lang Vorsitzender des Ministerrats, bevor er in den Anfangsjahren der Fünften Französischen Republik mit ihrem Staatspräsidenten General de Gaulle Finanzminister wurde. In dieser Funktion spielte er eine gewichtige Rolle bei der Umsetzung des Rueff-Plans.

5 Hierbei handelt es sich um den Rapport du Comité pour la suppression des obstacles à l'expansion économique, besser bekannt unter dem Namen „Rueff-Armand“-Plan, der von einem Expertenausschuss begründet wurde, dessen Vorsitzende Jacques Rueff sowie der hochrangige Beamte und Manager Louis Armand (1905-1971) waren.

6 Vgl. hierzu GUGGENHEIM, Thomas. Le problème de la réforme monétaire après la Deuxième Guerre mondiale et la solution en Allemagne occidentale, en Autriche, en Belgique et aux Pays-Bas. Genf: Université Georg, 1965. DUPRIEZ, Léon H. Les réformes monétaires en Belgique. Brüssel: Office International de Librairie, 1978. POHL, Manfred. Handbook on the History of European Banks. European Association for Banking History. Edward Elgar Publishing (Ltd), 1994.

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