The implementation of the first stage against a backdrop of European and international monetary difficulties

Die Verwirklichung der ersten Stufe vor dem Hintergrund europäischer und internationaler Währungsturbulenzen1


Als Folge der Überbewertung des US-Dollars kommt es im Frühjahr 1971 zu einer spürbaren Verschlechterung des internationalen Währungsklimas2 mit gravierenden Auswirkungen auf die europäischen Länder.3 „Die Verschärfung der Dollar-Krise bewirkte einen so massiven Kapitalabfluss nach Europa, dass er die wirtschaftliche Stabilität der Länder mit starker Währung erschütterte. Die Geldströme nahmen derartige Ausmaße an, dass die Bundesrepublik Deutschland am 5. Mai 1971 auf Empfehlung der Wirtschaftsinstitute die Notierung des Dollarkurses aussetzte, was faktisch die Freigabe des Wechselkurses der D-Mark bedeutete. Diese Entscheidung lief natürlich dem unlängst bekräftigten Grundsatz zuwider, dass ein System mit flexiblen Wechselkursen innerhalb des gemeinsamen Marktes mit unseren Zielen unvereinbar ist.“4


Die Finanzminister der EWG-Länder kommen am 8. und 9. Mai zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Angesichts der unerwünschten Devisenschwemme, die die Stabilitätspolitik gefährdet, schlägt Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller zwei Lösungsvarianten vor. Die erste Variante beinhaltet eine gemeinsame Aufwertung aller Währungen der Gemeinschaft. Um das gewünschte Resultat zu erzielen, befürwortet er entweder die Abschaffung des Systems fester Wechselkurse oder die Änderung der Kursrelationen zwischen den Währungen der EWG-Länder sowie die Einführung von Devisenkontrollen. Die zweite Variante sieht die Freigabe des DM-Kurses vor, „um den Markt selbst über eine marktkonforme Parität entscheiden zu lassen.“5 Ein solches Vorgehen wird aber von der französischen Regierung abgelehnt, denn sie hält am Grundsatz fester Wechselkurse und an der Einführung von Kontrollen des Kapitalverkehrs fest.6 Rom ist besorgt angesichts der Schwäche der italienischen Lira, während sich die Belgier darüber enttäuscht zeigen, dass man mit dem zweigeteilten Dollarmarkt ein von der Kommission vorgeschlagenes Instrument aufgibt. Angesichts der engen Bindung zwischen der niederländischen und der deutschen Währung hat die Zustimmung zum Floating der D-Mark auch die Freigabe des Guldens zur Folge. In diesem Zusammenhang erörtern Pierre Werner und der belgische Finanzminister Baron Snoy et d’Oppuers die Möglichkeit, den belgischen Franc freizugeben. Sie teilen dieselbe Befürchtung: Würde man die Währungen der Benelux-Staaten frei schwanken lassen, könnte dies das reibungslose Funktionieren dieser Staatengruppe untergraben, die auf einer soliden währungspolitischen Basis beruht. Die diese Sorge teilenden Niederländer erklären sich bereit, im Rahmen der Benelux-Staaten das System der engen Margen beizubehalten, das für die gesamte Sechsergemeinschaft vorgesehen war und nur eine Abweichung um 1,5 % in beiden Richtungen gestattet.


Die britische Regierung nimmt zu den währungspolitischen Problemen der Gemeinschaft nicht öffentlich Stellung. Allerdings kommt ihr ein längeres Stagnieren der Bemühungen um die wirtschafts- und währungspolitische Integration zum Teil entgegen. Der Beschluss der deutschen Regierung, die D-Mark floaten zu lassen, ist ein Schlag gegen die gemeinsame Agrarpolitik, die den Briten ein Dorn im Auge ist, und verzögert die Währungsunion, der die City ohnehin ablehnend gegenübersteht. Da Großbritannien für flexiblere Wechselkurse eintritt, erhofft es sich angesichts der relativen Isolierung Frankreichs die baldige Einführung eines solchen Systems. Die USA „freuen sich ganz offen über die Zerstrittenheit der Europäer“7, zumal die Spaltung des europäischen Blocks die Aussicht eröffnet, dass der IWF ein System flexibler Wechselkurse akzeptiert und somit die Vorherrschaft des Dollarsystems festschreibt.


Mit ihrer Entscheidung vom 5. Mai 1971, die Interventionspflicht der Bundesbank aufzuheben, scheint die deutsche Regierung den Prozess der Wirtschafts- und Währungsunion in Frage zu stellen. Am 9. Februar 1971 hatten die Finanzminister der sechs Mitgliedstaaten das dritte Programm für die mittelfristige Wirtschaftspolitik beschlossen8, das unter anderem als praktische Maßnahme vorsah, ab Juni 1971 die Schwankungsbreite zwischen den Währungen der Mitgliedstaaten von 1,5 % auf 1,3 % zu verringern. Die deutsche Regierung hegt zwar noch die Hoffnung, alsbald zu festen Kursen zurückkehren zu können, doch die ständige Ungewissheit über den Dollar macht deutlich, dass man sich auf einen längeren Prozess einstellen muss.9 Am 10. Mai10 beschließen die deutsche und die niederländische Regierung, den unteren Plafond des Dollarkurses nicht mehr zu stützen und ihre Währungen freizugeben. Damit wird das Gegenteil des erwünschten Effekts bewirkt, denn statt der geplanten Annäherung kommt es eher zu einem Auseinanderdriften.11


Inmitten der internationalen Währungskrise gelangt der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin) auf seiner Sitzung am 12. Mai 1971 zu keiner Entscheidung über den Fortgang der Wirtschafts- und Währungsunion. Am gleichen Tag legt Valéry Giscard d'Estaing, der amtierende Vorsitzende des Ecofin, vor der französischen Nationalversammlung die Maßnahmen dar, die Frankreich zur Bekämpfung der europäischen Währungskrise ins Auge fasst, und bekräftigt dabei, „dass man dem Geist und Buchstaben der Bretton-Woods-Abkommen treu bleiben, d. h. zu einem System fester Paritäten zurückkehren und den Prozess der Wirtschafts- und Währungsunion fortführen muss.12 Die deutliche Zunahme der internationalen Liquidität und die durch Spekulationen angeheizten unkontrollierbaren Bewegungen großer Mengen an Eurodollar gelten als Hauptursachen der internationalen Währungskrise.


Zu Beginn des Sommers nimmt das Zahlungsbilanzdefizit der USA dramatische Ausmaße an. Der Goldpreis erzielt auf dem freien Markt Rekordwerte. Am 15. August 1971 teilt Präsident Richard Nixon mit, die amerikanische Regierung habe einseitig entschieden, die Goldkonvertibilität des Dollars aufzuheben.13 Überdies werden Importe zeitweilig mit einer Ergänzungsabgabe von 10 % belegt. Die Anfälligkeit des Systems fester Wechselkurse gegenüber Spekulationen einerseits und das systematische Versagen internationaler Institutionen wie des IWF in der Frage der Koordinierung und Beeinflussung nationaler Maßnahmen andererseits sind Anzeichen für den Zusammenbruch des Systems von Bretton Woods.14 Nach dem 15. August 1971 erweist es sich als zwingend notwendig, über eine neue internationale Währungsordnung nachzudenken. Die Situation trifft Europa völlig unvorbereitet. „[…] Aufgrund der Verzögerungen bei der Schaffung eines Gemeinschaftssystems verfügten wir weder technisch noch geistig über die Voraussetzungen, um wirklich geschlossen darauf reagieren zu können.“15


Unter diesen Vorzeichen tritt der Rat der EWG-Finanzminister am 19. August 1971 zusammen. Die Vorschläge aufgreifend, die er bereits im Mai unterbreitet hat, geht Karl Schiller noch einen Schritt weiter und empfiehlt ein konzertiertes Floating der europäischen Währungen im Verhältnis zum Dollar. Nach Ansicht des deutschen Wirtschaftsministers erfordert die Bekämpfung spekulativer Kapitalbewegungen eine größere Flexibilität aller EWG-Währungen gegenüber dem Dollar und schließt „zumindest kurzfristig die Rückkehr zu einem System fester Paritäten innerhalb enger Schwankungsbreiten“16 aus. Diese Auffassung wird von Italien und den Benelux-Staaten geteilt. Diese drei Partner erarbeiten einen vom belgischen Finanzminister Snoy et d’Oppuers vorgestellten Plan17 zur Freigabe aller europäischen Währungen im Verhältnis zum Dollar bei gleichzeitiger Beibehaltung des Systems enger Margen innerhalb der Gemeinschaft.18 Diese Initiative findet aber keine einmütige Zustimmung.


Frankreich vertritt eine entgegengesetzte Position und setzt sich für einen gespaltenen Devisenmarkt ein. Bei Handelsgeschäften sollen die amtlich festgelegten Paritäten bestehen bleiben, während für Finanztransaktionen ein System des konzertierten Floating zur Anwendung kommen soll. Zudem ist vorgesehen, die festen Paritäten durch Devisenkontrollen aufrechtzuerhalten.19 Zum Abschluss seiner Ausführungen bekräftigt Giscard d’Estaing die französische Auffassung, dass „die Weiterführung des europäischen Aufbauwerks ohne feste Kursrelationen zwischen den Währungen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft nicht vorstellbar ist.20


Die Partnerstaaten sind in der Frage der künftigen Währungspolitik tief gespalten. Da sie sich nicht auf eine gemeinsame Strategie einigen können, handelt jeder für sich. „Die Gemeinschaft hat an diesem Tag eine große Chance vertan, die Währungspolitik zu vereinheitlichen und gemeinsam gegen das Währungschaos vorzugehen, das die ganze Welt erfasst hat.“21


Unter dem Eindruck der von August bis Dezember 1971 anhaltenden internationalen Währungsturbulenzen nähern sich die Positionen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft allmählich wieder an. Mit britischer Unterstützung üben die sechs EWG-Staaten starken Druck auf die amerikanische Regierung aus, damit diese einen neuen offiziellen Goldpreis festlegt und den Dollar abwertet. Am 10. Septembre 1971 unterbreitet die Kommission dem EG-Ministerrat ihren Standpunkt zu den Maßnahmen, die Europa zu ergreifen gedenkt, um der Aufhebung der Goldkonvertibilität des Dollars zu begegnen.22 Auf dieser Grundlage verständigen sich die Sechs am 13. September auf eine gemeinsame Position gegenüber dem Dollar, die auf der Forderung nach Abwertung der amerikanischen Währung und gleichzeitiger Rücknahme der Einfuhrergänzungsabgabe beruht.23


Seit dem Beginn der Währungskrise sind die Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland immer stärker zutage getreten. Um wieder eine gemeinsame Linie zu finden, führen die beiden Staaten parallele Konsultationen auf verschiedenen Ebenen durch. Aus ihren diplomatischen Archiven geht hervor, dass zwischen Juni 1971 und Ende November 1971 fünf diplomatische Konsultationen stattfanden, bei denen das Thema WWU ganz oben auf der Tagesordnung rangierte. Im gleichen Zeitraum kommt es zu regelmäßigen Kontakten und Gesprächen der beiden Zentralbanken in dem Bemühen, die Vorstellungen der jeweils anderen Seite besser kennenzulernen. Nachdem so der Boden bereitet ist, einigen sich Präsident Pompidou und Bundeskanzler Brandt (3.-4. Dezember 1971) auf eine Gesamtlösung, die auf der Rückkehr zu einem System fester Paritäten basiert, das aber im Vergleich zu Bretton Woods größere Flexibilität aufweist. Kernpunkte sind die Abwertung des Dollars, die Beibehaltung der Franc-Parität sowie die Aufwertung der D-Mark und die Verringerung der Schwankungsbreiten zwischen den europäischen Währungen.24


Die diplomatische Offensive der Gemeinschaft gegenüber den USA vollzieht sich auch im Rahmen des „Zehnerclubs“25. Zu Beginn der Gespräche (London, 14. September 1971) fordern die Amerikaner von den anderen eine Aufwertung ihrer Währungen, einen Abbau ihrer Handelsschranken und eine gerechtere internationale Verteilung der Verteidigungsausgaben, während die anderen Staaten eine einseitige Abwertung des US-Dollars durch eine Anhebung des Goldpreises befürworten. Auf dem zweiten Treffen (Washington, 26. September 1971) ist man sich weiter uneins. Es hat den Anschein, dass die USA bereit sind, die Krise ihren Lauf nehmen zu lassen, weil die Spekulation eine Aufwertung der anderen Währungen zur Folge hat, worin ja ihr Hauptziel besteht. Auf der dritten Zusammenkunft (Rom, 30. November-1. Dezember 1971) sind die ersten Ansätze eines Kompromisses erkennbar.26 In seinen Memoiren erinnert Pierre Werner an die Worte des amerikanischen Finanzministers John Connally, der die Möglichkeit von Wechselkursanpassungen ansprach, wozu auch eine Abwertung des US-Dollars um 10 % gehören könnte.


Am 13. und 14. Dezember 1971 trifft Präsident Georges Pompidou mit Präsident Richard Nixon zusammen, um ihm die gemeinsame Position der EG-Partner darzulegen. Sie einigen sich auf eine sofortige Neufestsetzung der Währungsparitäten durch Abwertung des Dollars und Aufwertung der anderen Währungen. Auf dieser Grundlage beschließen Europäer, Amerikaner, Kanadier und Japaner, die am 17. und 18. Dezember 1971 im Smithsonian Institute zu einer Klausurtagung zusammenkommen, die Washingtoner Währungsvereinbarung (bekannt als Smithsonian Agreement)27. Die Signatarstaaten verständigen sich auf eine Neufestsetzung ihrer Währungsparitäten und auf eine Ausweitung der Schwankungsbreiten beiderseits des amtlichen Wechselkurses auf 2,25 %.28 Dies ist der amerikanische „Währungstunnel“, an den sich schon bald die „europäische Währungsschlange“29 anlehnt. Angesichts der Tatsache, dass die europäischen Währungen an den (nicht in Gold konvertierbaren) US-Dollar gekoppelt sind, sieht sich die Gemeinschaft an eine Währung und eine Volkswirtschaft gebunden, die sich ihrer Einflussnahme und Kontrolle entziehen.


Insgesamt gesehen beinhaltet die Washingtoner Vereinbarung vorläufige Schritte zur Beilegung der Währungskrise, aber sie löst keines der realen und strukturellen Probleme, die das Fundament des internationalen Währungssystems untergraben. Der Dollar, der seine erste Abwertung seit dem Ende des zweiten Weltkriegs erfährt, ist auch weiterhin nicht in Gold konvertierbar. Auf die Asymmetrie der vorgenommenen Korrekturen, die politische Entscheidung für Ausgewogenheit im Innern auf Kosten des externen Gleichgewichts, die Liquiditätsprobleme und den Vertrauensschwund bei den internationalen Wirtschaftsakteuren ist man in Washington kaum eingegangen. Dass das Bretton-Woods-System aufgegeben und durch ein neues internationales Währungssystem ersetzt wird, ist wohl schon absehbar. Die sich anschließende Periode der Windstille auf den Devisenmärkten und eine gewisse Annäherung der Standpunkte zur Reform des internationalen Währungssystems in der Sechsergemeinschaft ermöglichen dieser die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit in Währungsfragen. Am 21. März 1972 verabschiedet der Rat eine Entschließung zur Realisierung der ersten Etappe des Werner-Plans.30 Die Zentralbanken, von denen man den schrittweisen Abbau der Schwankungsbreiten zwischen den Währungen der Mitgliedstaaten erwartete, schließen am 10. April das Abkommen von Basel, das ein System der Verringerung der Bandbreiten, der Interventionsmechanismen und des kurzfristigen Beistands vorsieht. Es handelt sich um die sogenannte Währungsschlange, den ersten europäischen Versuch zur Stabilisierung der Wechselkurse. Daran beteiligen sich die sechs Gründungsstaaten der Gemeinschaft und die Länder, die der Gemeinschaft am 1. Januar 1973 beitreten (Vereinigtes Königreich, Dänemark und Irland). Die Währungsschlange soll die Kursschwankungen dadurch begrenzen, dass sie Abweichungen von mehr als 2,25 % im Verhältnis zwischen zwei Währungen der EG verhindert. Dieser Mechanismus wird flankiert von einem „Tunnel“, der die Bandbreiten für Schwankungen gegenüber dem zwar instabilen, aber als internationale Leitwährung dienenden US-Dollar festlegt. Der Plafond kann bis zu 4,50 % betragen (und damit zweimal so hoch sein wie bei den europäischen Währungen). Bei einer Überschreitung dieser Grenzwerte (2,25 % bzw. 4,50 %) muss die Zentralbank des betreffenden Landes eingreifen. Die Sonderregelung für die Benelux-Staaten wird beibehalten (man spricht vom „Wurm in der Schlange“31. Um die Funktionsweise der Währungsschlange zu unterstützen, schaffen die Zentralbanken die sehr kurzfristige Finanzierungsfazilität, die „sich als echtes Instrument zur gegenseitigen Kreditvergabe zwischen den Zentralbanken32 erweist.

1 Vorbehaltlich anderslautender Angaben ist die Quelle aller in dieser Studie zitierten Dokumente: www.cvce.eu.

2 In den Jahren 1968 und 1969 wird das riesige Defizit der amerikanischen Zahlungsbilanz durch einen beispiellosen Zustrom kurzfristigen Kapitals finanziert. Aufgrund des Eurodollar-Marktes und der sehr restriktiven Geldpolitik der USA verbleiben die durch dieses Defizit in Umlauf gebrachten Dollarkredite in den Händen privater Investoren und werden deshalb nicht auf den Devisenmärkten umgetauscht. Der im März 1968 geschaffene gespaltene Goldmarkt, der für amtliche Transaktionen nach wie vor eine Einlösungsverpflichtung beinhaltet, wurde also gar nicht auf die Probe gestellt. Die Zentralbanken hatten keinen Grund, von den USA die Umwandlung von Dollarbeständen in Gold zu verlangen. Die Situation beginnt sich im Mai 1970 zu ändern, als die amerikanischen Währungshüter die Zinsschraube lockern. Die amerikanischen Banken bauen nun auf dem Eurodollar-Markt massiv ihre Schulden ab, denn die Zinssätze fallen dort sehr stark und sinken unter das in Europa übliche Zinsniveau. Vgl. BERGER, Guy. Le conflit entre l'Europe et les États-Unis. In Revue française de science politique, 22. Jg., Nr. 2, 1972. S. 348-356, insbes. S. 352-353. In Deutschland hingegen steigen die Zinsen stark an, was die Bundesbank veranlasst, die Kurzfristzinsen zu erhöhen. Daraufhin kommt es zu einem kurzfristigen Kapitalzustrom, der zum Anstieg des DM-Kurses gegenüber dem Dollar beiträgt. Damit die D-Mark innerhalb der vom Bretton-Woods-System vorgegebenen Schwankungsbreiten verbleibt, kauft die Bundesbank am 5. Mai 1971 in den letzten 40 Minuten vor Schließung der Devisenmärkte eine Milliarde US-Dollar! Vgl. HETZEL, L. Robert. German Monetary History in the Second Half of the Twentieth Century: From the Deutsche Mark to the Euro. Federal Reserve Bank of Richmond, Economic Quarterly, Jg. 88/2, Frühjahr 2002, S. 29-64, insbes. S. 40.

3 Siehe Abschnitt 1.3 Das wirtschaftliche und monetäre Umfeld am Ende der 1960er Jahre.

4 Die Spekulationen gegen den US-Dollar und zugunsten der D-Mark veranlassen die Bundesregierung, die Devisenmärkte am 5. Mai 1971 zu schließen. Die Niederlande und Belgien tun es ihr gleich. Vgl. WERNER, Pierre. Itinéraires luxembourgeois et européens. Évolutions et souvenirs: 1945-1985. Luxemburg: Éditions Saint-Paul, 1992, 2 Bände, Band II, S. 138.

5 Betr.: Gegenwärtige wirtschaftspolitische Lage. 06.05.1971. Aktennotiz des Wirtschaftsministeriums (Troll), W II 3, Az. 75-11-02-01, Schriftgut Helmut Schmidt. Bonn: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bd. 8635.

6 In einer diplomatischen Aktennotiz vom 27. Juli 1971, die von der Direktion Zusammenarbeit des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten verfasst wurde und den Titel La nécessité d’une initiative européenne trägt, heißt es, dass die deutsche Regierung versucht, aus der letzten Währungskrise Kapital zu schlagen, um ihre (importierte und eigene) Inflation mit marktwirtschaftlichen Methoden in den Griff zu bekommen. Indem Bonn die D-Mark ohne jegliche Vorgaben oder Fristen aufwärts floaten lässt, wirkt es der Spekulation entgegen und bremst das Wachstum. […] Die deutschen Ökonomen sind immer davon ausgegangen, dass die Wirtschafts- und Währungsunion nur auf Wechselkursen beruhen kann, die das tatsächliche wirtschaftliche Kräfteverhältnis widerspiegeln. […] Bonn befürchtet, dass es auf Dauer die angeschlagenen Währungen einiger seiner Partner stützen muss. Ministerium für auswärtige und europäische Angelegenheiten der Französischen Republik, Sammlung EG, Direktion Wirtschaft und Finanzen, Abteilung Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Reihe PM, Bd. 973 UEM, Dossier PM 19.8. La Courneuve: Diplomatische Archive.

7 Ebenda. Es wird auf einen offenen Brief verwiesen, den eine Gruppe amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler an die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute gerichtet hat,  um ihre Genugtuung darüber auszudrücken, dass sie die Freigabe der D-Mark empfohlen haben .

8 Drittes Programm für die mittelfristige Wirtschaftspolitik. In Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Brüssel, 1.3.1971, Nr. L 49/5. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

9 Vgl. den Brief Brandts an Pompidou vom 9.5.1971. Willy-Brandt-Archiv, Sammlung Bundeskanzler, Bd. 51, zitiert von WILKENS, Andreas. Willy Brandt und die europäische Einigung. In Die Bundesrepublik Deutschland und die europäische Einigung 1949-2000. Politische Akteure, gesellschaftliche Kräfte, internationale Erfahrungen. KÖNIG, Mareike; SCHULZ, Matthias (Hg.). Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2004.

10 In seinen Memoiren nennt Pierre Werner dieses Datum, aber nach anderen Quellen war es am 9. Mai, dass Deutschland, die Niederlande und auch Belgien sich entschlossen, ihre Währungen freizugeben. Vgl. KLEPS, Karlheinz. On the way to the Next Monetary Crisis, Intereconomics. Nr. 4, 1972, S. 107.

11 Siehe ALBERT, Michel. La désunion monétaire européenne. In Revue française de science politique, 22. Jahrgang, Nr. 2, 1972. S. 382-390.

12 Erklärung von Valéry Giscard d’Estaing vor der Nationalversammlung, 12. Mai 1971. In La politique étrangère de la France. Texte und Dokumente, hrsg. vom Ministerium für auswärtige Angelegenheiten. Erstes Semester, Oktober 1971. Paris: La Documentation Française, Reihe 1. Januar 1971 – 31. Dezember 1972, S. 162-167.

13 Es handelt sich um die Konvertibilität des Dollars in Gold oder in andere auf Gold basierende Reserveinstrumente wie die Sonderziehungsrechte (SDR), die 1969 vom Internationalen Währungsfonds eingeführt wurden, um dem Liquiditätsbedarf des Systems zu entsprechen.

14 Siehe Abschnitt 1.1 mit dem Titel Internationales monetäres Umfeld in der Nachkriegszeit.

15 WERNER, Pierre. Itinéraires. Bd. II, S. 138. Siehe auch Interview mit Raymond Barre, Vizepräsident der Europäischen Kommission mit Zuständigkeit für Wirtschaft und Finanzen, im monatlich erscheinenden Schweizer Wirtschaftsblatt Vision, in dem er seine Vorschläge zur Überwindung der Währungsturbulenzen in Europa darlegt. In Vision. Le magazine économique européen. Hrsg. von COVILLE, Christine; GORDEVITCH, Igor; NORALL, Frank; COLSON, Jean; Chefredakteur HEYMANN, Philippe. Juni 1971, Nr. 7. Genf: SEPEG. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

16 Protokoll der Sitzung des europäischen Ministerrates im engeren Rahmen. Brüssel: 19. August 1971, R/1869 d/71. Historische Archive der Bundesbank, B 330, Bd. 10851.

17 Proposition des délégations de Benelux. Avant-projet d’arrangement monétaire entre les membres de la Communauté économique européenne, August 1971. Siehe Système de régime de change en vigueur dans les pays du Benelux depuis le 23 août 1971. Communication de la représentation permanente de la Belgique à la Commission. Brüssel: Europäische Gemeinschaft, Sekretariat des Währungsausschusses, Aktenz. OR II/506/71-F, 31 August 1971. In Familienarchiv Pierre Werner, Aktenz. PW 042, Titel Union économique et monétaire. Mise en œuvre: 1971-1972.

18 Angesichts der Ablehnung dieses Vorschlags durch die anderen Partner beschließen die Benelux-Staaten, ihre Währungen gegenüber dem Dollar freizugeben, aber die Kursrelationen untereinander in einer Bandbreite von ±1,5 % zu belassen. Das stellt faktisch eine eigene Schlange im Kleinformat dar. Es sei noch hinzugefügt, dass für den belgischen und den luxemburgischen Franc im Rahmen des Währungsverbunds zwischen den beiden Ländern ein Kursverhältnis von 1:1 galt. Die belgische Nationalbank fungierte für beide Staaten als Zentralbank. Die belgischen Banknoten waren auch in Luxemburg gesetzliches Zahlungsmittel; es kam dann noch eine begrenzte Menge von nationalen Banknoten hinzu, die der luxemburgische Staat herausgeben konnte.

19 Siehe POMPIDOU, Georges. Entretiens et discours. Volume II: 1968-1974. Paris: Editions Plon, 1975, 321 S.

Quelle: Communiqué de Georges Pompidou sur la situation monétaire internationale (Paris, 18 août 1971). (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

20 Protokoll der Tagung des Europäischen Ministerrats in engerem Rahmen. Brüssel: 19. August 1971, R/1869 d/71. Historische Archive der Bundesbank, B 330, Bd. 10851.

21 WERNER, Pierre, Itinéraires. Bd. II, S. 141.

22 Mitteilung der Kommission an den Rat über die Probleme im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Währungslage (10. September 1971. In Bulletin der Europäischen Gemeinschaften. September-Oktober 1971, n° 9/10. Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

23 Siehe Äußerungen von Pierre Werner nach der Tagung des Rates der Finanzminister in Brüssel. Diplomatisches Telegramm bei seiner Ankunft, Aktenz. Nr. 87, Luxemburg, 14. September 1971. Ministerium für auswärtige und europäische Angelegenheiten der Französischen Republik, Sammlung EG, Direktion Wirtschaft und Finanzen, Abteilung Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Reihe PM, Bd. 979 WWU-Konsultationen, Dossier PM 19.11. La Courneuve: Diplomatische Archive. Ausführlicher behandelt wird das Thema auf der Pressekonferenz von Georges Pompidou am 23. September 1971. In POMPIDOU, Georges, Entretiens et discours. Paris: Plon, 1968-1974, Bd. II, 1975, S. 38-47.

24 Bei den französisch-deutschen Gesprächen verlangte Präsident Pompidou eine deutliche Aufwertung (um 6 %) der D-Mark. Brandt zeigt sich seinerseits besorgt über die Folgen einer übertriebenen Verteuerung der D-Mark für die Exportwirtschaft. Vgl. BERNARD, Jean-René. Georges Pompidou et l’effondrement du système de Bretton Woods. In La France et les institutions de Bretton Woods 1944-1994. Kolloquium in Bercy, 30. Juni und 1. Juli 1994. Paris: Comité pour l’histoire économique et financière de la France, 1998, S. 121-125.

25 Der 1962 ins Leben gerufene Zehnerclub besteht aus den Vertretern der Regierungen der acht Mitgliedstaaten des IWF (Belgien, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Niederlande, USA, Vereinigtes Königreich) und der Zentralbanken von zwei weiteren Staaten, Deutschland und Schweden. Die Schweiz (die noch kein Mitglied des IWF war) kam 1964 hinzu, aber an der Bezeichnung G-10 änderte sich nichts. Nach der am 15. August 1971 ausgelösten Kreise kommt der Zehnerclub dreimal zusammen: am 14. September in London, am 26. September in Washington (am Rande der Jahresversammlung des IWF) und am 30. November und 1. Dezember 1971 in Rom.

26 Siehe NAPPI, Carmine. La réforme du système monétaire international: une chronologie et interprétation des événements. L'Actualité économique, Jg. 54, Nr. 2, 1978, S. 263-286. Siehe WERNER, Pierre. Itinéraires. Bd. II, S. 140.

27 Am 18. Dezember 1971 stellt der Zehnerclub die wichtigsten währungspolitischen Maßnahmen vor, die in Washington von den Ministern und Zentralbankchefs der zehn Teilnehmerländer der General Arrangements to Borrow gebilligt wurden. Kommuniqué des Zehnerclubs (Washington, 18. Dezember 1971). In Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Januar 1972, Nr. 1. Luxemburg. (Dokument eingesehen am 10. Oktober 2012.)

28 Insgesamt regelt die Vereinbarung folgende Punkte: Aufhebung der Ergänzungsabgabe auf einen hohen Prozentsatz der amerikanischen Einfuhren; Anhebung des Goldpreises von 35 USD auf 38 USD je Feinunze, was einer Abwertung des US-Dollars um 8,57 % entspricht; der US-Dollar ist auch künftig nicht in Gold konvertierbar. Die Neuausrichtung der anderen Währungen erbrachte unter Berücksichtigung der Abwertung des US-Dollars um 8,57 % die folgenden Steigerungen des Außenwerts: schwedische Krone 7,49 %; D-Mark 13,58 %; niederländischer Gulden 11,57 %; belgischer Franc 11,57 %; französischer Franc 8,57 %; italienische Lira 7,48 %; britisches Pfund 8,57 % und japanischer Yen 16,88 %. Der IWF ist verpflichtet, ein neues System einzurichten, bei dem die Mitgliedstaaten ihren Wechselkurs um eine Marge von 2,25 % beiderseits des sich aus der Neuordnung ergebenden Leitkurses schwanken lassen können. Die Amerikaner waren mit dem Smithsonian Agreement sehr zufrieden, denn sie erreichten eine deutliche Änderung der Währungen ihrer wichtigsten Konkurrenten als Gegenleistung für eine geringe Abwertung des Dollars durch Anhebung des Goldpreises. Dieses Zugeständnis war eigentlich sehr bescheiden, denn die Zentralbanken konnten zwar theoretisch 38 USD gegen eine Feinunze Gold eintauschen, doch in der Praxis war dies unmöglich, weil der US-Dollar weiterhin nicht in Gold konvertierbar war.

29 Vgl. Kommuniqué des Zehnerclubs. Washington: 18. Dezember 1971. In Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Januar 1972, Nr. 1, Luxemburg.

30 Entschließung des Rates betreffend die Anwendung der Entschließung vom 22. März 1971 über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft (21. März 1972). Luxemburg: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. C. 38, 18.04.1972, S. 43-46. Parallel dazu beschloss der ECOFIN mehrere legislative Maßnahmen mit dem Ziel, die inflationären Tendenzen innerhalb der Gemeinschaft und die zunehmenden Krisen auf den Devisenmärkten zu bekämpfen. (Dokument eingesehen am 10 Oktober 2012.)

31 Im Rat einigt man sich am 6. März 1972 auf eine Verringerung der Schwankungsbreiten. Seit dem 23. August 1971 gilt in den Benelux-Ländern ein System engerer Margen (1,5 % statt der für die ganze EG festgelegten 2,25 %). Dieser Mechanismus existiert eine Zeitlang neben der „Schlange“, doch da zwischen Belgien (das auch Luxemburg vertritt) und den Niederlanden keine enge Abstimmung der Währungspolitik erfolgt, bleibt er nicht lange bestehen.

32 Siehe SCHELLER, Hanspeter. Le Comité des gouverneurs des banques centrales de la Communauté économique européenne et l’unification monétaire européenne. In Histoire, économie & société, 2011, Bd. 30, Nr. 4, S. 79-100.

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