Einleitende Bemerkungen1


1. Kurzbeschreibung des Forschungsprojekts „Pierre Werner und Europa“


2010 nahm das CVCE ein Forschungsprojekt über das Wirken und Gedankengut Pierre Werners (29. Dezember 1913 – 24. Juni 2002) in Bezug auf Europa in Angriff. Werner war von 1959-1974 und von 1979-1984 luxemburgischer Premierminister und darüber hinaus Finanz- und Außenminister des Großherzogtums Luxemburg. Er zählt unbestritten zu einem der Urväter der Wirtschafts- und Währungsunion.


Die Forschungsarbeiten stützen sich u. a. – anhand verschiedener Themen – auf eine iterative und schrittweise Auswertung der Privatarchive der Familie Werner, zu denen das CVCE aufgrund einer mit der Familie Werner unterzeichneten Partnerschaftsvereinbarung bevorrechtigten Zugang besitzt. Diese lange Zeit unangetasteten Archive einer Person, die in drei Jahrzehnte europäischer Integrationsgeschichte involviert war, enthalten zahlreiche bislang unveröffentlichte Originaldokumente und werfen neues Licht auf verschiedene Fragen zur europäischen Integration sowie auf die Rolle Luxemburgs und dessen Europapolitik.


Die erste Phase des Projekts konzentriert sich auf den Plan zur schrittweisen Umsetzung einer Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft  besser bekannt unter der Bezeichnung Werner-Plan bzw. Werner-Bericht –, der von einer Expertengruppe unter dem Vorsitz Werners ausgearbeitet und am 8. Oktober 1970 in Luxemburg offiziell präsentiert wurde. Im Folgenden befasst sich das Projekt mit den späteren Ereignissen, die insbesondere durch den Beitrag Pierre Werners in die Wirtschafts- und Währungsunion mündeten. Des Weiteren werden Fragen im Zusammenhang mit der europäischen Integration aufgegriffen, mit denen sich der ehemalige luxemburgische Premierminister zu beschäftigen hatte, darunter die Auseinandersetzung über die Sitze der EU-Organe, der Luxemburger Kompromiss, der Beitritt Großbritanniens und die Benelux-Kooperation.


Am Ende der einzelnen Projektphasen werden die Ergebnisse in Form digitaler Forschungskorpora strukturiert.2 Das erste Korpus, das sich mit dem Werner-Bericht beschäftigt, richtet sich an die wissenschaftliche Gemeinschaft. Die Veröffentlichung – die einem PeerReview durch einen wissenschaftlichen Begleitausschuss unterliegt – erfolgt über die Forschungsrubrik der Website www.cvce.eu. Ebenso ist vorgesehen, ein Themendossier zu pädagogischen Zwecken auszuarbeiten sowie eine wissenschaftliche Veranstaltung zur gesamten Projektthematik durchzuführen (ebenfalls mit Peer Review).


Gemäß den einschlägigen Experten und kraft des Dreijahresvertrags zwischen dem Großherzogtum Luxemburg (vertreten durch das Ministerium für Hochschulwesen und Forschung) und dem CVCE (CVCE/CP2-11-13) „handelt es sich bei einem Forschungskorpus um eine Sammlung von Primärquellen und Ressourcen, die mit diesen Primärquellen über bestimmte Themen verflochten sind. Dem sich insbesondere an die wissenschaftliche Gemeinschaft richtenden Korpus liegen eine intensive Forschungsarbeit sowie die Analyse spezifischer Forschungsfragen zugrunde. Neben den Quellen und den miteinander verflochtenen Quellen sind zwei weitere Komponenten enthalten: Hilfsmittel und eine wissenschaftliche Stellungnahme“3.


Die beiden digitalen Forschungskorpora und das Themendossier sollen ebenfalls verschiedene Dokumentenquellen enthalten und analysieren, darunter audiovisuelle und ikonografische Archive, sowie spezielle, vom CVCE zusammengetragene audiovisuelle Inhalte.




1.1 Vorbereitungsarbeiten


Aufgrund der thematischen Vielfalt des Forschungsgegenstands, der Abfolge verschiedener Projektphasen sowie der Komplexität der Werner-Familienarchive und sonstiger ausgewerteter Quellen wurden vorbereitende Arbeiten unternommen.


Zu nennen sind insbesondere ein erschöpfendes, gleichwohl erweiterbares Verzeichnis, das bibliografische Referenzen von und über Pierre Werner sowie über dessen europäisches Wirken enthält – neben biografischen und chronologischen Angaben zur Rolle beim Aufbau des monetären Europas.4 Ebenfalls enthalten sind vom CVCE erstellte Videointerviews mit Mitgliedern der Familie Pierre Werners und Persönlichkeiten aus seinem Umfeld.


Der Öffentlichkeit vorgestellt wurden das Forschungsprojekt und seine ersten Ergebnisse am 27. Januar 2011 anlässlich eines Vortrags des luxemburgischen Premierministers und Vorsitzenden der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, mit der Bezeichnung „Du plan Werner à l’euro: 40 ans de succès et de crises“. Für die Schirmherrschaft zeichnete der Fonds National de la Recherche du Luxembourg verantwortlich.5



1.2 Vom CVCE zusammengestellte Videointerviews


Neben der Auswertung der Familienarchive besteht ein weiterer Pluspunkt des Projekts in vom CVCE erstellten Videointerviews mit luxemburgischen und europäischen Persönlichkeiten, die ihre Erinnerungen und Überlegungen zu Pierre Werner sowie zu dessen Handlungen und Standpunkten über die europäische Integration zum Ausdruck bringen. Diese Äußerungen, die sich ebenfalls um andere Themen drehen, wie die Wirtschafts- und Währungsunion und die Europapolitik Luxemburgs, stellen neue Quellen dar – und das nicht nur für die verschiedenen CVCE-Forschungsprojekte, sondern im weiteren Sinne auch für die gesamte Forschergemeinschaft. Da sie zudem als nationales Erbe zu betrachten sind, dürften sie auch für andere Interessengruppen von Belang sein. Die Zusammenstellung von Äußerungen wichtiger Akteure der europäischen Integrationsbewegung wird fortgesetzt.


Alle Auszüge betreffend das Gesamtprojekt „Pierre Werner und Europa“ sowie die ungekürzten Fassungen dieser Interviews – die teilweise mit Untertiteln und/oder englischen bzw. deutschen Übersetzungen versehen sind – sind bereits unter www.cvce.eu abrufbar.


Bis dato wurden Äußerungen folgender Personen aufgenommen (in alphabetischer Reihenfolge):


  • Luc Frieden, Finanzminister;

  • Albert Hansen, Mitglied des Staatsrats, ehemaliger Generalsekretär der Regierung und früherer Leiter des Kabinetts Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Luxemburg;

  • Edmond Israel (†), Ehrenvorsitzender von Clearstream International;

  • Jean-Claude Juncker, Premierminister, Vorsitzender der Euro-Gruppe;

  • Yves Mersch, Präsident der Zentralbank von Luxemburg;

  • Charles-Ferdinand Nothomb, belgischer Staatsminister, Vorsitzender des Cercle européen „Perspectives et réalités frontalières“ (Cercle Pierre Werner);

  • Lex Roth, ehemaliger Direktor des Presse- und Informationsdiensts der Regierung;

  • Charles Ruppert, Vorsitzender der Fondation Pierre Werner, Vizepräsident der Luxembourg School of Finance;

  • Jacques Santer, Ehrenstaatsminister, ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission;

  • René Steichen, CEO der Société européenne des satellites, ehemaliger europäischer Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung;

  • Hans Tietmeyer, ehemaliges stellvertretendes Mitglied des Werner-Ausschusses, ehemaliger Präsident der Bundesbank.


Auch die Mitglieder der Familie Werner, darunter insbesondere Marie-Anne Werner und Henri Werner, äußerten sich zu Persönlichkeit und Werk Pierre Werners.


Weitere Aussagen über die Person und das europäische Wirken Pierre Werners stammen aus Interviews, die im Rahmen des CVCE-Projekts „Témoignages des ambassadeurs luxembourgeois“ (Jean-Jacques Kasel, Adrien Meisch, Jean Mischo und Guy de Muyser) geführt wurden, sowie aus Gesprächen mit Jacques Delors, dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, mit Jacques de Larosière, dem ehemaligen geschäftsführenden Direktor des IWF und Präsidenten der Banque de France, mit Mark Eyskens, dem ehemaligen belgischen Premierminister und Außenminister, sowie schließlich mit Wilfried Martens, dem ehemaligen belgischen Premierminister.



2. Digitales Forschungskorpus zum Werner-Bericht


Das erste im Rahmen des Projekts „Pierre Werner und Europa“ ausgearbeitete digitale Forschungskorpus befasst sich mit dem Werner-Bericht6 und trägt den Titel „Neubewertung des Werner-Berichts vom 8. Oktober 1970 im Zuge der Öffnung der Pierre Werner-Familienarchive“. Da das Jahr 1970 einen Höhepunkt darstellt, haben wir uns auf den Zeitraum bis zur Aussetzung der Umsetzung des Berichts konzentriert, zu der es de facto im Februar 1974 kam. Die Forschungsarbeiten im Zuge dieser ersten Phase beschäftigen sich nicht mit sonstigen Beiträgen Pierre Werners zur europäischen Integration, wie im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung über die Sitze der EU-Organe, dem Beitritt Großbritanniens, der Belgisch-Luxemburgischen Wirtschaftsunion, dem Benelux-Verband und der Rolle Luxemburgs in der europäischen Integrationsbewegung.



2.1 Methodologischer Ansatz


Die bislang unveröffentlichten Archive der Familie Werner rücken insbesondere den Werner-Bericht und den persönlichen Beitrag Pierre Werners zu den Arbeiten der von ihm geleiteten Expertengruppe in ein neues Licht – vor dem Hintergrund seines gesamten europäischen Wirkens. Unsere vielfältigen Quellen wurden durch die nicht erschöpfende Auswertung weiterer öffentlicher und privater luxemburgischer und internationaler Archive ergänzt. Die vom CVCE zusammengestellten Zeitzeugenberichte zu Pierre Werner und seiner Rolle bei der Konzeption der Wirtschafts- und Währungsunion verschaffen der wissenschaftlichen Gemeinschaft einen besonderen Mehrwert und neue Ressourcen. Die Auswertung der Primärquellen und miteinander verflochtenen Ressourcen mündete in eine fundierte wissenschaftliche Studie zu diesem Thema, die dieselbe Struktur aufweist wie das Korpus und zu diesem gehört.


Wir haben uns auf Untersuchung und Auswertung der Pierre Werner-Familienarchive konzentriert, ohne dabei den Anspruch zu erheben, alle potenziell sachdienlichen Ressourcen zu erfassen oder eine kritische Analyse der einschlägigen Literatur vorzunehmen.


Gegenstand des digitalen Forschungskorpus ist nicht der Werner-Bericht als solcher, der die Forschung bereits seit langem beschäftigt und in der Fachliteratur ausgiebig berücksichtigt wurde, sondern vielmehr der Werner-Bericht und die mit seiner Ausarbeitung verbundene Geisteshaltung – so wie dies die privaten Aufzeichnungen des Vorsitzenden des Ad-hoc-Ausschusses belegen. Ebenso war es unser Ziel, das gesamte persönliche Wirken Pierre Werners im Zuge der schrittweisen Ausarbeitung und Umsetzung des Plans zu untersuchen und aufzuzeigen, und das in theoretischer, methodologischer oder politischer Hinsicht. Auf Basis dieser Vorgehensweise wollten wir herausfinden und analysieren, welche Rolle jenes beträchtliche Maß an Flexibilität und Fingerspitzengefühl spielte, das Pierre Werner bei der Konzeption des monetären Europas unter Beweis stellte – statt die Beiträge von Mitarbeitern und Weggenossen in den Vordergrund zu stellen. Für diesen Ansatz spricht überdies, dass Archive zur schrittweisen Ausarbeitung des Plans und der Erzielung eines damit verbundenen politischen Kompromisses entweder nicht oder nur unzureichend vorhanden sind.



2.2 Unveröffentlichte und vielfältige Quellen


In Bezug auf die Primärquellen setzt sich das Korpus aus ca. 650 Dokumenten zusammen. Dies schließt Multimedia-Forschungsmaterial ein (darunter audiovisuelle Archive und ikonografische Dokumente) aus verschiedenen Archiven, in erster Linie der Familie Pierre Werners.


Das Korpus ist in französischer Sprache verfasst, wird jedoch langfristig vollständig in die englische Sprache übersetzt.


Alle mehrsprachigen Ressourcen, die bevorzugt in der Originalversion eingeflossen sind (insbesondere in französischer, englischer und deutscher Sprache), werden vom CVCE aufbereitet und mit präzisen Quellenangaben sowie erklärenden Anmerkungen nebst Kontextangaben versehen.



2.2.1 Die Pierre Werner-Familienarchive7, die erstmals für die wissenschaftliche Auswertung geöffnet wurden, stellen einen wichtigen Beitrag zur Zusammenstellung dieses digitalen Forschungskorpus dar. In ihm finden sich eine Vielzahl von Dokumenten, die von Pierre Werner ab den 1950er-Jahren zusammengetragen wurden, darunter Manuskripte, Notizen und handschriftliche Anmerkungen auf offiziellen Dokumenten, Briefwechsel mit verschiedenen Persönlichkeiten, diplomatischer Schriftverkehr, institutionelle Texte, Schaubilder, Schemata und Statistiken sowie eine große Zahl an Presseartikeln über die europäische Integrationsbewegung und Wirtschafts- und Währungsfragen. Hinzu kommen Berichte, Reden und öffentliche Äußerungen zu verschiedenen Themen, die Pierre Werner im Laufe seines öffentlichen Wirkens veröffentlichte bzw. hielt. Des Weiteren ist ein Bildteil mit zahlreichen Originalfotos und -negativen enthalten – neben Ton- und Filmaufnahmen.



2.2.2 Gemäß dem vorgenannten Forschungsansatz wurden noch weitere Quellen und Archive – darunter öffentliche und private luxemburgische und europäische Archive – eingesehen. Dies erfolgte gleichwohl im Rahmen der finanziellen und zeitlichen Beschränkungen und der Zugänglichkeit der jeweiligen Archive.


Zu den luxemburgischen Quellen gehören u. a. die Nationalarchive Luxemburgs (Staatsministerium und Finanzministerium), die diplomatischen Archive (Ministerium für auswärtige Angelegenheiten), die Archive der Zentralbank von Luxemburg (und insbesondere des Institut Monétaire Luxembourgeois), Archivdokumente des Presse- und Informationsdiensts der Regierung, die Bestände der Bibliothèque nationale de Luxembourg, Dokumente der Fotothek der Stadt Luxemburg, die Archive der Société européenne des satellites sowie der Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion bzw. weitere Presse- und audiovisuelle Archive. Darüber hinaus wurden Dokumente aus den privaten Beständen von Ernest Michels hinzugezogen.


Unter den europäischen Quellen sind zu nennen die institutionellen Dokumentenbestände8, darunter die historischen Archive der Europäischen Kommission in Brüssel (einschließlich Ausschüssen, deren Vorsitzende zur Ad-hoc-Expertengruppe gehörten, wie der Währungsausschuss, der Ausschuss der Zentralbankpräsidenten, die Ausschüsse für die mittelfristige Konjunktur- und Wirtschaftspolitik und der Haushaltsausschuss), die historischen Archive des Europäischen Rates in Brüssel, das Archiv- und Dokumentationszentrum des Europäischen Parlaments (CarDoc) in Luxemburg, die Archive der Europäischen Zentralbank in Frankfurt sowie die Archive der Mediathek der Europäischen Kommission.


Ebenfalls Berücksichtigung fanden diplomatische Dokumente der Archive des belgischen und niederländischen Außenministeriums, des französischen Ministeriums für auswärtige und europäische Angelegenheiten (La Courneuve), des Bundesarchivs (Koblenz), des Archivio Storico Diplomatico Italiano (Rom) sowie verschiedene Dokumentenbestände der Belgisch-Luxemburgischen Wirtschaftsunion und des Benelux-Verbands. Archive der Zentralbanken der sechs Mitgliedstaaten der Gemeinschaft von 1970 bzw. sonstige öffentliche und private Bestände wurden bis dato noch nicht konsultiert.


Für die Veröffentlichung des vorliegenden digitalen Forschungskorpus wurde eine Auswahl vorgenommen, um ein in sich geschlossenes Ganzes zu erhalten, die Quellen aus den verschiedenen Pierre Werner-Familienarchiven zu beleuchten und die Vielfalt der Quellen für die wissenschaftliche Gemeinschaft zu erhöhen.



2.2.3 Die vom CVCE9 zusammengestellten Interviews mit luxemburgischen und europäischen Persönlichkeiten, die ihre Erinnerungen und Überlegungen zu Pierre Werner sowie zu dessen Handlungen und Standpunkten über die europäische Integrationsbewegung zum Ausdruck bringen, werten das Korpus beträchtlich auf. Die Videointerviews (vgl. hierzu Punkt 1.2) stellen neue Quellen für die wissenschaftliche Gemeinschaft und ein reichhaltiges Erbe dar, das auf das Interesse eines breiteren Publikums stoßen dürfte. Zu den Befragten im Rahmen der geplanten und bereits genehmigten, gleichwohl noch nicht durchgeführten Interviews berühmter Zeitzeugen der Wirtschafts- und Währungsunion zählen u. a. Hendrikus Johannes Witteveen (geb. 1921), ehemaliger Finanzminister der Niederlande und späterer geschäftsführender Direktor des IWF, Emilio Colombo (geb. 1921), ehemaliger Finanzminister Italiens, Michel Camdessus (geb. 1933), ehemaliger Präsident der Banque de France und vormals geschäftsführender Direktor des IWF, sowie Jean-Claude Trichet (geb. 1942), ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank.



2.2.4 Alle vorgenannten Ressourcen sind Gegenstand einer ersten Auswertung im Rahmen einer fundierten wissenschaftlichen Studie von Elena Rodica Danescu, die dieselbe Bezeichnung und Struktur aufweist wie das Korpus und zu diesem gehört. Die Studie wird sowohl in einer vollständigen und vereinfachten als auch in einer erweiterten und unterteilten Fassung veröffentlicht – gemäß der Strukturierung der veröffentlichten Ressourcen (vgl. hierzu Punkt 3).


Diese Studie zielt nicht auf Vollständigkeit ab, sondern versteht sich – mithilfe einer fundierten Analyse unveröffentlichter Dokumente – als völlig neue Bewertung des Werner-Berichts, die sich auf die Untersuchung seines Kontexts stützt und den chronischen Ablauf seiner Ausarbeitung sowie die Arbeiten des Werner-Ausschusses nachzeichnet. Dabei wird verdeutlicht, inwieweit der Werner-Plan zur weiteren Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion beigetragen hat.


Da die Architektur des Korpus und der Studie komplex sind und jeder Abschnitt (mit eigenem Dokumententeil) eine eigenständige Einheit darstellt, die sich unabhängig vom gesamten Korpus betrachten lässt, sind bestimmte Wiederholungen vorhanden. Diese sind beabsichtigt, entsprechend angepasst und üblich, um ein möglichst umfassendes Verständnis des behandelten Themas zu erreichen.


Um die ausgewählten bislang unveröffentlichten Dokumente aufzuwerten, wurde ein historiografischer Ansatz gewählt. Archive, Texte und Beiträge sind in erster Linie in französischer Sprache, zumal diese zahlreicher, reichhaltiger und sachdienlicher sind. Gleiches gilt für die Berichte der von den behandelten Ereignissen unmittelbar betroffenen Teilnehmer (u. a. in französischer, englischer, deutscher und italienischer Sprache). Unter unserer Referenzen haben die Memoiren von Pierre Werner10 sowie seine veröffentlichten Schriften ermöglicht, ebenfalls seine eigene Betrachtungsweise zu den behandelten Ereignissen darzustellen.


Alle in der Studie zitierten Dokumente sind Bestandteil des digitalen Forschungskorpus und einsehbar unter www.cvce.eu. Wie bei digitalen Dokumenten üblich ermöglichen in den Text eingefügte Hyperlinks, die zitierten Referenzen unmittelbar einzusehen.


Zur besseren Veranschaulichung enthält die fundierte Studie eine Auflistung der in den einzelnen Abschnitten aufgeführten Referenzen11 sowie ein Personenregister12 mit den wichtigsten biografischen Angaben.



2.3 Auswahlkriterien


Aufgrund unseres disziplinenübergreifenden Ansatzes orientieren sich Erfassung, Auswahl, Verarbeitung und Auslegung der Quellen des digitalen Forschungskorpus über den Werner-Bericht von 1970 an mehreren Kriterien.


Um der wissenschaftlichen Gemeinschaft neue Ressourcen zum Werner-Bericht zu liefern und die gesamte Dokumentation des Themas um vielseitige Zusatzinformationen zu erweitern, haben wir folgende Kriterien bevorzugt:


  • Chronologie. Das behandelte Thema, d. h. der Werner-Bericht, hat uns veranlasst, uns auf den Zeitraum zwischen 1968 und 1973 zu konzentrieren – mit einem Höhepunkt im Jahre 1970. Um Kohärenz und eine historische Betrachtungsweise zu gewährleisten, wurde die Analyse jedoch um Aspekte vor und nach dem Zeitraum des Werner-Berichts (von 1945 bis heute) erweitert.


  • Wert und Angemessenheit der Quellen. Die Auswahl der Dokumente beruht auf streng objektiven Kriterien und soll der wissenschaftlichen Gemeinschaft eine Reihe von Belegen liefern, die die Debatten vor und während der Ausarbeitung, Verabschiedung und Umsetzung des Werner-Berichts so erschöpfend wie möglich darstellen. Insofern zielt die Auswahl der Quellen in keiner Weise darauf ab, bestimmte Doktrinen, Rechtsauffassungen oder historiografische Strömungen zu bevorzugen. Vielmehr soll die getroffene Auswahl eine möglichst weitreichende Darstellung (insbesondere in ideologischer, geografischer und sprachlicher Hinsicht) sicherstellen. Ferner erfolgte die Auswahl der Dokumente unter Berücksichtigung der historischen, politischen, juristischen bzw. wirtschaftlichen Dimension, die diese für die – am Zeitraum der europäischen Integration im Allgemeinen und am Werner-Bericht im Besonderen interessierten – wissenschaftlichen Gemeinschaft implizieren können.


  • Besonderheit (der Quellen und/oder des darin enthaltenen Gedankenguts). Zahlreiche Quellen, darunter Dokumente aus den Pierre Werner-Familienarchiven und vom CVCE zusammengestellte Videointerviews, sind aufgrund ihrer bislang ausgeblieben Veröffentlichung als Kulturerbe zu betrachten – genau wie bestimmte Urtexte der europäischen Integrationsbewegung. Berücksichtigung fanden ebenfalls die derzeitigen wissenschaftlichen Paradigmen, unter Bevorzugung neuartiger historiografischer Ansätze. Diese Kategorie kann ebenfalls die Erstellung von Dokumenten wie Tabellen, Karten oder Schemata umfassen, die in erster Linie didaktischen Kriterien gerecht werden.


  • Ausgewogenheit und Vielfalt der Quellen, und zwar im Hinblick auf Ursprung (private und öffentliche, institutionelle und nicht institutionelle, luxemburgische und internationale Archive usw.) und Träger (schriftliche, ikonografische, fotografische, audiovisuelle Dokumente usw.). Alle ausgewählten Dokumente sind in extenso bzw. in Form ausführlicher Auszüge aufgeführt.


  • Intellektuelle Informationsaufbereitung. Alle Dokumente werden vom CVCE aufbereitet – u. a. mit präziser Quellenangabe sowie erklärenden Anmerkungen nebst Kontextangaben. Sämtliche ausgewählten Dokumente waren Gegenstand einer rigorosen Überprüfung im Hinblick auf Vervielfältigung und Veröffentlichung. Entsprechend wurden gemäß den Rechtsvorschriften über das geistige Eigentum die Genehmigungen der jeweiligen Rechteinhaber eingeholt.


  • Elektronische Zugänglichkeit (Digitalisierung, angemessene Verarbeitung von Text und Format usw.) unter Berücksichtigung der Digitalisierung des Forschungskorpus und des Publikationsumfelds unter www.cvce.eu.



3. Struktur des digitalen Forschungskorpus


Das digitale Forschungskorpus setzt sich aus sechs Hauptkapiteln mit verschiedenen Abschnitten zusammen.


Alle Kapitel und Abschnitte enthalten einen Analysetext und eine möglichst vollständige einschlägige Quellensammlung mit verschiedenen Dokumententypen (Texte sowie ikonografische, fotografische, audiovisuelle Dokumente usw.). Die Aufbereitung der einzelnen Kapitel und Abschnitte sowie die Untersuchung der in diesem Rahmen aufgegriffenen Fragen zielen nicht auf Vollständigkeit ab. Jedes Kapitel gilt als eigenständige Einheit, die im Hinblick auf Quellen und Erläuterungen ein vollständiges Verständnis ermöglicht.


Die Studie soll bestimmte Quellen in besonderer Weise auslegen und beleuchten, gleichzeitig jedoch selbst die als Quelle und Bestandteil des digitalen Forschungskorpus fungieren.



4. Bibliografie und Anhänge


Das Korpus enthält weitere von Elena Danescu verfasste Dokumente, die eigenständige wissenschaftliche Arbeiten darstellen, darunter:


  • die Rekonstruktion der Abfolge der Sitzungen13 der Werner-Gruppe, d. h. Plenarsitzungen und Expertenkonsultationen – unter Veranschaulichung der behandelten Problematik sowie von Debatten, Kontroversen und Kompromissen;


  • Sammlung von Reden, Konferenzen, Vorträgen, öffentlichen Beiträgen und sonstigen Urtexten von Pierre Werner14 zur europäischen Integrationsbewegung und wirtschaftlichen und monetären Fragen, darunter unveröffentlichte Dokumente;


  • ausführliche Bibliografie mit Standardwerken über Pierre Werner und den Werner-Plan15;


  • Chronologie ab den 1950er-Jahren über Pierre Werner und das monetäre Europa16, mit Schwerpunkt auf den verschiedenen Phasen der monetären Integration und der Rolle des Großherzogtums Luxemburg und luxemburgischer Persönlichkeiten in der europäischen Integrationsbewegung.


1 Sofern nicht anders angegeben, sind die Quellen aller in dieser Studie zitierten Dokumente zu finden unter www.cvce.eu.

2 Das digitale Forschungskorpus auf der Website www.cvce.eu mit ihren digitalen Inhalten versteht sich als fortschreitende Publikation, deren Auflagen jeweils einem Peer Review unterliegen.

3 Vgl. hierzu PALMER, Carole L. Thematic Research Collections. In A companion to Digital Humanities, herausgegeben von Susan Schreibman und John Unsworth, s.d. Quelle: www.adho.org. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

Vgl. hierzu UNSWORTH, John. Scholarly Primitives: what methods do humanities researchers have in common, and how might our tools reflect this?. London: 2000. Quelle: http://people.lis.illinois.edu/~unsworth/. (Dokument eingesehen am 10  Oktober 2012.)

4 Vgl. hierzu den Abschnitt „Pierre Werner, ein Leben für Europa“ mit Analysetext und einschlägiger Quellensammlung. Vgl. hierzu ebenfalls DANESCU, Elena Rodica. Le Comité Werner: nouvelles archives. In Histoire, économie et société. La revue d'histoire économique et sociale du XVIe au XXe siècle, Nr. 4/2011, ISSN: 0752-5702, Paris: Éditions Armand Colin. Quelle: http://www.cairn.info/. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

5 Die Videoaufzeichnung und das Protokoll der Konferenz sind abrufbar unter www.cvce.eu (eingesehen am 10. Oktober 2012). Vgl. hierzu Pierre Werner et l’Europe. Actes de la présentation officielle du projet de recherche du CVCE et de la conférence de Jean-Claude Juncker, Premier ministre, président de l’Eurogroupe, Luxemburg: CVCE, ISBN 978-99959-708-0-2, Juni 2011.

6 Angesichts der gegenwärtigen Währungs- und Finanzkrise wird neben dem wissenschaftlichen Interesse dieser Vorgehensweise ebenfalls auf die Aktualität bestimmter Fragen und der damals gegebenen Antworten verwiesen – insbesondere im Rahmen der Ausarbeitung des Werner-Plans. Genauer gesagt geht es darum, die Erfahrungen der Vergangenheit aufzuzeigen, die beim künftigen Aufbau des vereinten Europas Berücksichtigung finden könnten.

7 Vgl. hierzu Inventar der Pierre Werner-Familienarchive. (Dokument eingesehen am 10  Oktober 2012.)

8 Vgl. hierzu DANESCU, Elena Rodica. Inventar der interinstitutionellen Quellen. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

10 WERNER, Pierre, Itinéraires luxembourgeois et européens. Evolutions et souvenirs: 1945-1985. Luxemburg: Éditions Saint-Paul, 1992, Band I und II.

11 Vgl. hierzu DANESCU, Elena Rodica. Liste der im digitalen Forschungskorpus „Neubewertung des Werner-Berichts vom 8. Oktober 1970 im Zuge der Öffnung der Pierre Werner-Familienarchive“ aufgeführten Dokumente und Referenzen. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

12 Vgl. hierzu DANESCU, Elena Rodica. Verzeichnis der für das digitale Forschungskorpus „Neubewertung des Werner-Berichts vom 8. Oktober 1970 im Zuge der Öffnung der Pierre Werner-Familienarchive“ befragten Persönlichkeiten. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

13 Vgl. hierzu DANESCU, Elena Rodica. Synthese des Zeitplans und der Problematik des Werner-Komitees (6. März 1970 - 21. März 1971). (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

14 Vgl. hierzu DANESCU, Elena Rodica. Bibliographische Referenzen von Pierre Werner für das digitale Forschungskorpus „Neubewertung des Werner-Berichts vom 8. Oktober 1970 im Zuge der Öffnung der Pierre Werner-Familienarchive“. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

15 Vgl. hierzu DANESCU, Elena Rodica. Allgemeine bibliografische Referenzen für das digitale Forschungskorpus „Neubewertung des Werner-Berichts vom 8. Oktober 1970 im Zuge der Öffnung der Pierre Werner-Familienarchive“. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

16 Vgl. hierzu DANESCU, Elena Rodica. Pierre Werner und das monetäre Europa - Chronologie (1948-1974). (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

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