The Presidency
Der Vorsitz im Rat der Europäischen Union
Der Vorsitz im Rat der Europäischen Union unterliegt dem Rotationsprinzip. Er wird abwechselnd von jedem Mitgliedstaat wahrgenommen.
Im Pariser Vertrag von 1951 war die Dauer des Vorsitzes im Besonderen Ministerrat der EGKS auf drei Monate festgelegt, doch die Erfahrungen zeigten, dass diese Zeit zu kurz war, und so wurde die Dauer des Vorsitzes im EWG-Rat und im Euratom-Rat in den Römischen Verträgen von 1957 auf sechs Monate verlängert. Die gleiche Dauer, die seitdem nie geändert wurde, ist auch für den Vorsitz des mit dem Vertrag vom 8. April 1965 eingesetzten gemeinsamen Rates vorgesehen.
Ursprünglich erfolgte der Wechsel der Ratspräsidentschaft nach der alphabetischen Reihenfolge der Bezeichnungen der Mitgliedstaaten in ihrer jeweiligen Landessprache. Nach dem Beitritt Spaniens und Portugals wurden im Jahre 1987 für den Wechsel des Vorsitzes zwei Zyklen von jeweils 6 Jahren eingeführt. Im ersten Zyklus wurde der Vorsitz nach der alphabetischen Reihenfolge ausgeübt. Im zweiten Zyklus tauschten zwei Staaten ihre Plätze, wenn deren Vorsitz nach derselben alphabetischen Abfolge erneut auf dasselbe Jahr fiel. Mit dieser Änderung sollte jeder Staat die Möglichkeit erhalten, den Vorsitz einmal im ersten und einmal im zweiten Halbjahr auszuüben, da in jedem Halbjahr unterschiedliche Prioritäten in Abhängigkeit vom Haushaltszeitplan gelten.
Seit 1995 legt der Rat aufgrund einer durch den Vertrag über die Europäische Union eingeführten Änderung die Reihenfolge für die Wahrnehmung des Vorsitzes selbst fest. In seinen Entscheidungen berücksichtigt der Rat jedoch stets das Ende des gegenwärtigen Zyklus, ehe er die Teilnahme neuer Mitgliedstaaten an einem neuen Zyklus vorsieht. In der Praxis nehmen die neuen Mitgliedstaaten am Sitzungstisch des Rates bis zum Ablauf des Zyklus einen festen Platz ein, der aufgrund der alphabetischen Reihenfolge der Staaten in ihren jeweiligen Landessprachen festgelegt wird, während die Delegationen der alten Mitgliedstaaten alle sechs Monate einen Sitz weiter nach links wechseln.
Der amtierende Ratsvorsitz, der vom Generalsekretariat unterstützt wird, spielt eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung der Arbeiten des Organs, insbesondere bei der Anregung des Gesetzgebungsprozesses. Vor der Reform der Geschäftsordnung des Rates im Jahr 2002 gab der Vorsitz in Absprache mit dem Generalsekretariat und der Europäischen Kommission den Entwurf seines Halbjahresprogramms und die für die Ratssitzungen vorgesehenen Daten mehrere Monate vor seiner Amtsübernahme bekannt.
Von 2002 bis 2006, hat der künftige Ratsvorsitz, wenn er die vorläufigen Tagesordnungen für die Ratssitzungen mit Unterstützung des Ratssekretariats festlegt, das für drei Jahre vorgesehene „Strategische Mehrjahresprogramm“ des Rates sowie dessen „operatives Jahresprogramm“ zu berücksichtigen. Für die Aufstellung dieser beiden Programme sind in erster Linie die betroffenen Vorsitzenden zuständig, d. h. sechs im Falle des Mehrjahresprogramms und zwei beim Jahresprogramm, die stets in Abstimmung mit der Kommission handeln. Das Strategische Mehrjahresprogramm wird vom Europäischen Rat auf Empfehlung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ angenommen. Das operative Jahresprogramm wird ausgehend vom operativen Mehrjahresprogramm sowie von den Aussprachen im Rahmen des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ aufgestellt, wobei unter anderen auch die einschlägigen Faktoren berücksichtigt werden, die sich aus dem auf Initiative der Kommission durchgeführten Dialog über die jährlichen politischen Prioritäten ergeben.
Seit 2007 wird dem Rat ein Achtzehnmonatsprogramm von den drei in diesem Zeitraum amtierenden Vorsitzen zur Billigung vorgelegt. Alle achtzehn Monate erstellen die drei Vorsitze in enger Zusammenarbeit mit der Kommission und nach entsprechenden Konsultationen den Entwurf eines Programms für die Tätigkeiten des Rates in diesem Zeitraum. Die drei Vorsitze legen das Programm spätestens einen Monat vor dem betreffenden Zeitraum gemeinsam vor, damit es von dem Rat „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ gebilligt werden kann.
Der Rat wird von seinem Präsidenten einberufen. Dieser – ein Minister des Staates, der den Vorsitz im laufenden Halbjahr gewährleistet –, organisiert die Tagungen, denen er vorsitzt, und legt die vorläufige Tagesordnung für jede Sitzung fest. Bei den Tagungen sorgt der der Vorsitz für die Anwendung der Geschäftsordnung und den ordnungsgemäßen Ablauf der Aussprachen. Seine Aufgabe ist es auch, die Konsenssuche im Rat zu erleichtern. Der Vorsitz spricht nicht im Namen der Delegation seines Staates und nimmt daher am Sitzungstisch auch einen anderen Sitz als diese Delegation ein, d. h. er sitzt am Kopfende des Tisches, neben dem Generalsekretariat und gegenüber der Europäischen Kommission.
Im Prinzip wird der Vorsitz in den vorbereitenden Gremien des Rates (AStV, Ausschüsse und Arbeitsgruppen) ebenfalls von einem Vertreter oder Delegierten des Mitgliedstaats, der den Vorsitz ausübt, wahrgenommen.
Der Vorsitz wird von dem Vertreter des Mitgliedstaates unterstützt, der den nächsten Vorsitz wahrnimmt. Dieser handelt auf Ersuchen und auf Weisung des Vorsitzes und vertritt ihn im Bedarfsfall, nimmt ihm erforderlichenfalls gewisse Aufgaben ab und sorgt für die Kontinuität der Arbeit des Rates.
Der Vorsitz spielt in den Außenbeziehungen der Gemeinschaft, in den Beziehungen zu den anderen Organen, insbesondere dem Europäischen Parlament, sowie bei der regelmäßigen Information der Presse über die Tätigkeit des Rates wichtige Rolle als Vertreter der Gemeinschaft.
Im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) vertritt der Vorsitz die Europäische Union in den Angelegenheiten, die in diesen Bereich fallen. Sie ist verantwortlich für die Umsetzung der diesbezüglichen Beschlüsse und vertritt in diesem Zusammenhang die Haltung der Union in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen. Seit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages von 1997 wird der Vorsitz bei diesen Aufgaben vom Generalsekretär des Rates (Hoher Vertreter für die GASP) und gegebenenfalls von dem Mitgliedstaat, der den nachfolgenden Vorsitz wahrnimmt, unterstützt. Die Kommission wird dabei in vollem Umfang beteiligt (Artikel 18 EU-Vertrag). Die so genannte Troika, die aus dem amtierenden Vorsitz, dem vorherigen und dem nachfolgenden Vorsitz besteht, wird damit insofern verändert, als dass die Ratspräsidentschaft nicht mehr von dem Mitgliedstaat unterstützt wird, der den vorherigen Vorsitz innehatte.
Im Rahmen der dritten Säule der Union besteht die Aufgabe des Vorsitzes darin, das Europäische Parlament regelmäßig über die Arbeiten im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen zu informieren (Artikel 39 EU-Vertrag).
Artikel 48 des EU-Vertrags überträgt dem Ratsvorsitzenden die Aufgabe, die Konferenz der Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten einzuberufen, wenn es darum geht, einvernehmlich Änderungen an den Verträgen zu beschließen.