The Committee of Governors of the Central Banks and the Werner Report

Der Ausschuss der Zentralbankpräsidenten und der Werner-Bericht1


Die Schaffung eines Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit (EFWZ) war eine Grundforderung, der Pierre Werner hohe Bedeutung beimaß. So griff er erstmals 1962 – und ab Mai 1967 mit Nachdruck – in den europäischen Politik- und Wirtschaftskreisen die Idee für diese Einrichtung auf und gab ihr dabei den Namen, den sie fortan tragen sollte.2 Im Januar 1968 und später im „luxemburgischen Plan zur monetären Integration“ legte er Struktur, Rolle, Aufgaben und Kompetenzen des Fonds sowie dessen schrittweise Umsetzung ab der ersten Stufe der Durchführung der Wirtschafts- und Währungsunion fest.3


Dass sich Pierre Werner und Baron Ansiaux, der Präsident des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten, über die Problematik des Devisenstabilisierungsfonds und des Reservefonds sowie die in dieser Hinsicht umzusetzenden Ideen, Ziele und Strategien weitestgehend einig waren, verschaffte dem Ausschuss beträchtliche Anerkennung als gemeinschaftliche Währungsautorität und wertete auch den EFWZ auf. Dies belegen die Vorbereitungsarbeiten zum Werner-Bericht. Schon zuvor hatte ihre Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe den Debatten wertvolle Impulse geliefert. Bereits im April 1970 hatte Baron Ansiaux – auf Wunsch Pierre Werners – seine Überlegungen über die Funktionsweise eines europäischen Devisenstabilisierungsfonds dargelegt.4 Im Mittelpunkt dabei standen die Problematik der Stabilisierung der Wechselkurse zwischen den Gemeinschaftswährungen5 sowie die Sonderziehungsrechte.6


Weil Pierre Werner im Rahmen der Arbeit der Gruppe einen fortwährenden und häufig vertraulichen Dialog mit Baron Ansiaux pflegte, war eine enge Zusammenarbeit mit dem Ausschuss der Zentralbankpräsidenten gewährleistet. Nach dem Briefwechsel zwischen dem 3. und 12. Juni 1970 bat Pierre Werner Baron Ansiaux, der Ausschuss der Zentralbankpräsidenten – dessen Rolle bei der Einrichtung des Devisenstabilisierungsfonds als wesentlich galt – solle zu mehreren Fragen Stellung beziehen.7 Diese betrafen zunächst das Wechselkurssystem und insbesondere die Verringerung der Schwankungsbandbreiten zwischen den Währungen der Länder des gemeinsamen Markts. Ebenso wurden die Vor- und Nachteile eines Devisenstabilisierungsfonds in der ersten Stufe dargelegt und die Notwendigkeit aufgezeigt, alle im Rahmen der ersten Stufe umzusetzenden Maßnahmen aufzulisten, die zur Annäherung der Währungspolitik erforderlich waren.


Nach dem Beschluss des Rates vom 9. Juni 1970, der die Stellungnahme des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten empfahl, sandte Pierre Werner dem Präsidenten des Ausschusses der Zentralbank – gemäß einer zwischen den beiden Männern ausgearbeiteten Strategie – drei Tage später einen Brief, in dem er ihn um eine Stellungnahme zu bestimmten technischen und wirtschaftlichen Aspekten bei der Umsetzung eines gemeinschaftlichen Wechselkurssystems ersuchte. Am Tag zuvor hatte Pierre Werner auf diplomatischem Wege die Anmerkungen von Bernard Clappier, dem Präsidenten des Währungsausschusses, erhalten. Gegenstand waren nähere Erläuterungen zu den technischen Abläufen, die Folgen einer Verringerung der Schwankungsbandbreiten sowie die Problematik des Devisenstabilisierungsfonds.8 Am 16. Juni beantwortete Baron Ansiaux das Schreiben Pierre Werners und verpflichtete sich, die Stellungnahme bis zum 15. Juli vorzulegen. Schwerpunkt sollte „die Möglichkeit zur Abstimmung der währungspolitischen Instrumente und die wirksame Annäherung der Währungspolitik der Mitgliedstaaten“ sein.9 Die detaillierte Studie über die umzusetzenden Maßnahmen wurde dagegen ins letzte Quartal des Jahres verschoben, um Schritt für Schritt alle vorliegenden Erkenntnisse in präzise Schlussfolgerungen einfließen zu lassen. Die Vorgehensweise war von großer Vorsicht geprägt. Grund hierfür waren jedoch nicht nur die natürliche Zurückhaltung der Notenbanker, sich zu Sachverhalten zu äußern, in die sie involviert waren, sondern insbesondere die Divergenzen zwischen ihren verschiedenen Ansätzen und Standpunkten – so wie dies aus den Pierre Werner-Privatarchiven deutlich wird. Baron Ansiaux rief schon bald darauf die Expertengruppe zusammen10, deren konstituierende Sitzung am 25. Juni 1970 erfolgte. Nach fünf weiteren Sitzungen11 legte die Gruppe am 1. August 1970 ihre Stellungnahme vor. Das Dokument ist dem Werner-Bericht angehängt.12


Die von den Zentralbanken beauftragten Experten kommen zu dem Schluss, dass es technisch möglich wäre, einen schrittweisen Prozess ins Auge zu fassen, der jedoch voraussetzt, dass „parallel dazu eine ausreichende Konvergenz in der Wirtschaftspolitik erzielt wird“13.


Ein erster Schritt in Richtung auf die Einführung eines spezifischen Devisensystems der Gemeinschaft bestünde darin, dass die Zentralbanken durch abgestimmtes Vorgehen die Schwankungen zwischen ihren Währungen „de facto begrenzen14. Dieses Ziel könnte durch eine abgestimmte Aktion gegenüber dem Dollar erreicht werden. In einem nächsten Schritt würde die Herabsetzung der Bandbreiten offiziell angekündigt und eine abgestimmte Aktion in Bezug auf den Dollar erfolgen, eventuell ergänzt durch Interventionen in Währungen der Gemeinschaft an den Limiten der Bandbreiten. In einem späteren Stadium könnte man zusätzlich zur gemeinsamen Aktion gegenüber dem Dollar Interventionen in den Währungen der Gemeinschaft sowohl zu den äußeren Limiten als auch innerhalb der Bandbreiten ins Auge fassen.


Die Durchführung der vorstehenden Maßnahmen würde durch die Inanspruchnahme eines „Agenten“ erleichtert (beispielsweise der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich), dem man die Aufgabe übertrüge, die Salden der auf den Märkten der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft durchgeführten Operationen zu verbuchen, deren Summen unter täglicher Meldung an die Zentralbanken auszurechnen sowie mögliche Überträge in Währungen der Gemeinschaft und in Dollar und selbst Kompensationsoperationen in Dollar anzuregen. Sollten die Zentralbanken einer bilateralen Kreditgewährung zustimmen, könnten im selben Rahmen Kompensationsoperationen in Dollar erfolgen.


Sobald die vorgenannten Techniken normal und reibungslos funktionieren – was eine verbesserte Konvergenz der Wirtschaftspolitik voraussetzt –, müsste es technisch möglich sein, auf die Phase überzugehen, die durch die Einrichtung eines „Fonds“ charakterisiert ist. „Die Sachverständigen halten es für ratsam, die Bedingungen der Schaffung und des Funktionierens dieses Fonds eingehender zu prüfen, und zwar in Verbindung mit anderen Untersuchungen, insbesondere über die Harmonisierung der Währungspolitik“15.


Die technische Stellungnahme des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten, die dem Werner-Ausschuss am 1. August 1970 vorgelegt wurde (dieses Datum blieb im Korpus des „Abschlussberichts“ erhalten), stand dennoch auf der Tagesordnung der Sitzung der Notenbanker am 12. und 13. September 1970. Grund war die „weitere Ausarbeitung der Stellungnahme, die der Ausschuss für den Vorsitzenden Werner vornehmen sollte“16.


Unter der Mitwirkung des Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Raymond Barre – der von Generaldirektor Ugo Mosca unterstützt wurde – gingen die Notenbanker bei ihrer letzten Sitzung vor Ausarbeitung der Endfassung des Werner-Berichts mit größter Vorsicht zu Werke. Baron Ansiaux bat die Teilnehmer, eine letzte Einschätzung zum Expertenbericht abzugeben, und schlug gleichzeitig vor, die Diskussionen auf zwei Schwerpunktthemen auszurichten: den schrittweisen Prozess des Stufenplans und dessen Zeitplan sowie die Maßnahmen, die für die von den Experten gewünschten fundierten Untersuchungen vorzusehen sind.


Bei der Sitzung am 2. September 1970 in Brüssel erörterten die Vertreter der Zentralbankpräsidenten im Rahmen des Ausschusses die technische Stellungnahme und billigten sie einstimmig.


Als Sprecher der Stellvertreter betont Cecil de Strycker (Vizepräsident und Vertreter von Baron Ansiaux bei der Belgischen Zentralbank), dass sich die Vertreter aufgrund der Meinungsverschiedenheiten in der angenommenen Stellungnahme weder zum Zeitplan noch zu den Maßnahmen geäußert hätten, die in den einzelnen Phasen der schrittweisen Umsetzung des Berichts vorzuschlagen wären. „Diese beiden wesentlichen Punkte waren Gegenstand von Divergenzen, wobei die Vertreter der Auffassung waren, dass sie dem Vorsitzenden Werner nicht übermittelt werden sollten, zumal die Schlussfolgerungen des Berichts klar genug seien, um dem Werner-Ausschuss und dem Rat der Europäischen Gemeinschaften konkrete Anhaltspunkte zu liefern.“ Gleichwohl bekräftigten sie, dass eine Vertiefung der technischen Fragen noch vor einer echten Abstimmung zwischen den Zentralbanken zwingend erforderlich wäre (sobald der Rat eine Entscheidung über diese Abstimmung getroffen hat). Die Studie über die Harmonisierung der währungspolitischen Instrumente, die zu den Prioritäten im Brief des Vorsitzenden Werner zählte, sollte dagegen unverzüglich beginnen.


Im Folgenden drehten sich die Gespräche um die Art der Maßnahmen, die zur Differenzierung der Margen einzuleiten wären. Diese Maßnahmen müssten mit einer Bewertung der Kredite einhergehen, die hierdurch erforderlich werden könnten. Ebenso wäre die Einsetzung eines für die Margenproblematik zuständigen Gemeinschaftsorgans erforderlich, gleichwohl nach einem schnelleren Verfahren als im Werner-Bericht vorgesehen. Da die beiden letzten Fragen als verfrüht eingestuft wurden, drehten sich die Gespräche ausschließlich um den ersten Punkt. Die unterschiedlichen Standpunkte und Ansätze verhinderten eine konkrete Einigung zu den technischen Aspekten, insbesondere zur Verringerung der Schwankungsbandbreiten und der Differenzierung der Margen gegenüber dem Dollar. Das Fazit fiel schwammig aus: „Die Zentralbankpräsidenten halten es insgesamt zwar für sachdienlich, ihre bevorzugte Lösung im Übermittlungsschreiben des Berichts an den Vorsitzenden Werner darzulegen, doch ist diese Lösung nicht für alle gleich.“17 Im Folgenden kristallisierten sich zwei Lager heraus. So befürworteten die Deutschen (bei der Sitzung vertreten durch Bundesbankpräsident Karl Klasen und deren Vizepräsidenten Otmar Emminger), denen sich die Franzosen (Olivier Wormser, Präsident der Banque de France und Bernard Clappier, Vorsitzender des Währungsausschusses der Kommission) und die Belgier (Baron Hubert Ansiaux, Präsident des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten, und Cecil de Strycker, Vizepräsident und Stellvertreter des Barons bei der Belgischen Nationalbank) anschlossen, eine faktische Grenze der Schwankungsbandbreiten zwischen den Gemeinschaftswährungen, mit anschließender offizieller Verringerung (die Franzosen nehmen hierbei eine umgekehrte Sichtweise ein, die jedoch schlussendlich die gleichen Ergebnisse hervorbringt). Um die Anwendung dieser Maßnahmen zu testen, erklärte sich die Deutsche Bundesbank „bereit, in die Pilotphase überzugehen, sobald die entsprechenden Beschlüsse getroffen wurden, beispielsweise ab 1. Januar 1971“. Die Niederländer hingegen (Jelle Zijlstra, Präsident der Nederlandsche Bank, und Paul Mackay), teilweise unterstützt von den Italienern (Guido Carli, Präsident der Banca d’Italia, und Paolo Baffi), hielten flexiblere Margen aus pragmatischen Erwägungen für besser. Denn diese würden den gleichen Handlungsspielraum lassen und ermöglichen, die offizielle Verringerung der innergemeinschaftlichen Margen einfacher zu erreichen. Allerdings waren sie damit einverstanden, zunächst mit einer faktischen Verringerung der innergemeinschaftlichen Margen zu beginnen. Nach Auffassung Raymond Barres ging das Kernproblem, d.h. die Festlegung „eines gemeinschaftlichen Kursniveaus gegenüber dem US-Dollar“, in den Schlussfolgerungen des Berichts leicht unter, außerdem müsste der Rat die Zentralbanken im Grunde genommen fragen, ob sie sich überhaupt imstande hielten, ihre derzeitigen Wechselkursrelationen zu ändern.


Im Zuge dieser Unstimmigkeiten und Zweifel verwiesen Baron Ansiaux und Bernard Clappier in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Werner-Gruppe „auf die Gefahr einer Stellungnahme, in der die ersten zu ergreifenden Maßnahmen nicht präzise dargelegt sind […] und die von der Werner-Gruppe unter ungünstigeren Umständen abgegeben werden könnte“18. Diese Entscheidung wäre zu treffen, nachdem der Rat entschieden hätte, die erste Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion einzuläuten. Aus diesem Grunde schlug Guido Carli19 vor, die Entscheidung den Finanzministern zu überlassen, wobei das Thema bei der Sitzung als abgeschlossen gilt.


Was die Vertiefung der von den Experten zu untersuchenden Aspekten anging, griff Baron Ansiaux drei Schwerpunktfelder auf: ein direktes Kommunikationsnetzwerk zwischen den Zentralbanken, die Harmonisierung der währungspolitischen Instrumente sowie die Rahmenbedingungen für Schaffung und Funktionsweise eines „Fonds“. Dabei würde eine neue Expertengruppe des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten eingesetzt, um mit dem Währungsausschuss über die Harmonisierung der währungspolitischen Instrumente zu verhandeln und im Anschluss das Thema eines „Fonds“ zu erörtern. In Bezug auf das Kommunikationssystem zwischen den Zentralbanken ermöglichte die Einstimmigkeit, die notwendigen technischen und organisatorischen Verfahren einzurichten.


Die gleiche Zurückhaltung war in Bezug auf den Zeitplan des vorgesehenen schrittweisen Prozesses spürbar. Cecil de Strycker betonte nochmals, dass die Vertreter diese Frage bereits untersucht hätten und nicht vorschlagen wollten, dass die Zentralbankpräsidenten der Werner-Gruppe konkrete Daten nennen. Für die Experten lag es auf der Hand, dass die erste Stufe – d.h. die Abstimmung zwischen den Zentralbanken – beginnen musste, sobald der Rat dies beschließen würde, und es dann erforderlich wäre, die notwendigen technischen Untersuchungen durchzuführen.


Im Anschluss legten Baron Ansiaux und Bernard Clappier bei der Sitzung ein Dokument vor, „für das sie selbst die Verantwortung übernehmen […], zumal sie sich nicht mehr mit ihren Mitarbeitern absprechen konnten“20. Dabei handelte es sich um ein Papier vom 4. September 1970 über den Ausbau der Koordinierung der Währungs- und Kreditpolitik im Laufe der ersten Stufe, „das zwar nicht in den Werner-Bericht einfließt, aber verwertbares Gedankengut enthält“.21 Anschließend wurden Vorschläge geäußert, um die zwischen dem Ausschuss der Zentralbankpräsidenten und dem Währungsausschuss bereits vorhandenen Konsultationen zu erweitern und zu differenzieren (z.B. hinsichtlich Verfahren, Organen und Problematik). Wie Ugo Mosca im Laufe der Debatten bekräftigen sollte, ging dieses Dokument auf eine Forderung ein, die der Vorsitzende Werner hinsichtlich einer nuancierteren Definition der Aufgaben des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten innerhalb der ersten Stufe vorgebracht hatte. In diesem Rahmen forderte Baron Ansiaux seine Kollegen auf, über konkrete und praktische Mittel und Methoden nachzudenken. Da der Währungsausschuss – im Gegensatz zum Ausschuss der Zentralbankpräsidenten – keine Vollmachten besaß, schlugen die Notenbanker vor, ein Organ für die Vorbereitung der gemeinsamen Arbeit einzurichten, derweil sich der Währungsausschuss damit einverstanden erklärte, sein Vorgehen auf die Arbeit des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten abzustimmen. Als Vizepräsident des Währungsausschusses widersetzte sich Otmar Emminger dieser Auffassung und betonte, der Währungsausschuss könnte selbst eine Gruppe zur Vorbereitung der Arbeit des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten ins Leben rufen, wobei Vertreter der Notenbanker im Rahmen des Währungsausschusses zusammenträten.


Die Gruppe dieser Vertreter könnte einer gewissen Institutionalisierung unterliegen, jeweils vor den Sitzungen des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten zusammentreten und eine ordnungsgemäße Koordinierung zwischen beiden Organen gewährleisten. Weil Bernard Clappier eine andere Position vertrat, setzte er der neuen Kontroverse ein Ende. Damit endete diese Sitzung, die vor dem Abschluss des Werner-Berichts eigentlich mehr Details und Klarheit hätte bringen sollen, ohne Einigung. Die „sensible“ Problematik wird in diplomatischer Weise auf eine spätere Sitzung vertagt.


Am 8. Oktober 1970 legte der Vorsitzende Pierre Werner offiziell den Schlussbericht seiner Gruppe vor, der nunmehr die Zustimmung sämtlicher Entscheidungsträger besaß. Das Dokument ermöglichte, einen Gesamtplan für die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion in drei Stufen darzulegen, die auf dem Grundsatz der so genannten „effektiven Parallelität“ beruhten22. Dieser Grundsatz fand auf drei Bereiche Anwendung: Parallelität zwischen den Fortschritten bei der Annäherung der Wirtschaftspolitiken und der Verschärfung der monetären Auflagen; Parallelität zwischen den monetären Vorgaben und der Verschiebung wirtschaftspolitischer Befugnisse auf die Gemeinschaftsebene (Währungs- und Kreditpolitik); Parallelität zwischen der Entwicklung gemeinschaftlicher Befugnisse und dem Aufbau effizienter europäischer Institutionen (Aufwertung der Rolle des Europäischen Parlaments und der Kommission sowie des Systems der Zentralbanken).


Entsprechend musste die erste Stufe von Bemühungen um die „Koordinierung“ und „Harmonisierung“ der Haushaltspolitiken gekennzeichnet sein, um die Schwankungen zwischen den Gemeinschaftswährungen – probeweise – zu begrenzen. Institutionell betrachtet empfahl der Werner-Plan in der letzten Stufe ein „wirtschaftspolitisches Entscheidungsgremium“, das „einem europäischen Parlament gegenüber politisch verantwortlich sein muss“, sowie ein „gemeinschaftliches Zentralbanksystem“ einzurichten. Die Verfasser hielten die Wirtschafts- und Währungsunion für „ein Ziel, das im Laufe dieses Jahrzehnts erreicht werden kann“, wobei die „unwiderrufliche Festsetzung der Paritätsverhältnisse“ bzw. „die Einheitswährung“ diesen Prozess im Jahre 1980 krönen sollten.


„Bis zum Erscheinen des Berichts, der untrennbar mit der Haager Konferenz verbunden ist, hatten die Mitgliedstaaten weiterhin an der Vision einer Wirtschaftsunion bzw. eines Binnenmarkts festgehalten, die sie beide über die alleinige Koordinierung ihrer Währungspolitiken für machbar hielten. Seit der Haager Konferenz und dem Werner-Bericht jedoch mussten sie eingestehen, dass die Wirtschaftsunion nur mit der schrittweisen Einführung der Währungsunion umzusetzen war.“23

1 Sofern nicht anders angegeben, sind die Quellen aller in dieser Studie zitierten Dokumente zu finden unter www.cvce.eu.

2 Beim 20. Benelux-Wirtschaftskongress am 27. Mai 1967 in Luxemburg machte Pierre Werner seine Auffassung zur Notwendigkeit einer europäischen Solidarität deutlich, die in eine europäische Währung münden sollte. Demgemäß war die Verschärfung der monetären Disziplin nicht nur notwendig, sondern auch möglich, weil die Länder des Binnenmarktes bei der Umsetzung ihrer wirtschaftlichen Ziele eng miteinander verflochten waren. In diesem Zusammenhang legte er ebenfalls die Funktionen einer Struktur dar, die das „Gleichgewicht zwischen den Währungen der Mitgliedstaaten“ gewährleisten sollte.

3 WERNER, Pierre. L’Europe en route vers l’Union monétaire. In Bulletin de documentation Nr. 1 vom 28. Februar 1970, 26. Jahrgang. Luxemburg: Presse- und Informationsdienst, Staatsministerium, Großherzogtum Luxemburg, 28. Februar 1970, S. 5-12 (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

4Brief vom 24. April 1970 vom Präsidenten der Belgischen Nationalbank, Baron Hubert Ansiaux, an den luxemburgischen Premierminister Pierre Werner, mit vertraulicher Anlage zu einem „europäischen Fonds zur Devisenstabilisierung“. Pierre Werner-Familienarchive. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

5 Dieses Dokument wurde bei der Sitzung der Werner-Gruppe vom 14. Mai 1970 ausführlich erörtert und im Folgenden geändert. Die Schlussfolgerungen flossen in den Fortschrittsbericht ein.

6 Brief vom 22. April 1970 vom Präsidenten der belgische Nationalbank, Baron Hubert Ansiaux, an den luxemburgischen Ministerpräsidenten Pierre Werner, mit Anlage zu den „rechtlichen und technischen Aspekten einer Vergemeinschaftung der Sonderziehungsrechte“. Pierre Werner-Familienarchive.

7 Vgl. hierzu Kapitel 2 „Schaffung und Ablauf der Arbeiten des Werner-Ausschusses (März-Oktober 1970)“.

8 Telex von Bernard Clappier, Banfra, Paris, 11. Juni 1970, 16:07 Uhr, Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, Luxemburg. Pierre Werner-Familienarchive, Ref. PW 048.

9 Brief des Präsidenten des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten, Hubert Ansiaux, an den luxemburgischen Premierminister und Finanzminister Pierre Werner, 16. Juni 1970. Pierre Werner-Familienarchive, Ref. PW 048.

10 Der Expertengruppe im Rahmen des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten gehören folgende Mitglieder an: Präsident Baron H. Ansiaux; Deutsche Bundesbank: E. Blumenthal, G. Jennemann; Belgische Nationalbank: J. Mertens de Wilmars, F. Heyvaert; Banque de France: M. Théron, R. Floc'h; Banca d'Italia: F. Masera, F. Frasca; Nederlandsche Bank: P.C. Timmerman, A. Szasz, J.A. Sillem; Kommission der Europäischen Gemeinschaften: F. Boyer de la Giroday, H. Wortmann, A. Louw; Sekretariat des Werner-Ausschusses: G. Morelli, G. Lermen; Sekretariat des Ausschusses der Präsidenten: A. Bascoul, R. Gros.

11 Die Sitzungen erfolgten am 1. und 2. Juli sowie am 9., 16., 23. und 24. und am 30. Juli 1970.

12 Es handelt sich hierbei um Anlage 5 Stellungnahme des Ausschusses der Präsidenten der Zentralbanken der EWG zu den vom Ad-hoc-Ausschuss unter Vorsitz von Ministerpräsident Werner aufgeworfenen Fragen und Anlagen. In Bericht an Rat und Kommission über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft (Werner-Bericht). Luxemburg: 8. Oktober 1970, Bulletin 11/1970, S. 41-65. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

13 Ibid. Bericht des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten, S. 41.

14 Die Begrenzung der Schwankungen würde im Rahmen von engeren Margen erfolgen als sie sich aus der Anwendung der für den Dollar zum Zeitpunkt der Einführung des Systems geltenden Bandbreiten ergeben.

15 Ibid. Bericht des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten, S. 65.

16Protokoll der 43. Sitzung des Ausschusses der Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die von Samstag, den 12. September (ab 14:30 Uhr) bis Sonntag, den 13. September (bis 10:00 Uhr) stattfand. Vertraulicher, überarbeiteter und am 8. November 1970 angenommener Text. Europäische Kommission, Ausschuss der Zentralbankpräsidenten. Pierre Werner-Familienarchive, Ref. PW 048. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

17 Ibid.

18 Protokoll der 43. Sitzung des Ausschusses der Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die von Samstag, den 12. September (ab 14:30 Uhr) bis Sonntag, den 13. September (bis 10:00 Uhr) stattfand. Vertraulicher, überarbeiteter und am 8. November 1970 angenommener Text. Europäische Kommission, Ausschuss der Zentralbankpräsidenten. Pierre Werner-Familienarchive, Ref. PW 048.

19 Der Bankier und Politiker Guido Carli (1914-1993) war von 1953-1956 Präsident der Bank Mediocredito und von 1956-1957 Präsident des italienischen Deviseninstituts sowie von 1957-1958 Handelsminister. Später wurde er Präsident der italienischen Zentralbank (1960-1975) und schließlich Präsident der Organisation der italienischen Industriellen (1976-1980). Von 1983-1987 wurde er zum unabhängigen Senator der Christdemokratie gewählt und wurde später Finanzminister (1989-1992).

20 Ibid. Protokoll der 43. Sitzung des Ausschusses der Zentralbanken, S. 7.

21 Ibid.

22 TIETMEYER, Hans. Wirtschafts- und Währungsunion in der politischen Diskussion. In Wirtschaftspolitische Chronik, Köln: Institut für Wirtschaftspolitik, Heft 1/1971.

23 ANSIAUX (Baron), Hubert und DESSART, Michel. Dossier pour l'histoire de l'Europe monétaire 1958-1973. Brüssel: Michel Dessart (Hrsg.), 1975, S. 1.

Consult in PDF format