Themendossier

Der Rat der Europäischen Union und der Europäische Rat


Der Rat der Europäischen Union (häufig „Ministerrat“ genannt und im 2004 in Rom unterzeichneten Verfassungsvertrag auch so bezeichnet) und der Europäische Rat sind die zwei Organe der Europäischen Union, die die Mitgliedstaaten repräsentieren. Die Legitimität dieser beiden Organe gründet sich auf die Tatsache, dass ihre Mitglieder direkte Vertreter staatlicher Instanzen sind, die von ihren Völkern demokratisch gewählt wurden. Ihre wesentliche Rolle in den Abläufen der Europäischen Union macht die entscheidende Bedeutung der Staaten innerhalb ihrer institutionellen Gesamtstruktur deutlich.


Es sind letztendlich die Staaten, die die Union begründen und als „Herren der Verträge“ die wichtigsten Entwicklungen der Organisation überwachen. Die Staaten entscheiden über die Reformen der Verträge im Rahmen von Regierungskonferenzen (RK). Sie spielen ferner eine Rolle bei der allgemeinen Ausrichtung der Politiken der Union im Europäischen Rat und werden im Rat der Europäischen Union (nachfolgend als „Rat“ bezeichnet) gemeinsam mit dem Europäischen Parlament als Mitgesetzgeber tätig.


Zwar sind der Rat und der Europäische Rat Organe der Europäischen Union, doch nur der Rat ist ein gemeinschaftliches Organ. Der durch die Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften geschaffene Rat wird im Jahr 1967 nach dem Inkrafttreten des Vertrags über die Fusion der Exekutivorgane zu einem gemeinsamen Organ der drei Gemeinschaften. Er teilt sich die Gesetzgebungs- und Haushaltsbefugnisse mit dem Parlament und kann daher gemeinschaftliche Rechtsvorschriften annehmen, die rechtlich bindend sind.


Der Rat setzt sich aus je einem Vertreter der Mitgliedstaaten auf Ministerebene zusammen, der befugt ist, für die Regierung des Mitgliedstaats verbindlich zu handeln. In Abhängigkeit der zu behandelnden Themen tritt er in unterschiedlichen Zusammensetzungen in der Besetzung der Fachminister zusammen, die für den betreffenden Bereich zuständig sind (z. B. die Finanzminister oder die Landwirtschaftsminister). Der Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ setzt sich aus den Außenministern zusammen und ist für die allgemeine Koordinierung der Politiken der Union verantwortlich. In dieser Zusammensetzung ist der Rat mit der Bearbeitung sämtlicher vom Europäischen Rat übermittelter Vorgänge und mit der Vor- und Nachbereitung der Tagungen des Europäischen Rates betraut. In Ausnahmefällen tritt der Rat auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs zusammen. In dieser Zusammensetzung entscheidet er, welche Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Einführung der einheitlichen Währung erfüllen, und er benennt die Person, die er zum Präsidenten der Kommission zu ernennen beabsichtigt.


Der Europäische Rat ist in den Gründungsverträgen der Europäischen Gemeinschaften nicht als Organ vorgesehen. Er hat sich aus der Praxis der Sondergipfel entwickelt, die von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten abgehalten wurden. In der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 wird er zum ersten Mal in einem Vertrag als Instanz genannt, in der die Staats- und Regierungschefs und der Präsident der Kommission vereint sind. Der Europäische Rat unterscheidet sich also in seiner Zusammensetzung sehr stark vom Rat. Die Bestimmung der Einheitlichen Akte über den Europäischen Rat ist Bestandteil der gemeinsamen Bestimmungen über die Europäischen Gemeinschaften und die Europäische Politische Zusammenarbeit [die „Keimzelle“ der künftigen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die durch den Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag) im Jahr 1992 eingerichtet wurde]. Mit dem EU-Vertrag wird der Europäische Rat zu einem Organ der Europäischen Union, das der Organisation die für ihre Entwicklung nötigen Impulse geben soll. Der Europäische Rat ist nicht befugt, gemeinschaftliche Rechtsakte anzunehmen. Er legt die allgemeinen politischen Leitlinien der Union fest, die vom „Entscheidungsdreieck“ Kommission-Parlament-Rat durch Rechtsvorschriften in konkrete politische Maßnahmen umzusetzen sind.

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