Themendossier

Die externe Kontrolle der Ausführung des Gesamthaushaltsplans der EU


Die externe Kontrolle der Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union (EU) erfolgt durch den Rechnungshof, das Europäische Parlament und in geringerem Umfang durch den Rat. Der Rechnungshof ist eine unabhängige Einrichtung, deren Aufgabe darin besteht, die Ordnungsmäßigkeit und die Rechtmäßigkeit der Einnahmen und Ausgaben sowie die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung zu prüfen. Das Europäische Parlament, informiert durch den Rechnungshof, übt ebenfalls eine ständige Kontrolle aus, die in der Abstimmung über die Entlastung ihren Ausdruck findet. Der Rat ist seinerseits eng an der Vorbereitung der Entlastung beteiligt, da er dem Europäischen Parlament vor dessen Entlastungsvotum eine diesbezügliche Empfehlung ausspricht.


Die Prüfung durch den Rechnungshof


Ursprünglich war im Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) der Kontrollausschuss damit beauftragt, die Rechnung über alle Einnahmen und Ausgaben des Haushaltsplans zu prüfen. Der Ausschuss bestand aus Rechnungsprüfern, die volle Gewähr für ihre Unabhängigkeit boten, und sollte die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Einnahmen und Ausgaben sowie die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung feststellen (Artikel 206 des EWG-Vertrags).


Der Vertrag vom 22. Juli 1975 zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften ersetzte den Kontrollausschuss durch den neu gegründeten Rechnungshof. Trotz seiner Bezeichnung verfügt dieser am 1. Juni 1977 eingesetzte Rechnungshof über keinerlei Rechtsprechungskompetenzen und kann keine Sanktionen aussprechen oder Anweisungen erteilen.


Seine Aufgabe werden im Vertrag definiert und durch die Bestimmungen der Haushaltsordnung weiter präzisiert: Sie bestehen in einer unabhängigen Prüfung der Rechnung über alle Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft und jeder von der Gemeinschaft geschaffenen Einrichtungen vorzunehmen, soweit der Gründungsakt dies nicht ausschließt (Artikel 206b des EWG-Vertrags, ersetzt durch Artikel 248 der Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Mit der Prüfung sollen die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Einnahmen und Ausgaben des Haushaltsplans festgestellt sowie die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung sichergestellt werden. Mit anderen Worten, anhand der Prüfung durch den Rechnungshof sollen zum einen die Transparenz und die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung und die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge nachgewiesen werden. Zum anderen soll beurteilt werden, ob die festgesetzten Ziele mit Hilfe der verwendeten Haushaltsmittel effektiv und effizient erreicht wurden.


Der Rechnungshof nimmt eine nachträgliche Prüfung vor, die sich auf bereits getätigte Einnahmen und Ausgaben erstreckt. Zur Durchführung seiner Aufgabe verfügt der Rechnungshof über sehr weit reichende Untersuchungsbefugnisse. So ist jedes Organ verpflichtet, dem Rechnungshof vierteljährlich Belege über die Einnahmen und Ausgaben vorzulegen.

Der Rechnungshof erstattet nach Ablauf eines jeden Haushaltsjahrs einen Jahresbericht über seine Prüfungen, der den anderen Organen der Gemeinschaft vorgelegt und im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (seit 2003 im Amtsblatt der Europäischen Union) veröffentlicht wird. Zusätzlich kann der Rechnungshof jederzeit seine Bemerkungen zu besonderen Fragen vorlegen. Dies geschieht vor allem in Form von Sonderberichten.


Im Jahre 1992 verlieh der Vertrag von Maastricht dem Rechnungshof den Rang eines Organs und führt eine bedeutende Neuerung ein. Im Unterschied zu der bisherigen bloßen Formulierung von Bemerkungen und Stellungnahmen muss der Rechnungshof nunmehr dem Europäischen Parlament und dem Rat eine Erklärung über die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung sowie die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge (ZVE) vorlegen. Wenn diese ZVE abgegeben wird, stellt sie also ein echtes Testat für die Richtigkeit der Rechnungsführung dar. Seit der allerersten ZVE (betreffend die Ausführung des Haushaltsplans 1994) hat der Rechnungshof eine uneingeschränkte ZVE abgegeben und die Rechnungsführung der EU für zuverlässig befunden. Im Übrigen konnte der Rechnungshof bisher keine vollständig uneingeschränkte ZVE der zugrunde liegenden Vorgänge abgeben. Dies wird oft als eine negative Stellungnahme zur Rechnungsführung selbst ausgelegt. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam in 1999 muss die ZVE im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden.


Die Kontrolle durch das Europäische Parlament


Von 1958 bis 1970 war der Rat das einzige Organ mit Haushaltsbefugnissen und allein berechtigt, der Kommission Entlastung zur Ausführung des Haushaltsplans zu erteilen (Artikel 206 der EWG-Vertrags). Das Europäische Parlament wurde lediglich über die der Kommission durch den Rat erteilte Entlastung in Kenntnis gesetzt. Der 1970 unterzeichnete Vertrag von Luxemburg führte eine Neuerung ein und teilte erstmals die Haushaltsbefugnis zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament auf (Artikel 6). Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Brüssel am 1. Juni 1977 spielt das Europäische Parlament eine entscheidende Rolle bei der Prüfung der Ausführung des Haushaltsplans: Gemäß diesem Vertrag ist allein das Europäische Parlament befugt, der Kommission Entlastung für die endgültige Feststellung des Haushaltsplans zu erteilen (Artikel 17).


Die im Artikel 206 des EWG-Vertrags und später im Artikel 276 des EG-Vertrags vorgesehene Entlastung ist die abschließende Kontrolle des Haushaltsplans und ist definiert als Entscheidung, durch die das Europäische Parlament die Kommission aus der Verantwortung für die Verwaltung eines bestimmten Haushaltsplans entlässt und so diesen Haushaltsplan für beendet erklärt. Bei dieser Entscheidung stützt sich das Europäische Parlament auf eine Überprüfung des Jahresabschlusses, die Übersicht über das Vermögen und die Schulden der Gemeinschaft und die Analyse der Haushaltsführung, die beide von der Kommission vorgelegt werden, den Jahresbericht, die Sonderberichte und die ZVE des Rechnungshofs, sowie die vor der Entlastung erteilten Empfehlungen des Rates. Je nach Sachverhalt beschließt das Europäische Parlament dann entweder, die Entlastung zu erteilen, zu vertagen oder abzulehnen. Seit dem Vertrag von Maastricht sind mit diesem Beschluss eine Reihe von Bemerkungen an die Kommission verbunden, denen diese in geeigneter Weise nachkommen muss (Artikel 276 (3) des EG-Vertrags).


Das Europäische Parlament muss sich bis zum 30. April des zweiten Jahres nach dem abgeschlossene Haushaltsjahr zur Entlastung äußern. Es kann jedoch auch vorkommen, dass das Europäische Parlament den Beschluss über die Entlastung der Kommission verschiebt, weil über verschiedene Punkte im Zusammenhang mit der Ausführung des Haushaltsplans noch Unklarheiten bestehen. In diesem Fall fordert Artikel 89 der Haushaltsordnung zu einer schnellen Lösung auf. Das Europäische Parlament hat diese Möglichkeit zur Vertagung einer Entlastung mehrere Male genutzt, entweder um mehr Zeit zur Prüfung aller vorgelegten Unterlagen zu haben (z.B. für den Haushaltsplan 1977) oder aber um die Entlastung von der vorherigen Erfüllung verschiedener Bedingungen durch die Kommission abhängig zu machen (so für den Haushaltsplan 1996).


Das Europäische Parlament kann der Kommission die Entlastung auch verweigern. Dies ist weder im Artikel 276 des EG-Vertrags noch in der Haushaltsordnung vorgesehen, in der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments jedoch sind der Grundsatz und das Verfahren für die Ablehnung der Entlastung festgehalten. Die Ablehnung, die als ein Akt der politischen Missbilligung der Arbeit der Kommission gilt, ist der Ausnahmefall. Die Entlastung wurde bisher zweimal verweigert (1984 für das Haushaltsjahr 1982 und 1998 für das Haushaltsjahr 1996)


Um der ihm kraft des Vertrags von Brüssel von 1975 zustehenden nachträglichen

Kontrolle gerecht zu werden, hat das Europäische Parlament einen Ausschuss für Haushaltskontrolle (KONT) gebildet, dessen Aufgabe darin besteht, das Verfahren zur Entlastung der Kommission vorzubereiten. Zusätzlich zur Entlastung kontrolliert der KONT für das Europäische Parlament die finanziellen, haushaltspolitischen und administrativen Maßnahmen im Rahmen des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union. Der KONT ist ebenfalls damit befasst, die Position des Europäischen Parlaments zu Fragen der Haushaltsordnung, zu den Beziehungen mit dem Rechnungshof und zur Prüfung der Berichte und der Stellungnahmen vorzubereiten (vgl. Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments).


Des Weiteren beschränkt sich die Zuständigkeit des Europäischen Parlaments bei der Prüfung der Ausführung des Haushaltsplans nicht auf das Instrument der Entlastung. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht im Jahre 1993 übt das Europäische Parlament nämlich durch den KONT eine kontinuierliche Kontrolle der Ausführung des Haushaltsplans aus: Der Vertrag über die Europäische Union sieht ein parlamentarisches Anhörungsverfahren der Kommission vor. Das Europäische Parlament (d.h. der KONT) befragt die Kommission zur Ausführung der Ausgaben oder zur Funktionsweise der Finanzkontrollsysteme, sowohl im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Entlastung als auch zu anderen Zwecken im Zusammenhang mit der Ausübung der Haushaltsbefugnisse der Kommission (Artikel 276 (2) des EG-Vertrags).

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