Fazit1


Der Wirtschaftswissenschaftler, Jurist, Politiker und Diplomat Pierre Werner, der das europäische Aufbauwerk und insbesondere die Währungsintegration auf herausragende Weise mitgestaltete und zum Aufbau des modernen Luxemburg beitrug, der Wissenschaftskreisen angehörte und aktiv in Wirtschaftsnetzwerken in Europa und den USA mitwirkte, war eine äußerst vielseitige Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts.


Als Pierre Werner zu Beginn der 1950er Jahre die politische Bühne in Luxemburg betritt, ist er sogleich auf das engste in die großen Themen des europäischen Einigungswerks eingebunden. Die nach langem Gerangel erfolgte Anerkennung Luxemburgs als einer der drei festen Hauptsitze der Gemeinschaftsorgane2, der „Luxemburger Kompromiss“ und der „Werner-Plan“ gehören zu den Erfolgen, an denen er maßgeblichen Anteil hat, auch wenn er wegen seiner zurückhaltenden und bescheidenen Art selbst nie viel über seine Leistungen und seine persönliche Beteiligung an verschiedenen Ereignissen spricht. Er offenbart dies erst in seinen Erinnerungen3, die er nach seinem Rückzug aus der Politik veröffentlicht, und in denen er verschiedene Aspekte seines 40 Jahre währenden Wirkens als luxemburgischer und internationaler Politiker streift.


Die Erforschung der Archive, mit deren Aufbau Pierre Werner in den 1950er Jahren begann und die er Zeit seines Lebens weiterführte, wirft ein neues Licht auf die Geschichte der europäischen Integration.


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Im Mittelpunkt des ersten Forschungsabschnitts steht der Werner-Bericht, und zwar zum einen aufgrund der Bedeutung dieses Dokuments für den europäischen Einigungsprozess und zum anderen aufgrund der wissenschaftlichen Relevanz seiner Schlussfolgerungen und ihrer besonderen Aussagekraft im Kontext der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise. Hinzu kommt, dass sich die Arbeiten des Werner-Ausschusses in einem kleinen Rahmen und in einer vertraulichen Atmosphäre vollzogen, so dass sich die Alchemie des Werner-Plans, der seiner Ausarbeitung innewohnende Geist und der damit verbundene politische Kompromiss in keiner Weise aus den offiziellen Archiven erschließen.4 Als letzter Grund lässt sich schließlich anführen, dass die unveröffentlichten Archive der Familie Werner neue Informationen über das persönliche Engagement von Pierre Werner und seinen Beitrag zur Arbeit der Expertengruppe und der Ausarbeitung des Stufenplans offenbaren.



So besteht dieser digitale Forschungsdatensatz5 aus einer sehr reichen und vielseitigen Sammlung von Quellen6, von denen einige bislang unveröffentlicht sind7, und enthält zugleich eine wissenschaftliche Studie8, die das Ergebnis der intensiven Auseinandersetzung mit den Primär- und Sekundärquellen ist. Diese Studie, die fester Bestandteil des Datensatzes ist, stellt eine echte „Neubeschäftigung“ mit dem Werner-Bericht dar, bei der sowohl auf den Kontext und den Ablauf der Arbeiten als auch auf die Auswirkungen des Berichts auf den weiteren Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion eingegangen wird. Die Studie liegt der Struktur der veröffentlichten Quellen folgend in einer vollständigen (vereinfachten) Fassung und in einer in Abschnitte untergliederten erweiterten Version vor. Die Aufbereitung der Kapitel und Abschnitte sowie die Auseinandersetzung mit den behandelten Themen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.


Bedingt durch ihren Gegenstand – den Werner-Bericht – konzentriert sich die Analyse auf den Zeitraum 1968-1974 mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Jahr 1970, wobei zur besseren Nachvollziehbarkeit und historischen Einordnung der Erarbeitung vorangehende und nachfolgende Ereignisse (von 1945 bis heute) einbezogen wurden.


Zusammenfassend betrachtet ergibt die Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex folgende Ergebnisse:


1. Die Studie wird mit Ausführungen zu den Gründen, die zur Einsetzung des Werner-Ausschusses geführt haben, eingeleitet, wobei das Gipfeltreffen von Den Haag besonders herausgestellt und die internationale Währungssituation in der Nachkriegszeit sowie der wirtschafts- und währungspolitische Hintergrund der 1960er Jahre näher beleuchtet werden. Dieser Abschnitt9 enthält eine umfangreiche und repräsentative Quellensammlung zu diesen Themen, einschließlich der seinerzeit von einzelnen Ländern und der EG-Kommission vorgelegten Währungspläne. Die wissenschaftliche Studie veranschaulicht anhand einer Fülle von Dokumenten (Reden, Studien, Artikel, Zeitungsinterviews usw.)10, wie sich das monetäre Denken von Pierre Werner seit Ende der 1950er Jahre entwickelt hat. Durch die Darstellung seiner Ideen zur Einführung einer zunächst gemeinsamen und später einheitlichen europäischen Währung (mit denen er den Vorschlägen der Kommission vorgreift11) und seiner über Jahre geführten Gespräche mit namhaften Wirtschaftswissenschaftlern (François Collin, Jacques Rueff, Robert Triffin) sowie mit Verfechtern der europäische Sache (Jean Monnet) offenbart sich dem Leser die wahre Leidenschaft, die Pierre Werner für das Studium von Währungsphänomenen hegte, sodass verständlicher wird, dass seine Berufung an die Spitze des Expertenausschusses weder ein Zufall noch eine primär politisch geprägte Entscheidung war, sondern ein Akt der Vernunft gegenüber einem Mann, dessen Ruf als Vermittler sich nach dem „Luxemburger Kompromiss“ verbreitet hatte.12


2. Alle Sitzungen des Werner-Ausschusses konnten in ihrer zeitlichen Abfolge rekonstruiert werden – die Zusammenkünfte aller Ausschussmitglieder und die Konsultationen von Sachverständigen, einschließlich der in den Fachausschüssen der EG-Kommission. Dazu ließen sich die Teilnehmer und das erörterte Thema, die wichtigsten vorgelegten Dokumente13 sowie die hauptsächlichen Meinungsäußerungen und deren jeweiliger Einfluss14 ermitteln.


Aus den Recherchen und der Analyse unveröffentlichter Quellen, darunter die vom CVCE zusammengetragenen audiovisuellen Aufzeichnungen, ergeben sich drei verschiedene Erklärungen für die Ernennung von Pierre Werner zum Vorsitzenden der Gruppe.15


3. Die Leistung von Pierre Werner ist umso höher zu bewerten, als er nicht nur die Arbeitsmethode bestimmte und die Koordinierung der Sachverständigengruppe übernahm, sondern auch maßgeblichen und persönlichen Anteil am Inhalt des Stufenplans hatte.


3.1 Auf der vorbereitenden Sitzung stellt Pierre Werner seinen Kollegen die Grundzüge seines Konzepts für einen Plan vor, der zu einer einheitlichen Währung führen kann. Er gibt einen vergleichenden Überblick über die von den Regierungen Deutschlands, Belgiens und Luxemburgs sowie der Kommission vorgelegten Vorschläge und benennt deren wesentliche Etappen sowie die Bereiche, in denen Übereinstimmung bzw. Unstimmigkeit herrscht16, darunter die beiden wichtigen Punkte Vergemeinschaftung der Reserven der Sechs und Schaffung einer gemeinschaftlichen Zentralbank.


3.2 Der Ausschuss folgt dem methodischen Ansatz von Pierre Werner, der vorschlägt, den Bericht auf einem Stufenplan aufzubauen.17


Nach seinen erfolgreichen Vermittlungsbemühungen, die zu einer Annäherung der unterschiedlichen Standpunkte innerhalb des Ausschusses und zu einer Einigung über den Zwischenbericht (22. Mai 1970) führen, schlägt Pierre Werner vor, die Arbeit der Expertengruppe in sechs Schwerpunktbereichen zu vertiefen, was u. a. die institutionellen Aspekte, wirksame Instrumente zur Koordinierung der Konjunkturpolitik und der mittelfristigen Wirtschaftspolitik und Instrumente zur Haushaltskoordinierung betrifft.18


3.3 Pierre Werner arbeitet auch an der Entwicklung der externen Dimension der WWU, was der Stufenplan deutlich belegt.19 Kern einer immer wieder in ihm aufkeimenden Idee sind die Festigung der (künftigen) Währungsidentität und die europäische Solidarität, die sich darin äußern sollte, dass die Sechs mit einer gemeinsamen Stimme in den internationalen Finanzorganisationen sprechen.


Pierre Werner ist unmittelbar an der Erstellung der englischen Fassung des Berichts beteiligt und trägt durch Vorträge und seine Gespräche mit dem britischen Premierminister Edward Heath zu deren Verbreitung in englischsprachigen akademischen und politischen Kreisen, insbesondere in Großbritannien, bei.


4. Nach der eingehenden Darstellung des Inhalts des Zwischenberichts und des endgültigen Werner-Berichts erfolgt eine intensive Beschäftigung mit der besonderen Rolle des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten, dessen Stellungnahme Bestandteil des Werner-Berichts ist.20 Aus den unveröffentlichten Archiven erschließen sich enge und kontinuierliche Beziehungen zwischen Pierre Werner und den belgischen und französischen Mitgliedern seiner Gruppe, die wesentlich zum Inhalt und zum Konsens bezüglich des Schlussberichts beigetragen haben.


Parallel zu den Arbeiten der Ad-hoc-Gruppe wirkt Pierre Werner sehr aktiv im Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa mit, dessen Vorsitzender Jean Monnet ist. Einen besonders regen öffentlichen wie auch vertraulichen Gedankenaustausch führen beide Männer ab Mai 1970, als sich die Umrisse des Zwischenberichts abzuzeichnen beginnen.21 Häufig geht es in ihren Besprechungen um die Einbeziehung einflussreicher Kreise, insbesondere in Deutschland und in den Niederlanden, da diese beiden Länder einem gemeinsamen Standpunkt im Rat am zögerlichsten gegenüberstehen. Die Vermittlungsbemühungen von Monnet bei Willy Brandt tragen ebenso Früchte wie das entsprechende Vorgehen des belgischen Barons Snoy et d’Oppuers gegenüber seinem niederländischen Amtskollegen, Finanzminister Witteveen.


Die Archive belegen auch den Konflikt zwischen den unterschiedlichen Ansätzen der Ökonomisten (vertreten durch Deutschland und die Niederlande) und der Monetaristen (Frankreich), der den Arbeiten der Expertengruppe zugrunde liegt und dessen Lösung in der Parallelität zwischen wirtschaftlicher Zusammenarbeit und währungspolitischer Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten besteht. Als Vorsitzender der Ad-hoc-Gruppe setzt sich Pierre Werner mit großer Sachlichkeit für die Erreichung dieses letztendlich ausgewogenen Ergebnisses ein, obwohl er den Thesen der Monetaristen ursprünglich näher stand als denen der Ökonomisten.22


5. Der Werner-Bericht23 enthält eine vollständige Definition der Wirtschafts- und Währungsunion. Das Endziel besteht in der irreversiblen Konvertibilität der Währungen der Mitgliedstaaten, der völligen Liberalisierung des Kapitalverkehrs, der unwiderruflichen Festlegung der Wechselkurse und sogar der Ersetzung der Landeswährungen durch eine einheitliche Währung. Die Währungspolitik gegenüber der Außenwelt soll Sache der Gemeinschaft werden. Für die Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion sind drei Stufen über einen Zeitraum von zehn Jahren vorgesehen (1971-1980)24 und als Endergebnis wird eine Gemeinschaft des Wohlstands und des Wachstums formuliert. Im Bericht wird die Einrichtung eines „wirtschaftspolitischen Entscheidungsgremiums“, das der demokratischen Kontrolle des (aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen) Europäischen Parlaments unterstellt wird, sowie eines „gemeinschaftlichen Zentralbanksystems“ angeregt, wobei diese institutionelle Ausgestaltung eine Änderung der Verträge bedingt. Voraussetzung hierfür ist die progressive Entwicklung der politischen Zusammenarbeit. Die Wirtschafts-und Währungsunion erscheint somit als ein Ferment für die Entwicklung der politischen Union, ohne die sie auf Dauer nicht bestehen kann. Bei der Umsetzung der Gemeinschaftspolitik sollen die Sozialpartner regelmäßig angehört werden. Doch weist der Stufenplan gewisse Schwächen auf. So werden trotz erster Anzeichen für den Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems feste Wechselkurse vorausgesetzt. Weitere Schwachpunkte sind die relativ schematische Beschreibung der zweiten und dritten Stufe der WWU sowie die institutionelle Ausgestaltung.25


6. Die Reaktionen der Gemeinschaftsorgane (Parlament, Rat und Kommission), der Mitgliedstaaten, der Zivilgesellschaft und der Medien auf den Werner-Bericht26 sowie auf die Vorschläge der Kommission werden ebenso beleuchtet wie die Aufnahme des Berichts in den politischen und gesellschaftlichen Kreisen Europas, durch Personen des öffentlichen Lebens, Einrichtungen (Gewerkschaften, Hochschulen usw.) und einfache Bürger. Beispiele hierfür sind unveröffentlichte Dokumente wie die Schreiben von Jacques Rueff27 und Willy Brandt28.


7. Weniger detailliert behandelt werden die Umsetzung des Werner-Berichts vor dem Hintergrund der Währungsturbulenzen in Europa und der gesamten Welt und die Aussetzung des Prozesses aufgrund der Weltwirtschaftskrise von 1973.29 Ausgenommen hiervon ist der Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit (EFWZ), zu dem sich im Privatarchiv von Pierre Werner zahlreiche Quellen finden.


8. Nach Aussetzung der Umsetzung des Werner-Berichts werden zu Beginn der 1980er Jahre zahlreiche Initiativen30 auf politischer Ebene („Spierenburg-Plan“, „Bericht der Lord Cromer-Gruppe“, „Tindemans-Bericht usw.) sowie in Wissenschaftskreisen ergriffen (Diskussionen um den Begriff der „Parallelwährung“, Vorschläge von Prof. Mundell und Prof. Magnifico, „Manifest zu Allerheiligen“).


Fast dreißig Jahre später lässt der Bericht des Delors-Ausschusses dem Werner-Plan Gerechtigkeit zuteilwerden. In seinen Memoiren schreibt Jacques Delors: „(Im Bericht des Delors-Ausschusses) haben wir uns auf die drei aus dem Werner-Bericht übernommenen Stufen verständigt: Erste Stufe Verstärkung der Koordinierung ab 1. Juli 1990; zweite Stufe Übergangsstufe zur Endstufe und endgültige institutionelle Ausgestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion; letzte Stufe unwiderrufliche Festlegung der Wechselkurse zwischen den Währungen untereinander und gegenüber der einheitlichen Währung.“31


In einem aufgezeichneten Interview zum Werdegang der einheitlichen Währung32 bekennt Jacques Delors zudem: „Man kann sagen, dass das von uns vorgeschlagene Gesamtkonzept und sogar der Aufbau der Delors-Berichts maßgeblich auf den Werner-Bericht zurückgeht. … Der Bericht des Delors-Ausschusses beruht auf demselben Ansatz wie der Bericht des Werner-Ausschusses“.


1 Vorbehaltlich anders lautender Angaben ist die Quelle aller in dieser Studie zitierten Dokumente: www.cvce.eu.

2 Das Stadtentwicklungs- und Raumplanungsprogramm für das „Europa-Viertel“ auf dem Kirchberg-Plateau war ein wichtiger Trumpf des Landes im „Kampf um die Hauptsitze“. In Luxemburg selbst setzte sich Pierre Werner stark für die wirtschaftliche Diversifizierung des Landes und ab 1960 insbesondere für seine Festigung als internationaler Finanzplatz ein und unterstützte die aufkeimende Idee, Luxemburg als Flaggenstaat zu etablieren, die Entwicklung des audiovisuellen Sektors und vor allem die Entwicklung des Satellitenprojekts, in deren Ergebnis die Europäische Satellitengesellschaft (Société européenne des satellites SES) entstand.

3 WERNER, Pierre. Itinéraires luxembourgeois et européens. Evolutions et souvenirs: 1945-1985. Luxemburg: Éditions Saint-Paul, 1992, Band I und II.

4 Es sei daran erinnert, dass der Werner-Ausschuss zu Beginn seiner Arbeiten die Regel aufstellte, keine Berichte über Sitzungen zu verfassen, bei denen erhebliche Kontroversen oder tiefgreifende Unstimmigkeiten zutage traten. Zu Sitzungen, bei denen Einigkeit erzielt wurde, wurden kurze Berichte verfasst.

5 Siehe Einführung (insbesondere Punkt 2. Digitaler Forschungsdatensatz), in der die methodischen Aspekte unseres Herangehens erläutert werden.

6 Bei den Primärquellen gehören ca. 650 Dokumente zum Datensatz, darunter multimediales Recherchematerial (audiovisuelle Archive, Bildmaterial) aus verschiedenen Archivbeständen, unter denen das Familienarchiv Pierre Werner am wichtigsten ist.

7 Der unveröffentlichte Bestand des Familienarchivs Pierre Werner zum Thema Stufenplan wurde gründlich durchgesehen. Ergänzt wird das Quellenspektrum, das keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, durch Funde in öffentlichen und privaten Archivbeständen in Luxemburg und weltweit. Besonders wertvoll ist der vom CVCE erarbeitete Abschnitt mit Aussagen historischer Zeitzeugen zu Pierre Werner und seiner Rolle beim Aufbau der Wirtschafts- und Währungsunion, da er einen Erkenntnisgewinn für die Forschung bedeutet.

8 Diese sehr tiefgründige wissenschaftliche Studie trägt denselben Titel und folgt derselben Struktur wie der Datensatz, dessen fester Bestandteil sie ist. Sie steht sowohl in der vollständigen Fassung als auch in einer in Abschnitte untergliederten und erweiterten Version zur Verfügung. Jeder Abschnitt des Datensatzes ist sowohl hinsichtlich der Quellen als auch der Erläuterungen in sich verständlich und kann für sich alleine stehen.

9 Kapitel 1 „Kontext der Einrichtung des Werner-Ausschusses“.

10 In den privaten Unterlagen von Pierre Werner finden sich detaillierte dokumentarische Unterlagen von überraschender Fülle, die er seit 1952 methodisch zusammengestellt und selbst geordnet hat. Sie enthalten Texte, die meisten von ihnen handgeschrieben, zur währungspolitischen Integration Europas sowie zahlreiche, häufig mit Anmerkungen versehene Artikel, die in der luxemburgischen, europäischen und internationalen Presse erschienen sind.

11 Als führender Verfechter der Währungsintegration der Sechs legt Pierre Werner als erster verschiedene Vorschläge vor, die sich später im ersten Barre-Plan wiederfinden (12. Februar 1969). Bereits im Herbst 1967 hatte Pierre Werner auf einer Tagung der Finanzminister darauf verwiesen, wie notwendig es sei, die Schwankungsbreite der Währungen zu überprüfen, ein Beistandsnetz zur Bekämpfung der Spekulation zu schaffen und die Rechnungseinheiten zu vereinheitlichen. Die Vorschläge der Kommission ähneln denen, die Pierre Werner einen Monat zuvor in seinem Fünf-Punkte-Aktionsprogramm dargelegt hatte, das einen praktikablen Weg für die europäische währungspolitische Integration aufzeigt und den Grundsatz der vorherigen Konsultation, der in der Folge durch das Erfordernis der Einstimmigkeit sowie das Gebot der Unterlassung jeglicher einseitiger Maßnahmen verstärkt wird, bereits enthält. Auch die Solidarität innerhalb der Belgisch-Luxemburgischen Wirtschaftsunion (BLWU) und der Benelux-Länder wird thematisiert.

12 Der wegen seines maßgeblichen Anteils am Zustandekommen des „Luxemburger Kompromisses“ im Januar 1966 anerkennte luxemburgische Ministerpräsident galt als eine Persönlichkeit, die imstande ist, die Gemeinschaft aus der Sackgasse zu führen. Seine in schwieriger Zeit von Erfolg gekrönten europäischen Vermittlungsbemühungen lassen die Idee einer eventuellen Kandidatur Pierre Werners für den Vorsitz der EG-Kommission aufkeimen, was er jedoch ablehnt, um sein nationales Wahlmandat weiter ausüben zu können. Diese historische Tatsache weist Parallelen zu Geschehnissen der jüngeren Geschichte auf, als sich nämlich fast vierzig Jahre später ein anderer luxemburgischer Ministerpräsident, Jean-Claude Juncker, ebenso entscheidet.

13 Siehe auch DANESCU, Elena Rodica. Synthèse sur le calendrier et la problématique du comité Werner (mars 1970-mars 1971). (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

14 Siehe Kapitel 2 „Einsetzung des Werner-Ausschusses und Verlauf seiner Arbeiten (März-Oktober 1970)“.

15 Abschnitt 2.2 „Einsetzung des Werner-Ausschusses und Verlauf seiner Arbeiten“.

16 Diesen Ansatz wird sich die EG-Kommission voll und ganz zu Eigen machen und er wird ihre dem Ad-hoc-Ausschuss zugeleiteten Studien und Unterlagen prägen.

17 Dabei handelt es sich um die Zielvorstellung, die im luxemburgischen Fünfpunkteplan für eine Währungsunion dargelegt ist, den Pierre Werner am 26. Januar 1968 beim Europaforum in Saarbrücken vorgelegt hatte, zu dem er neben Jean Monnet und Walter Hallstein eingeladen war. Seine Rede stieß auf großes Interesse und wurde in europäischen Politikerkreisen und von der Öffentlichkeit begrüßt. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

18 Am 29. Mai 1970 erläutert Pierre Werner auf der Sitzung der Finanzminister der Sechs in Venedig und später auf der Ratstagung am 8. und 9. Juni in Luxemburg den Zwischenbericht zum Stufenplan und betont zugleich die Notwendigkeit, die Arbeiten weiter zu vertiefen. Dem in seinen Archiven befindlichen Entwurf seiner Rede ist zu entnehmen, dass er die thematische Vertiefung der Arbeiten anhand von sechs Schwerpunkten anstrebte, darunter die institutionellen Aspekte, wirksame Instrumente für die Koordinierung der Konjunkturpolitik und der mittelfristigen Wirtschaftspolitik sowie Instrumente zur Koordinierung der Haushaltspolitik. In Bezug auf die Wechselkurspolitik sieht er konkret die „Konsultation der Zentralbankpräsidenten“ vor. Alle diese Vorschläge werden sich im Beschluss des Rates über die Vertiefung der Arbeiten der Werner-Gruppe und schließlich im Schlussbericht wiederfinden. Erwähnenswert ist auch, dass Pierre Werner, der das luxemburgische Modell der sozialen Marktwirtschaft zutiefst verinnerlicht hatte, auf der Ratstagung am 9. Juli 1970 die Konsultation der Sozialpartner bei wichtigen währungspolitischen Entscheidungen vorschlagen wird. Der „Delors-Bericht“ – der unter der Ägide eines anerkannten Verfechters des sozialen Europas entstand – wird diese Forderung nicht mehr enthalten. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

19 Aus den Privatarchiven geht zudem hervor, dass Pierre Werner im Zeitraum 1969-1970 regelmäßige Kontakte zu den Bundesbehörden und den politischen Instanzen der USA sowie gute Beziehungen zu den amerikanischen Finanzkreisen pflegte. Durch die luxemburgischen Banker, die insbesondere in den USA gut vertreten waren, und seine Beziehungen zu US-Botschaftern in Luxemburg hatte er häufig Gelegenheit, sich mit den ihn als Vorsitzender des Ad-hoc-Ausschusses interessierenden Aspekten vertraut zu machen. Bei den Jahrestagungen des IWF, an denen er als Notenbankpräsident für Luxemburg teilnahm, und den zahlreichen protokollarischen Gelegenheiten, die sich in diesem Zusammenhang boten, konnten die Mitglieder des Werner-Ausschusses und die Finanzminister der Sechs informelle Gespräche mit ihren amerikanischen Kollegen und mit anderen internationalen Beamten und Experten führen und dabei sondieren, wie diese die verschiedenen Aspekte des Stufenplans einschätzten und was sie dazu zu sagen hatten. In den handschriftlichen Notizen von Pierre Werner finden sich Hinweise auf zwei Treffen mit dem Präsidenten des IWF, den er bereits zur europäischen Währungsidentität zu Rate gezogen hatte, sowie auf mehrere Gespräche mit dem Präsidenten des „Federal Reserve Board“ der USA, Arthur Burns. Immer wieder steht dabei die europäische Problematik auf der Tagesordnung.

20 Kapitel 3 „Werner-Bericht“.

21 Lange vorher, aber auch während der Ausarbeitung des Werner-Plans führt Pierre Werner wiederholt Gespräche mit Jean Monnet, Jacques Rueff, Wilfried Baumgartner (der sein Lehrer in Paris war und den er später – beide bekleiden inzwischen ihr jeweiliges Amt – wiedersehen wird), Hermann Abs (angesehener deutscher Bankmanager, den er seit Beginn seiner Karriere kennt) und Professor Robert Triffin. Pierre Werner nutzt diese Kontakte auch in verschiedenen Phasen der Festigung und des gezielten Ausbaus des Finanzplatzes Luxemburg. In den 1970er Jahren bildet Pierre Werner in seiner Funktion als Finanzminister eine informelle Arbeitsgruppe für den Finanzplatz. Zahlreiche luxemburgische und internationale Persönlichkeiten nehmen an den Gesprächen teil.

22 In einigen seiner früheren Schriften stellt Pierre Werner monetaristische Überzeugungen unter Beweis und scheut sich auch nicht, sie als Finanzminister vorzutragen, um die grundlegenden Interessen des Großherzogtums Luxemburg, das sich als internationaler Finanzplatz behaupten will, zu schützen. Doch als Vorsitzender des Expertenausschusses legt er eine beispielhafte Objektivität an den Tag. Nach Ansicht von Pierre Werner lassen sich entscheidende Fortschritte auf dem Weg zu einer Währungsunion erreichen, auch ohne die nationale Souveränität der Länder der Gemeinschaft anzutasten, da „die Geschichte der Konföderationen und Föderationen zur Genüge gezeigt hat, dass die letzte Bastion nationaler Souveränität nicht das Geld, sondern die Steuern sind, über die das Nationaleinkommen verteilt wird“. (Siehe Pierre Werner. Ansprache von Pierre Werner, Staatsminister und Präsident der luxemburgischen Regierung, auf der Konferenz der Staats- und Regierungschefs in Den Haag am 1. Dezember 1969. In: Dokumentationsbulletin, Nr. 14 vom 10. Dezember 1969. Luxemburg: Informations- und Pressedienst, Staatsministerium des Großherzogtums Luxemburg, Dezember 1969, S. 3-7. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

23 Kapitel 3 „Werner-Bericht“.

24 Die erste Stufe soll am 1. Januar 1971 beginnen, drei Jahre dauern und dafür sorgen, dass die ökonomische Infrastruktur angepasst und der Boden für institutionelle Fortschritte bereitet wird. Die zweite Stufe baut auf den wirtschaftlichen und institutionellen Entwicklungen der ersten Stufe auf und führt zur dritten Stufe und damit zur Festlegung der Wechselkurse und, im Idealfall, zu einer einheitlichen Währung. (Der Einführung einer einheitlichen Währung wurde gegenüber der Beibehaltung der Landeswährungen eindeutig der Vorzug gegeben, auch wenn sie nicht als entscheidendes Kriterium betrachtet wurde).

25 Siehe BAER, Gunter D.; PADOA-SCHIOPPA, Tommaso. The Werner Report Revisited. In: Collection of Papers. Luxemburg: Committee for the Study of Economic and Monetary Union, April 1989, S. 53‑60.

26 Die Bezeichnung „Werner-Bericht“ ist kein von Journalisten geprägter Begriff, sondern der Untertitel, den dieses Dokument bei seiner ersten offiziellen Vorstellung am 8. Oktober 1970 und bei seiner Übergabe durch den Expertenausschuss an den Rat und die Kommission trug. In der dem Europäischen Parlament später vorgelegten Fassung wurde dieser Untertitel weggelassen. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

27 Schreiben von Jacques Rueff an Pierre Werner, 28. Oktober 1970, der den berühmten Satz enthält: „Europa entsteht durch die Währung oder gar nicht“. Dieser Satz entstammt einem 1950 in der Zeitschrift „Synthèse“ veröffentlichten Artikel (Brüssel, 4. Jahrgang, Nr. 45), abgedruckt in L’âge de l’inflation, Paris: Éditions Payot, 1963, S. 123-129. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

28 Schreiben von Willy Brandt an Pierre Werner, 1. Februar 1970. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

29 Kapitel 5 „Die Umsetzung des Werner-Berichts“.

30 Kapitel 6 „Der Werner-Bericht und die Fortsetzung des Weges zur Wirtschafts- und Währungsunion in den 1980er Jahren“.

31 DELORS, Jacques. Mémoires. Paris: Editions Plon, 2004, S338.

32 Quelle: Pierre Werner – testimonies at the threshold of the 21st century. Abschrift, Auszug aus dem Dokumentarfilm, Europäische Kommission, 1999.

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