Themendossier

Budget implementation

Die Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union


Die Ausführung des Haushaltsplans impliziert die Verantwortung für die Ausführung von Rechnungsvorgängen. Artikel 274 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) überträgt der Kommission die Ausführung des Haushaltsplans. Artikel 274 sieht vor, dass „die Kommission … den Haushaltsplan gemäß der nach Artikel 279 festgelegten Haushaltsordnung in eigener Verantwortung und im Rahmen der zugewiesenen Mittel entsprechend dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung“ auszuführen. Die Haushaltsordnung soll außerdem im Einzelnen festlegen, in welcher Weise die Kommission von ihrem Recht Gebrauch machen kann.


Die Kommission ist also die den Haushaltsplan ausführende Behörde. Ihre Befugnisse in diesem Bereich unterliegen jedoch gewissen Einschränkungen :


Zunächst führen gemäß Artikel 50 der Haushaltsordnung alle Organe die sie betreffenden Einzelpläne des Haushaltsplans in eigener Verantwortung aus. Dieser Artikel erkennt das Prinzip der Autonomie der Organe an und beschränkt gleichzeitig die Zuständigkeit der Kommission bei der Ausführung des Haushaltsplans.


Weiterhin stellt die Komitologie (d.h. das Ausschusswesen) eine weitere Beschränkung der Befugnisse der Kommission dar: Seit den Anfängen der Gemeinschaft werden Ausschüsse mit nationalen Experten der Mitgliedstaaten gebildet. Ursprünglich sollten sie die Kommission bei der Ausführung des Haushaltsplans unterstützen, faktisch schmälern sie jedoch deren Befugnisse. Die ständige Zunahme dieser Ausschüsse stützt sich auf Artikel 202 und 211 des EG-Vertrags. Artikel 202 besagt, dass „der Rat der Kommission in den von ihm angenommenen Rechtsakten die Befugnisse zur Durchführung der Vorschriften, die er erlässt“, überträgt, dass er „bestimmte Modalitäten für die Ausübung dieser Befugnisse festlegen“ kann und dass er „sich in spezifischen Fällen außerdem vorbehalten [kann], Durchführungsbefugnisse selbst auszuüben“. Artikel 211 sieht vor, dass „die Kommission die Befugnisse [ausübt], die ihr der Rat zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften überträgt“. Wenn der Rat sich auf diese beiden Artikel beruft, bringt er damit also zum Ausdruck, dass er die Vorgehensweise der Kommission bei der Ausführung des Haushaltsplans kontrollieren will.


Die Möglichkeiten der Kommission bei der Ausführung des Haushaltsplans werden außerdem durch die zunehmende Delegation der Haushaltsführung an Dritte eingeschränkt. Die Kommission führt also nur einen begrenzten Teil des Haushaltsplans selbst aus.


Die Möglichkeiten zur Verwaltung des Gemeinschaftshaushalts


Die Erweiterung der Europäischen Union, die vielfältigen Verpflichtungen der Kommission infolge der zunehmenden Aktivitäten der Gemeinschaft und das steigende Haushaltsvolumen brachten es mit sich, dass die Kommission die Verwaltung des Haushalts differenzierte und auslagerte. Somit reduziert sie den Arbeitsaufwand, der die Ausführung bedeutet, durch die Delegation an außenstehende Einrichtungen. Bereits die Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 erlaubt es der Kommission und den übrigen Organen, gemäß Artikel 18 (3) ihre Ausführungsbefugnisse nach Maßgabe ihrer jeweiligen Geschäftsordnung innerhalb der in der Übertragungsverfügung festzulegenden Grenzen zu übertragen. In den siebziger Jahren erfährt die Übertragung der Ausführung eine rasche Entwicklung, insbesondere durch die Einrichtung der Agenturen, d.h. dezentraler Einrichtungen der Gemeinschaft. In den neunziger Jahren entstehen zahlreiche weitere Agenturen, zum einen, um neuen Aufgaben technischer und wissenschaftlicher Natur nachzukommen, und zum anderen, um Tätigkeiten der Gemeinschaft zu dezentralisieren. Gleichzeitig delegiert die Kommission Durchführungsaufgaben an Büros für technische Hilfe (BTH). Diese BTHs sind privatrechtliche Einrichtungen, die entweder mit fachlichen Aufgaben oder mit der Mittelverwaltung, einschließlich Auszahlungen an Leistungsempfänger betraut werden. Die Inanspruchnahme dieser BTH stößt jedoch auf heftige Kritik, weil damit öffentlich-rechtliche Aufgaben an privatrechtliche Einrichtungen übertragen werden, eine vorher festgelegte Struktur fehlt und der Kommission nur unzureichende Kontrollmechanismen zur Verfügung stehen.


Diese Auslagerung der Verwaltung des Haushalts wurde mit der Überarbeitung der Haushaltsordnung im Juni 2002 geändert. Durch die neue Haushaltsordnung konnten die verschiedenen Arten der Verwaltung des Gemeinschaftshaushalts genauer definiert und organisiert werden, sowie die Grenzen und die Bedingungen für die Übertragung von Ausführungsbefugnissen durch die Kommission festgelegt werden. So darf die Kommission Dritten keine Durchführungsbefugnisse übertragen, die ihre durch die Verträge zugewiesen werden, wenn mit diesen Befugnissen ein großer Ermessensspielraum für politische Optionen verbunden ist (Artikel 54 der Haushaltsordnung vom 25. Juni 2005). Die Kommission darf also ausschließlich Dienstleistungen technischer Art sowie administrative, vorbereitende oder untergeordnete Aufgaben übertragen, die keinerlei Ermessensspielraum beinhalten. Als Reaktion auf die Kontroversen um die BTH in den neunziger Jahren sieht die Haushaltsordnung vor, dass die Kommission die Ausführung des Haushalts an privatrechtliche Stellen oder Einrichtungen nur dann vergeben kann, wenn diese öffentliche Aufgaben wahrnehmen (Artikel 57 der Haushaltsordnung vom 25. Juni 2002).


Nach Artikel 53 der Haushaltsordnung vom 25. Juni 2002 erfolgt der Haushaltsvollzug durch die Kommission nach den Prinzipien

- der zentralen Mittelverwaltung

- der geteilten oder dezentralen Mittelverwaltung

- der gemeinsamen Mittelverwaltung mit internationalen Organisationen


Bei der zentralen Mittelverwaltung wird unterschieden zwischen der direkten Mittelverwaltung durch die Dienststellen der Kommission und der indirekten Mittelverwaltung durch andere Einrichtungen. In diesem Fall erfolgt die Verwaltung durch Exekutivagenturen , durch von der Gemeinschaft geschaffene Einrichtungen oder durch die so genannten „nationalen Agenturen“, d.h. privatrechtliche nationale Organisationen bzw. Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Diese Agenturen haben eine eigene Rechtspersönlichkeit, bekommen klar umrissene Durchführungsaufgaben zugewiesen und unterliegen der Überwachung und strengen Kontrolle durch die Kommission.


Übt die Kommission eine geteilte Mittelverwaltung aus, werden Haushaltsvollzugsaufgaben an Mitgliedstaaten, bei der dezentralen Mittelverwaltung an Drittländer übertragen. In beiden Fällen muss die Kommission sicherstellen, dass die betreffenden Länder den Haushaltsplan nach den geltenden Regeln ausführen und das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung beachten.


Schließlich kann die Kommission bestimmte Vollzugsaufgaben an zwischenstaatliche und/oder internationale Organisationen delegieren, die international anerkannte Standards anwenden. Dabei handelt es sich um die gemeinsame Mittelverwaltung .


Die Finanzakteure


Bei den Finanzakteuren handelt es sich um Beamte, die eine Reihe von Rechnungsführungsvorgängen im Rahmen der Ausführung des Gemeinschaftshaushalts durchzuführen haben. Gemäß Artikel 17 der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 2001 zählen dazu der Anweisungsbefugte, der Finanzkontrolleur und der Rechnungsführer. Sie sind in jedem Organ vertreten. Außerdem gilt entsprechend der Finanzordnung von 1977 erstmals das Prinzip der Aufgabentrennung und der Unvereinbarkeit dieser Aufgaben untereinander.


Die Haushaltsordnung wird in regelmäßigen Abständen modifiziert. Die Reform von 2002 brachte jedoch die stärksten Änderungen in Bezug auf die Bezeichnung und den Aufgabenbereich einiger dieser Finanzakteure mit sich.


Der Anweisungsbefugte ist für die Mittelbindungsanträge, die Feststellung und die Zahlungsanordnungen zuständig. Er geht außerdem rechtliche Verpflichtungen ein, die die Kommission gegenüber Dritten binden. Er stellt Forderungen fest und erteilt Einziehungsanordnungen. Bei seiner Tätigkeit ist er gehalten, nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung, der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit vorzugehen. Die Haushaltsordnung vom 25. Juni 2002 stärkt die Verantwortung des Anweisungsbefugten. Seit nämlich durch die Haushaltsordnung von 2002 das Verfahren des vorhergehenden „Sichtvermerks“ durch den Finanzkontrolleur abgeschafft wurde, ist jetzt der Anweisungsbefugte für die gesamte Haushaltsorganisation zuständig und muss hierfür ein internes Kontrollfunktionssystem einrichten. Die ex ante-Evaluierung ermöglicht ihm die Prüfung der Tragfähigkeit seiner Vorschläge, der Erfolg und die Kostenwirksamkeit bereits laufender Programme werden anhand der Zwischen- und ex post-Evaluierung gemessen.


Gemäß der Haushaltsordnung von 1977 vergewissert sich der Finanzkontrolleur , dass der Anweisungsbefugte die Grundsätze der Rechtmäßigkeit und der Ordnungsmäßigkeit gewahrt hat und prüft, ob die von ihm veranlassten Vorgänge einer wirtschaftlichen und effizienten Haushaltsführung entsprechen.

Mit der ex ante-Evaluierung stellt der Finanzkontrolleur für jeden Mittelbindungs-, Auszahlungs- und Einziehungsvorgang eine explizite vorhergehende Erlaubnis aus. Die Verordnung des Rates vom 23. November 1998 änderte die Haushaltsordnung von 1977 und übertrug dem Finanzkontrolleur die Funktion eines Internen Prüfers seines jeweiligen Organs. Als solcher ist er damit befasst, die Wirksamkeit der Haushaltsverwaltungs- und Kontrollsysteme zu prüfen. In der Folge modifizierte die Verordnung des Rates vom 9. April 2001 erneut die Haushaltsordnung von 1977: Es erfolgte eine Trennung des Aufgabenbereichs des Internen Prüfers von den übrigen Funktionen des Finanzkontrolleurs. Diese Trennung des Aufgabenbereichs von Finanzkontrolleur und Internem Prüfer ist für den Bereich der Kommission verbindlich vorgeschrieben und fakultativ für die anderen Organe. Die Kommission bestellt somit einen unabhängig von dem Finanzkontrolleur arbeitenden Internen Prüfer, der zum einen die Funktionsweise der Haushalts- und Kontrollsysteme sowie die Ordnungsmäßigkeit der Vorgänge überprüfen und zum anderen seinem Organ einen Jahresbericht mit seiner Stellungnahme zu dem abgeschlossenen Haushaltsjahr vorlegen muss. Die Reform der Haushaltsordnung von 2002 schaffte das Amt des Finanzkontrolleurs ab und ersetzte es in jedem Organ durch den unter der Verantwortung des Anweisungsbefugten tätigen Internen Prüfer. Dieser ist seinem Organ gegenüber verantwortlich für die einwandfreie Arbeitsweise der Systeme und der Verfahren zur Ausführung des Haushaltsplans. Damit ist es seine Aufgabe, die Effektivität und die Effizienz der vom Anweisungsbefugten eingerichteten Verwaltungs- und internen Kontrollsysteme zu beurteilen, ohne in die Ausführung des Haushaltsplans einzugreifen. Da der Interne Prüfer in diesen Bereich nicht eingreift, ist er kein Finanzakteur, was ihm innerhalb seines Organs eine gewisse Unabhängigkeit verleiht.


Der Rechnungsführer vollzieht die vom Anweisungsbefugten erteilten Zahlungs- und Einziehungsanordnungen. Er prüft vorweg, dass die Auszahlungen für sein Organ von schuldbefreiender Wirkung sind. Er verbucht die Vorgänge nach Einnahmen und Ausgaben (Haushaltsbuchführung) und ist mit der Verwaltung der Kassenmittel beauftragt. Er ist für die Erstellung der Rechnungsabschlüsse des Organs und deren Konsolidierung mit denen der anderen Organe zuständig. Er prüft die Zuverlässigkeit der Rechnungslegung und die Qualität der finanziellen Berichterstattung in den vom Anweisungsbefugten entwickelten Verwaltungssystemen. Das Amt des Rechnungsführers ist über die Jahre bestehen geblieben. Die Haushaltsordnung von 2002 änderte seine Befugnisse nicht grundlegend, sah jedoch u.a. als Neuerung vor, dass der Rechnungsführer vom Anweisungsbefugten alle für die Rechnungslegung notwendigen Informationen erhalten soll. Gleichzeitig impliziert die Abschaffung der ex ante-Evaluierung den Verzicht auf die systematische Validierung der Auszahlungen durch den Rechnungsführer. Schließlich legt der Rechnungsführer von allen Organen anzuwendende einheitliche Regeln und Methoden der Rechnungsführung fest.

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