Economists v. monetarists — agreements and clashes in the drafting of the Werner Report

Ökonomen und Monetaristen: Gemeinsamkeiten und Streitpunkte bei der Ausarbeitung des Werner-Plans1


Neben den Diskussionen, Debatten und Verhandlungen im Rahmen der Expertengruppe sowie den daraus entstandenen Übereinstimmungen und Kontroversen hatte sich der Werner-Ausschuss auch mit den verschiedenen Auffassungen auseinanderzusetzen, was die Katalysatorwirkung der Einheitswährung für die europäische Integration betraf.


Generell standen sich zwei Visionen, ja sogar gegensätzliche Argumentationen gegenüber.


Auf der einen Seite standen die „Monetaristen“ (aus Ländern mit schwachen Währungen), die die These der „Institutionen“ verteidigten. In dieser Hinsicht bestand die Priorität in der Einrichtung von Institutionen und der Einführung einzuhaltender Verpflichtungen. Anschließend würde eine Koordinierung der Wirtschaftspolitik erfolgen, die durch die Konzertierung zur bereits bestehenden Einheitswährung beschleunigt würde. Die „Monetaristen“ gingen davon aus, dass nur die Festlegung eines Zeitplans und die Verankerung bestimmter Verhaltensregeln die Perspektive einer Währungsunion glaubhaft machen und auf das Verhalten der Wirtschaftssubjekte einwirken können. Auf der anderen Seite dagegen standen die „Ökonomen“ (aus Ländern mit starken Währungen). Diesen zufolge war zunächst die Konvergenz der Wirtschaftspolitik – d.h. der Währungs- und Haushaltspolitik – anzustreben, bevor Institutionen eingerichtet werden. Die Einheitswährung kommt dabei erst am Ende des Prozesses und „krönt“ die bereits vorhandene Harmonisierung2.


Im Rahmen des Werner-Plans unterstützten die Deutschen (insbesondere Finanzminister Karl Schiller, der mehrere Dokumente im Auftrag seiner Regierung vorgelegt hatte, einschließlich eines am 12. Februar 1970 veröffentlichten „deutschen Plans für die Währungsintegration“)3 sowie die Niederländer die „ökonomischen“ Thesen. Dieser Auffassung schlossen sich auch die Italiener an, deren ökonomische und monetaristische Standpunkte von beiden Strömungen beeinflusst wurden4, sich im Laufe der Zeit jedoch weiterentwickelten5. Dass der Begriff „Wirtschafts- und Währungsunion“ „Wirtschaft“ vor „Währung“ setzte, führte sie zu der Überzeugung, dass die Währungsunion erst nach der Wirtschaftsunion kommen darf.6 Franzosen und Belgier (d.h. Baron Ansiaux) hingegen zählten zu den „Monetaristen“, denen zufolge die Wirtschaft durch den monetären Voluntarismus geprägt ist. Entsprechend befürworteten sie eine rasche Entscheidung über die Schwankungsbandbreiten zwischen den europäischen Währungen sowie die Konzertierung in Währungsfragen und schließlich die Einrichtung eines Reservefonds. Pierre Werner zählte – auf Grundlage seiner öffentlichen Äußerungen und früheren Schriften – eher zum Lager der „Monetaristen“. Dennoch hatte er sich in seiner Funktion als Vorsitzender der Expertengruppe für Neutralität ausgesprochen und die Parallelität zwischen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der währungspolitischen Koordinierung als Grundprinzip der Arbeit seiner Gruppe hervorgehoben.


Hinter den unterschiedlichen Auffassungen zur Erreichung der wirtschaftlichen Konvergenz und der damit verbundenen Förderung der Integration verbergen sich in Wirklichkeit die Meinungsverschiedenheiten zwischen Frankreich und Deutschland. Hinsichtlich der zu verfolgenden politischen Ziele stand die Herangehensweise der „französischen Monetaristen“ in krassem Widerspruch zur Position der „deutschen Ökonomen“. Frankreich verteidigte mit seiner Auffassung eine Wirtschafts- und Währungsunion, mit der auf monetärer Ebene die Garantie eines gemeinschaftlichen Systems mit festen Wechselkursen verbunden wäre – unter Beibehaltung der nationalen wirtschafts- und finanzpolitischen Souveränität. In einem solchen System „ist die formale Beibehaltung der nationalen Autonomie praktisch belanglos, zumal sich aufgrund des konjunkturellen und monetären Mechanismus […] eine erzwungene Angleichung an die aktuelle durchschnittliche Konjunkturlage ergibt“7. Eine solche erzwungene Harmonisierung lief den Interessen der an Stabilität interessierten Länder zuwider. Ein Beispiel hierfür war Deutschland, das davon überzeugt war, dass eine Währungsunion ohne wirtschaftliche Harmonisierung zum Scheitern verurteilt wäre bzw. erst gar nicht zustande käme. Darüber hinaus vertrat Deutschland den Standpunkt, dass Länder mit angeschlagener Zahlungsbilanz (wie Frankreich) an einer Währungsunion interessiert sind, „um ihre Probleme ohne wirtschaftspolitische Reformen zu lösen und dabei auf europäische Reserven zu zählen, die insbesondere aus deutschen Mitteln bestanden“8.


Eine weitere heikle und kontroverse Frage war mit dem Vorhandensein eines supranationalen Entscheidungsorgans für die Wirtschafts- und Währungspolitik verbunden. Während der Arbeiten des Werner-Ausschusses empfahl der deutsche Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller eine enge europaweite Koordinierung der nationalen Haushaltspolitiken, was einer politischen Autorität neben der künftigen Zentralbank gleichkam. Frankreich widersetzte sich diesem Vorschlag vehement, um eine zu starke Beschneidung nationaler Befugnisse in diesem Bereich zu verhindern.


Die Konfrontationen zwischen „Ökonomen“ und Monetaristen“ im Kreise der sechs Länder hatten bereits lange Zeit vor9 den Arbeiten des Werner-Ausschusses begonnen. Deutlicher Beweis hierfür waren die Debatten und Lagerkämpfe im Zusammenhang mit dem „Barre-Plan I“10. Im Anschluss an die Empfehlungen des „Barre-Plans“ über die wachsende Integration der Volkswirtschaften und die Notwendigkeit einer Konvergenz gelangten die Länder der Gemeinschaft nach dem Beschluss des Ministerrats vom 17. Juli 1969 schließlich zu einer Einigung. Die Deutschen befürworteten eine systematische und parallele Entwicklung sowie die mittelfristige politische Koordinierung. Einig waren sich Belgier, Niederländer, Italiener und Deutsche über nicht automatische kurzfristige Hilfen. Die Luxemburger hingegen plädierten für eine ausgewogene Vorgehensweise. Zu beachten ist, dass die Benelux-Länder eine gemeinsame Position vertraten und die Aufhebung des Vetos zum Beitritt des Vereinigten Königreichs forderten, bevor in jeglicher Form über die Fortsetzung der europäischen Integration verhandelt wurde. Die Vertreter der Zentralbanken standen der währungspolitischen Zusammenarbeit äußerst zurückhaltend gegenüber. Schlussendlich schlossen sie sich dem Standpunkt des Währungsausschusses an und schlugen eine währungspolitische Solidarität über die Einsetzung einer mittelfristigen Unterstützung und flexible Wechselkurse vor.


Im Jahre 1969 wurde die Debatte zusätzlich durch Währungsturbulenzen angeheizt, die durch die Einführung der freien Konvertierbarkeit des französischen Franc und der D-Mark ausgelöst wurden. Weiteres Öl ins Feuer gossen die praktisch zeitgleichen Machtwechsel in Frankreich und Deutschland. Durch den Amtsantritt Georges Pompidous11 erhielt das europäische Handeln Frankreichs eine neue Dynamik. Für die Franzosen ging es bei der wirtschaftlichen Integration nicht mehr nur darum, zwischen wirtschafts- und währungspolitischer Zusammenarbeit, sondern auch zwischen der Tolerierung einer gewissen Flexibilität und der Zusammenarbeit in Währungsfragen zu entscheiden. Die Entscheidung schließlich beinhaltet ein Minimalszenario, in dessen Rahmen die Staaten großen Handlungsspielraum erhalten“.12


Der neue deutsche Bundeskanzler Willy Brandt13 befürwortete eine aktive Diplomatie. Die vorbildliche Zusammenarbeit mit Frankreich war ein Kernelement seiner Außenpolitik, zumal auch die Wahl Pompidous zum französischen Staatspräsidenten diese Perspektive zu begünstigen schien. So war der Bundeskanzler – dessen Kontakte mit Jean Monnet aufmerksam verfolgt wurden14 – überzeugt, dass die Einführung einer echten monetären Dimension ein geeignetes Mittel war, um den Prozess der gemeinschaftlichen Integration zu vertiefen. Der deutsche Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller war in dieser Frage jedoch anderer Meinung und teilte die Begeisterung seines Kanzlers nicht.


Im Übrigen maß selbst Brandt einer Vertiefung der EWG – insbesondere im wirtschaftlichen und monetären Bereich – weniger Bedeutung bei als ihrer Erweiterung.15 Das Fehlen eines internen Konsens machte die deutsche Regierung skeptisch, was die Machbarkeit der europäischen Projekte im Wirtschafts- und Währungsbereich anging. Unter diesem Vorzeichen schlug Pompidou ein Treffen der Staats- und Regierungschefs der sechs europäischen Länder vor, bei dem es um die unbeantworteten Fragen „Vollendung, Vertiefung und Erweiterung“ ging. Im Folgenden fand am 1. und 2. Dezember 1969 der Gipfel in Den Haag statt. Der Rat erhielt dabei den Auftrag, in enger Zusammenarbeit mit der Kommission die Möglichkeiten zu prüfen, eine Wirtschafts- und Währungsunion stufenweise umzusetzen. Ein weiteres Ergebnis war die Einrichtung einer Expertengruppe, d.h. des Werner-Ausschusses.


Abgesehen von ihren Meinungsverschiedenheiten und Differenzen in Bezug auf Grundsatzfragen und politisches Handeln „hielt das deutsch-französische Gespann Anfang der 1970er-Jahre die Europäisierung des gemeinsamen Markts durch Erweiterung für prioritär, die wirtschaftliche und monetäre Europäisierung dagegen für sekundär“.16 Die eigentliche Herausforderung bestand vielmehr darin, die ersten Weichen für einen gemeinsamen Nenner zu stellen bzw. zwei gegensätzliche wirtschaftliche und monetäre Konzepte miteinander zu versöhnen.


Ohne Frage standen bei diesem Taktieren nationale Interessen im Vordergrund. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass die Verhandlungen über die Erweiterung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit den vier Beitrittskandidaten Vereinigtes Königreich, Irland, Dänemark und Norwegen das beherrschende Thema waren17. Und so wurde der Werner-Plan unter dieser scheinbaren französisch-deutschen Eintracht über die monetäre Vertiefung der europäischen Integration ausgearbeitet. Dabei übten die nationalen Standpunkte wesentlichen Einfluss auf die Mitglieder der Werner-Gruppe aus, die „obschon […] sie auf Grundlage ihrer gemeinschaftlichen Aufgaben ausgewählt wurden, bei ihren Argumentationen mehr und mehr die Vorbehalte ihrer Regierungen preisgaben“.18


Nach sieben Monaten der Vorbereitung, Debatten, Kontroversen, Verhandlungen und Meinungsumschwünge wurde im Kreise der Expertengruppe schließlich eine Einigung erzielt und der Werner-Bericht verabschiedet19. Am 8. Oktober 1970 legte der Vorsitzende Pierre Werner den Bericht offiziell in Luxemburg vor. Ohne Frage stand der Kompromiss, der die Verabschiedung des Werner-Plans ermöglichte, auf wackeligen Beinen und war eher ein Minimalkompromiss20. Die „effektive Parallelität“ zwischen den wirtschafts- und währungspolitischen Maßnahmen war das Leitmotiv bei der stufenweisen Umsetzung des Plans, bei dem es sich um ein dreistufiges und erweiterbares, auf zehn Jahre angelegtes Schema handelte, das schließlich zur Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion führen sollte. Die erste Phase, die sorgfältig nuanciert und für 1970-1971 vorgesehen war, sah – im Rahmen vollkommener Parallelität – eine Verstärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung vor, die mit aufgewerteten Konsultationen im Bereich der Währungsbeziehungen einhergehen sollte. Offen gelassen wurde dabei die Frage, ob der „Europäische Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit“ (EFWZ) bereits in der ersten Stufe oder erst im Laufe der zweiten umzusetzen war. Die „unwiderrufliche Festsetzung der Paritätsverhältnisse“ bzw. die Einheitswährung sollte diesen Prozess im Jahre 1980 krönen. In Bezug auf die letzte Stufe sah der Werner-Plan die unerlässliche Verlagerung von Befugnissen von der nationalen auf die gemeinschaftliche Ebene vor. Hierfür sollten ein wirtschaftspolitisches Entscheidungsgremium, das einem europäischen Parlament gegenüber politisch verantwortlich sein muss, sowie ein gemeinschaftliches Zentralbanksystem eingerichtet werden21.


In Deutschland galt der Werner-Plan als durchdacht und ausgewogen und rief insgesamt positive Reaktionen hervor. Bundeskanzler Willy Brandt bezeichnete den Plan über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion 1970 in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag gar als die „neue Magna Charta für die Gemeinschaft“22. Im Übrigen war der Bundeskanzler in einem Brief, den er einige Tage nach der öffentlichen Vorstellung des stufenweisen Plans an Minister Schiller gerichtet hatte, von dessen Bedeutung für die europäische Integration überzeugt. Zudem war er der Auffassung, dass die endgültige Verabschiedung durch den Ministerrat – falls möglich noch vor Jahresende – mit großer Wahrscheinlichkeit die wichtigste Entscheidung seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge darstellte23. Minister Karl Schiller teilte diese Auffassung: Auch er war ein überzeugter Verfechter des stufenweisen Plans, den er als „Ferment für die Entwicklung der politischen Union“ auffasste24. Minister Schiller betonte ebenfalls die Notwendigkeit, die Stabilitätsziele als unabdingbare Voraussetzung für den Übergang von der ersten in die zweite Stufe des Werner-Plans einzuhalten25.


Obschon die Bundesbank mit der schrittweisen Einführung einer Wirtschafts- und Währungsunion einverstanden war, sorgte sie sich in diesem Rahmen vor allem um die Geldwertstabilität. Die diesbezüglichen Debatten im Zentralbankrat drehten sich schwerpunktmäßig um zwei Erfordernisse für das vom Werner-Plan vorgeschlagene System. Zunächst durfte die Verringerung der Schwankungsbandbreiten erst nach einer echten Harmonisierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik erfolgen. Zweitens müsste der künftige Rat der Zentralbankpräsidenten von Anfang an die Ausrichtung der Währungspolitik bestimmen – und das unabhängig vom Ministerrat, jedoch unter Berücksichtigung der vom Rat ausgearbeiteten wirtschaftspolitischen Leitlinien. Die führenden Köpfe der Bundesbank waren davon überzeugt, dass die künftige Währungspolitik in den Händen der europäischen Notenbanker liegen sollte26. Diese Sichtweise war umso wichtiger, als die Bundesbank als Vorbild für die künftige Europäische Zentralbank fungieren sollte27. Sowohl der Minister als auch die Bundesbank kritisierten die Äußerungen der Kommission, die Aspekte der währungspolitischen Zusammenarbeit scheinbar über die wirtschaftliche Harmonisierung stellen und die Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken schon in der ersten Stufe der Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion untergraben wollte28.


In Frankreich waren die Debatten um den Werner-Bericht im Kern unterschiedlich. Staatspräsident Pompidou war der Auffassung, dass die Übertragung essenzieller Währungsbefugnisse auf die Gemeinschaftsorgane – so wie in der zweiten Stufe vorgesehen – weder realistisch noch wünschenswert war. Einzig die wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit gemäß der ersten Stufe erschien ihm akzeptabel. Was die künftige Fortsetzung der Integration anging, wollte Paris so unverbindlich wie möglich agieren. Damit stand die Gemeinschaftswährung und demgemäß die Kernkomponente der Währungsintegration auf dem Prüfstand. Dieser Sinneswandel in Bezug auf den Werner-Plan schien insofern überraschend, als er eigentlich unter Mitwirkung der französischen Vertreter ausgearbeitet worden war – genau wie der von den zuständigen Ministern abgesegnete Fortschrittsbericht. Es ist bekannt, dass Präsident Pompidou ausdrücklich anordnete, beim Ministerrat am 14. Dezember 1970 in Brüssel keine Verhandlungen aufzunehmen, obwohl dies vorgesehen war. Damit wollte er seine Missbilligung gegenüber jenen „europäischen Hasardeuren“ zum Ausdruck bringen, die er insbesondere unter den Benelux-Politikern vermutete29. Demgemäß zeigte sich die französische Delegation bei den Ministerräten vom 23. November und 14. Dezember 1970 äußerst zögerlich, was die schrittweise Übertragung von Befugnissen auf Gemeinschaftsorgane anging. Auch jeglichen Automatismen beim Übergang in die zweite Stufe erteilte sie eine Absage. Deutschland wiederum äußerte Vorbehalte bezüglich der Finanzierungsklauseln, solange bei der Koordinierung der Politiken keine greifbaren Fortschritte erzielt werden.


Obwohl das Projekt der Wirtschafts- und Währungsunion die mittelfristige Integration vorsah, ging die letztliche Einigung zwischen den europäischen Partnern nicht über die über drei Jahre laufende erste Stufe hinaus. Im Nachhinein betrachtet erscheint die Einrichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion innerhalb eines Jahrzehnts doch reichlich ambitioniert, bedenkt man die komplexe europäische Realität. Das Vorgehen krankte vermutlich an einem übersteigerten Optimismus. Dessen ungeachtet ermöglichte das ursprüngliche Projekt, Diskussionen anzustoßen und eine reelle Perspektive zu erörtern.


Der Ministerrat der Gemeinschaft verwarf das Vorhaben für eine Wirtschafts- und Währungsunion offiziell am 22. März 1971. Einen weiteren Dämpfer erhielt das Ziel des Werner-Plans – das durch das Fehlen eines echten politischen Willens ohnehin bereits auf wackeligen Beinen stand – durch die Entwicklung des internationalen Währungssystems, das nach der amerikanischen Entscheidung vom 15. August 1971 zur Abwertung des Dollars in eine tiefe Krise geriet.

1 Sofern nicht anders angegeben, sind die Quellen aller in dieser Studie zitierten Dokumente zu finden unter www.cvce.eu.

2 In den Grundsatzdebatten zur europäischen Integration besitzen die sogenannten „ökonomischen“ und „monetaristischen“ Thesen eine andere Bedeutung als die von Milton Friedman (1912-2006, [Nobelpreis für Wirtschaft 1976 und Begründer der „Chicagoer Schule des Monetarismus“]) geprägten Konzepte. In diesem Sinne bezeichnet der „Monetarismus“, der auf Gedankengut aus dem 17. und 19. Jahrhundert zurückgeht, eine Denkströmung, die sich ab Ende der 1960er-Jahre herauskristallisierte. In diesem Rahmen ist die Einmischung des Staates in monetäre Fragen nutzlos, ja sogar schädlich. Milton Friedman wurde zur Leitfigur dieser Strömung und versuchte, die quantitative Geldtheorie gegenüber dem damals vorherrschenden Paradigma, d.h. dem Keynesianismus, durchzusetzen (Wirtschaftstheorie, die auf den britischen Ökonomen John Maynard Keynes [1883-1946] zurückgeht). Gemäß der monetaristischen Theorie ist die Geldmenge exogen (d.h. von der Zentralbank gesteuert) und die Nachfrage nach Geld stabil. Die Inflation ist „immer und überall ein monetäres Phänomen“, das einer zu schnellen Erhöhung der Geldmenge zuzuschreiben ist (in Umlauf gebrachte Zahlungsmittel). Die Wirtschaftssubjekte nehmen dabei vorausschauende Anpassungen vor, die langfristig die Wirkung der Konjunkturpolitik verringern. Dabei gibt es eine natürliche Arbeitslosenquote, die die Wirtschaft nicht nachhaltig unterschreiten kann. Dagegen argumentieren die Anhänger des Keynesianismus, dass Märkte, die sich selbst überlassen bleiben, nicht unbedingt eine optimale Wirtschaftslage herbeiführen. Der Staat muss im Wirtschaftsbereich insbesondere durch konjunkturpolitische Maßnahmen eingreifen.

3 In Tagesnachrichten des Bundesministeriums für Wirtschaft, 27.2.1970, Nr. 6122. Nachdruck in TIETMEYER, Hans. Währungsstabilität für Europa. Beiträge, Reden und Dokumente zur europäischen Währungsintegration aus vier Jahrzehnten. Baden-Baden: Nomos, 1996, S. 88-94.

4 Vgl. hierzu TSOUKALIS, Loukas. The Politics and Economics of European Monetary Integration, London, Allen & Unwin (Hrsg.), 1977. Der Verfasser zählt Italien neben Deutschland und den Niederlanden zu den „Ökonomen“ und führt als Beispiel seinen Widerstand gegen den EFWZ an. Im Gegensatz dazu wird der italienische Vertreter im Werner-Ausschuss (Gaetano Strammati, Vorsitzender des Haushaltsausschusses) den „Monetaristen“ zugeordnet. Vgl. hierzu WERNER, Pierre. Itinéraires luxembourgeois et européens. Evolutions et souvenirs: 1945-1985. Luxemburg: Éditions Saint-Paul, 2 Bände, 1992, Band 2, S. 124.

5 Vgl. hierzu MAES, Ivo und QUAGLIA, Lucia. France and Italy’s Policies on European Monetary Integration. A Comparison of ‘Strong’ and ‘Weak’ States. In Comparative European Politics. Palgrave Macmillan (Hrsg.), Band 2; Nummer 1, April 2004, S. 51-72. Die Verfasser sind der Auffassung, dass Italien bei Beginn der Arbeiten des Werner-Ausschusses einen mit zahlreichen Nuancen gespickten Mittelweg vertritt, der zwischen der von Belgien, Luxemburg und Frankreich (als „glühende Optimisten“ bezeichnet) und der von Deutschland und den Niederlanden (geprägt durch ihre „positive Vorsicht“) vertretenen Linie liegt.

6 TIETMEYER, Hans. Die Wirtschafts- und Währungsunion, S. 18.

7 Ibid., S. 22.

8 LEFÈVRE, Sylvie. Les ministères de l’Économie et des Finances allemand et français face à la mise en place de la CEE: politiques et compétences. In Le rôle des ministres des Finances et de l’Économie dans la construction européenne (1957-1978). Paris: Comité pour l’histoire économique et financière de la France, Band I, 2002, S. 73-84.

9 Streitpunkte in diesem Bereich tauchten bereits bei der Londoner Wirtschafts- und Währungskonferenz von 1933 und dem Haager Europa-Kongress von 1948 auf. Vgl. hierzu den Artikel von Frédéric Clavert, Expérience économique de l’entre-deux-guerres et projets européistes. In GUIEU, Jean-Michel, LE DRÉAU, Christophe (Leitung). Le Congrès de l’Europe à La Haye (1948-2008). Brüssel, Bern, Berlin, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien: P.I.E. Peter Lang, collection Euroclio, Band 49, 2009. 427 S.

10 Memorandum über die Koordinierung der Wirtschaftspolitik und die Zusammenarbeit in Währungsfragen innerhalb der Gemeinschaft. Urheber und Namensgeber dieses Dokuments, das die Kommission am 12. Februar 1969 dem Rat vorlegte, war der Vizepräsident der Kommission, Raymond Barre. In Supplément du Bulletin CEE, Nr. 3/1969, S. 13. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

11 Nach den Wahlen vom 15. Juni 1969 wurde Georges Pompidou, vormals Premierminister unter General de Gaulle, Präsident der Französischen Republik.

12 BOSSUAT, Gérard. Le président Georges Pompidou et les tentatives d’Union économique et monétaire. In Georges Pompidou et l’Europe. Kolloquium am 25. und 26. November 1993. Brüssel: Association Georges Pompidou (Hrsg.), Complexe, 1995, S. 409.

13 Willy Brandt wurde am 21. Oktober 1969 zum vierten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt (nach den Bundestagswahlen am 28. September desselben Jahres).

14 „Am 31. Oktober 1969 übermittelte Monnet dem frisch gebackenen Bundeskanzler ein detailliertes Memorandum über die Vorteile und die praktische Funktionsweise des Europäischen Fonds. Eine Woche später, d.h. am 7. November, trafen Brandt und Monnet in Bonn zu Gesprächen zusammen, in deren Rahmen Monnet bemüht war, die Bedenken seines Gesprächspartners zu zerstreuen, die dieser in Bezug auf die Reaktion der deutschen Experten, die Auswirkungen des Vorhabens auf den Beitrittsprozess des Vereinigten Königreichs sowie die wahrscheinliche Haltung der Vereinigten Staaten hegte. Am 9. November fasste Brandt in einer handschriftlichen Notiz Funktionen und Ziele des europäischen Fonds zusammen und ging ebenfalls auf die Kontroversen ein, die er im Übrigen später noch auslösen sollte…“ WILKENS, Andreas. L’Allemagne et le projet d’union économique et monétaire (1969-1972). In BOSSUAT, Gérard, WILKENS, Andreas (Leitung). Jean Monnet, l’Europe et les chemins de la paix. Paris: Publications de la Sorbonne, 1999, 540 S., S. 466-467.

15 WILKENS, Andreas. L’Allemagne et le projet d’union économique et monétaire (1969-1972). In BOSSUAT, Gérard; WILKENS, Andreas (Leitung). Jean Monnet, l’Europe et les chemins de la paix. Paris: Publications de la Sorbonne, 1999, 540 S., S. 468.

16 FRANK, Robert. Pompidou, le franc et l’Europe 1969-1974. In Georges Pompidou et l’Europe. Kolloquium am 25. und 26. November 1993. Brüssel: Association Georges Pompidou (Hrsg.), Complexe, 1995, S. 349.

17 Die Beitrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich, Irland, Dänemark und Norwegen begannen im Juni 1970 und endeten mit der ersten europäischen Erweiterung im Januar 1973. Die erste Erweiterung des gemeinsamen Markts betraf das Vereinigte Königreich und damit jene große europäische Nation und Siegermacht des Zweiten Weltkrieges, die gleichzeitig Mitglied im UNO-Sicherheitsrat war, an der Spitze des Commonwealth stand, einen erstklassigen Finanzplatz darstellte und ein wichtiges Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation war. Zuvor, d.h. in den 1960er-Jahren, waren bereits zwei Bewerbungen der Briten gescheitert, was die innergemeinschaftlichen Angelegenheiten erheblich behindert hatte.

18 WERNER, Pierre. Itinéraires. B.II, S. 124.

19 Bericht an Rat und Kommission über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft. (Werner-Bericht). Luxemburg: 8. Oktober 1970, Dokument L 6.956/II/70-D. In Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Nr. C 136. Sonderbeilage zum Bulletin 11/1970, Luxemburg, 11. November 1970, S. 14. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

20 Vgl. hierzu Kapitel 3 „Der Werner-Bericht“.

21 Um die Debatten bezüglich der Übertragung von Befugnissen von der nationalen auf die gemeinschaftliche Ebene besser zu verstehen, wird auf das von dem kanadischen Ökonomen Robert Mundell entwickelte und als Theorie des „fiskalischen Föderalismus“ bezeichnete Konzept verwiesen. Laut Mundell lassen sich die drei folgenden Zustände nicht kombinieren: freier Kapitalverkehr, fixe Wechselkurse und eigenständige Geldpolitik der Länder. Insbesondere der letztgenannte Punkt ist mit den ersten beiden nicht vereinbar. Robert Mundell (1999 Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften und Autor der 1961 veröffentlichten Schrift „Theorie der optimalen Währungsräume“) wurde 1970 zum Berater des EWG-Währungsausschusses und gehörte in dieser Funktion 1972/73 der EWG-Studiengruppe zur Währungsunion an.

22 Erklärung zur Europapolitik, 6. November 1970. In BRANDT, Willy. Reden und Interviews. Band I, S. 238.

23 Brief von Willy Brandt an Karl Schiller, 21. Oktober 1970. Historische Archive der Bundesbank, Nr. 2, Vol. 156, zitiert von Andreas Wilkens, Une tentative prématurée? L’Allemagne, la France et les balbutiements de l’Europe monétaire (1969-1974). In DU RÉAU, Élisabeth; FRANK, Robert (Leitung) und DEIGHTON, Anne. Dynamiques européennes. Nouvel espace. Nouveaux acteurs. 1969-1981. Paris: Publications de la Sorbonne, 2002, S. 77-103, S. 87.

24 SCHILLER, Karl. Rede vor dem Bundestag, 6. November 1970. In Deutscher Bundestag. Stenographische Berichte. Deutscher Bundestag, 6. Legislaturperiode, S. 4294-4297.

25 Ibid.

26 Vgl. hierzu WILKENS, Andreas. Une tentative prématurée? L’Allemagne, la France et les balbutiements de l’Europe monétaire (1969-1974). In DU RÉAU, Élisabeth; FRANK, Robert (Leitung) und DEIGHTON, Anne. Dynamiques européennes. Nouvel espace. Nouveaux acteurs. 1969-1981. Paris: Publications de la Sorbonne, 2002, S. 77-103.

27 Der Wirtschaftsminister Karl Schiller hatte dem Zentralbankrat der Bundesbank zugesichert, „eine autonome Zentralbank als Modell für die künftige europäische Zentralbank zu empfehlen“. WILKENS, Andreas. Une tentative prématurée? L’Allemagne, la France et les balbutiements de l’Europe monétaire (1969-1974). In DU RÉAU, Élisabeth; FRANK, Robert (Leitung) und DEIGHTON, Anne. Dynamiques européennes. Nouvel espace. Nouveaux acteurs. 1969-1981. Paris: Publications de la Sorbonne, 2002, S. 77-103.

28 Vgl. hierzu CLAVERT, Frédéric und FEIERTAG, Olivier (Koord.). Les banquiers centraux dans la construction européenne. In Histoire, économie et société. La revue d'histoire économique et sociale du XVIe au XXe siècle, Nr. 4/2011, ISSN: 0752-5702. Paris: Éditions Armand Colin. Weitere Quelle: Les Banquiers centraux dans la construction européenne – Journée d’études (Sanem, 4. Juni 2010) (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012).

29 Ibid.

Consult in PDF format