The Amsterdam Treaty of 2 October 1997
Der Vertrag von Amsterdam
Im Juni 1995, anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des Vertrags über die Europäische Union im Jahr 1992, wurde eine Reflexionsgruppe ins Leben gerufen, die die Arbeit der neuen Konferenz vorbereiten solle. Im Dezember 1995 legte diese Gruppe dem Europäischen Rat in Madrid ihre Arbeit vor. Die Konferenz, die eine Reihe institutioneller Fragen sowie die Differenzierung zwischen den Mitgliedstaaten im Integrationsprozess regeln sollte, wurde im März 1996 in Turin eröffnet und während der Europäischen Ratstagung in Amsterdam am 16. und 17. Juni 1997 beendet. Nach der auf dieser Ratstagung erzielten Einigung über den Vertragsentwurf wurde der Vertrag am 2. Oktober 1997 in Amsterdam unterzeichnet. Nach der Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten trat der Vertrag von Amsterdam am 1. Mai 1999 in Kraft.
Der Aufbau des Vertrags
Der Vertrag von Amsterdam besteht aus fünfzehn Artikeln, dreizehn Protokollen, die entweder an den Vertrag über die Europäische Union angehängt sind, oder an den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, oder an Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft oder an den Vertrag über die Europäische Union und die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Atomgemeinschaft, sowie 59 Erklärungen.
Der Vertrag ist folgendermaßen aufgebaut:
— Erster Teil: Sachliche Änderungen
— Zweiter Teil: Vereinfachung
— Dritter Teil: Allgemeine und Schlussbestimmungen
— Anhang
— Protokolle
— Schlussakte
Die Europäische Union
Seit dem Vertrag von Maastricht beruht die Europäische Union auf einer Drei-Säulen-Struktur. Die erste Säule umfasst die Europäischen Gemeinschaften, die zweite die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die dritte die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres. Letztere erfährt mit dem Vertrag eine Änderung und umfasst nunmehr nur noch die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen(PJZS), während die Aspekte der Freizügigkeit hinsichtlich Visa, Asyl und Einwanderung vergemeinschaftet werden.
Die Europäische Union (EU) basiert auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit. Die Einhaltung dieser Grundsätze wird zur Voraussetzung für den Beitritt zur Europäischen Union.
Für ein besseres Verständnis der Verträge sieht der Vertrag von Amsterdam eine Neunummerierung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft sowie die Aufhebung einiger überholter Bestimmungen vor. Die Nummerierungen des EGKS-Vertrags und des Euratom-Vertrags bleiben hingegen unberührt.
Der Inhalt des Beschlusses des Europäischen Rates von Edinburgh von 1992 über den Sitz der Organewird in ein Protokoll im Anhang an den Vertrag über die Europäische Union und die Gemeinschaftsverträge übernommen.
Ein weiteres Protokoll sieht vor, dass alle Konsultationsdokumente der Kommission sowie die Gesetzgebungsvorschläge der Kommission, die sie dem Parlament und dem Rat vorlegt, den Parlamenten der Mitgliedstaaten zugeleitet werden müssen. Außerdem erhält die Konferenz der Sonderorgane für EU-Angelegenheiten (COSAC) das Recht, den EU-Organen Beiträge zu liefern sowie Rechtsetzungsvorschläge und entsprechende Rechtsaktinitiativen im Zusammenhang mit der Errichtung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu prüfen.
Die erste Säule
Institutioneller Rahmen
Mit dem Vertrag werden die Zuständigkeiten des Parlamentsausgedehnt.
Das Parlament erhält die Befugnis, der Ernennung des designierten Kommissionspräsidenten zuzustimmen.
Das Verfahren der Zusammenarbeit wird vereinfacht und zum gängigsten Verfahren der Gesetzgebung gemacht. Seither wird es auf die neuen, in den Vertrag eingefügten Bestimmungen in den Bereichen Beschäftigung, Chancengleichheit und Gleichbehandlung, öffentliche Gesundheit, Transparenz, Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, Zusammenarbeit im Zollwesen sowie Statistik und Datenschutz angewandt. Darüber hinaus findet dieses Verfahren auch bei zahlreichen bereits geltenden Bestimmungen Anwendung.
Die Anzahl der Abgeordneten im Europäischen Parlament wird auf maximal 700 festgelegt, um zu verhindern, dass das Parlament nach einer möglichen Erweiterung zu viele Mitglieder hat. Das Parlament kann einen Entwurf für allgemeine unmittelbare Wahlen nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten oder im Einklang mit den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen ausarbeiten. Es kann darüber hinaus nach Anhörung der Kommission und mit Zustimmung des Rates, der einstimmig beschließt, die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Wahrnehmung der Aufgaben seiner Mitglieder festlegen.
Die Kommissionerfährt neben der Zustimmung des Parlaments zur Benennung des Kommissionspräsidenten eine weitere erhebliche Neuerung. Die Kommissare müssen von den Regierungen der Mitgliedstaaten im Einvernehmen mit dem designierten Präsidenten ernannt werden. Die Kommission übt ihre Tätigkeit unter der politischen Führung ihres Präsidenten aus.
Im Ratwird die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit sowohl auf neue als auch auf einige bereits bestehende Bestimmungen des Vertrags ausgedehnt. Somit findet dieses Verfahren, was die mit dem Vertrag eingeführten Neuerungen anbelangt, beispielsweise in den Bereichen Leitlinien und Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung, soziale Ausgrenzung, Chancengleichheit und Gleichbehandlung, öffentliche Gesundheit, Transparenz, Betrugsbekämpfung, Statistik, Datenschutzbefugnis, Regionen in äußerster Randlage und Zusammenarbeit im Zollwesen Anwendung. Desgleichen sieht der Vertrag vor, dass dieses Verfahren nun auch auf Ausgleichszahlungen für die Einfuhr von Rohstoffen, bestimmte Aspekte des Niederlassungsrechts, die spezifischen Programme im Rahmen von Forschung und technologischer Entwicklung und die Gründung von gemeinsamen Unternehmen im Bereich der Forschung und technologischen Entwicklung anwendbar ist.
Für wichtige Bereiche wie die Freizügigkeit, das Aufenthaltsrecht, die soziale Sicherheit von Wanderarbeitnehmern, die Änderung der in einem Mitgliedstaat bestehenden gesetzlich verankerten Grundsätze der Berufsordnung, die Kultur, die Industrie, bestimmte Aspekte der Umwelt- und Sozialpolitik und der Wirtschafts- und Währungsunion sowie weitere Befugnisse gilt jedoch nach wie vor die Einstimmigkeit.
Dem Vertrag zufolge ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der dritten Säule – polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – und im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit zuständig. Darüber hinaus achtet die Kommission auf die Einhaltung der Grundrechte durch die Organe.
Die vom Rechnungshof ausgeübte Kontrolle wird ausgedehnt. Dem Rechnungshof wird im Interesse der Wahrnehmung seiner Vorrechte das Recht zuteil, im Rahmen einer Nichtigkeitsklage vor dem Gerichtshof aufzutreten.
Der Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen können vom Parlament konsultiert werden und müssen bei einer zunehmenden Anzahl von Themen konsultiert werden.
Die Möglichkeit, die europäische Integration differenziert voranzutreiben, war schon lange im Vorfeld diskutiert worden, aber erst mit dem Vertrag von Amsterdam wurde ein Verfahren der verstärkten Zusammenarbeitgeschaffen. So kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Parlaments unter bestimmten Voraussetzungen mehrere Staaten ermächtigen, untereinander eine engere Zusammenarbeit unter Inanspruchnahme der im Vertrag vorgesehenen Einrichtungen, Verfahren und Mechanismen in die Wege zu leiten.
Gemeinschaftspolitiken
In Bezug auf die Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Atomgemeinschaft nimmt der Vertrag von Amsterdam keine wesentlichen Änderungen vor.
Die Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft hingegen werden ausgedehnt und einige bereits bestehende Zuständigkeiten werden geändert. Zu den neuen Zuständigkeiten der Gemeinschaft gehören die Bekämpfung jedweder Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung; die Bestimmungen bezüglich der Beschäftigung und der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit; der Inhalt des Abkommens über die Sozialpolitik sowie die Bestimmungen über die Freizügigkeit hinsichtlich Visa, Asyl und Einwanderung. Andere schon zuvor von der Gemeinschaft wahrgenommene Zuständigkeiten werden geändert. Dabei handelt es sich um Bestimmungen in den Bereichen Umwelt, öffentliche Gesundheit und Verbraucherschutz, Unionsbürgerschaft, Förderung der kulturellen Vielfalt, Sport und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge.
Darüber hinaus werden die Bewertungskriterien für die Einhaltung des mit dem Vertrag über die Europäische Union 1992 eingeführten Subsidiaritätsprinzips in einem dem EG-Vertrag beigefügten Protokoll näher festgelegt.
Der Grundsatz der Transparenz wird fester Bestandteil des Vertrags und nimmt mit der Öffentlichkeit der Diskussionen und der Beschlussfassung im Rat, wenn dieser als Gesetzgeber auftritt, und dem Recht des Einzelnen auf Zugang zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission gemäß den vom Rat festgelegten allgemeinen Grundsätzen und Einschränkungen konkrete Gestalt an.
Eine Erklärung zur redaktionellen Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften sieht die amtliche Kodifizierung der Rechtstexte sowie die verbesserte Abfassung der gemeinschaftlichen Rechtsakte vor, um eine korrekte Umsetzung dieser Bestimmungen und eine bessere Verständlichkeit für die Öffentlichkeit zu gewährleisten.
Die zweite Säule
Institutioneller Rahmen
Zu den mit dem Vertrag eingeführten Änderungen gehören die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die Zusammenarbeit in Rüstungsfragen, die konstruktive Stimmenthaltung im Rat, die Stärkung der Rolle der Westeuropäischen Union (WEU), die Einführung des Amtes eines Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Herr oder Frau GASP – und die Schaffung einer Strategieplanungs- und Frühwarneinheit. Ferner wird die EU-Troika umgestellt und besteht nunmehr aus dem amtierenden Präsidenten des Rates der Europäischen Union, dem Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und dem für Außenbeziehungen zuständigen Kommissar.
Rechtsakte
Neben den Gemeinsamen Aktionen und den Gemeinsamen Standpunkten, die vom Rat angenommen werden, entscheidet der für die Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Leitlinien zuständige Europäische Rat nunmehr über Gemeinsame Strategien.
Politiken
Die GASP umfasst die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik. Darin eingeschlossen sind humanitäre Missionen und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung. Die WEU ist integraler Bestandteil der Entwicklung der Union.
Die dritte Säule
Institutioneller Rahmen
Die Kommission und das Parlament spielen eine zunehmend stärkere Rolle im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen. Der Gerichtshof wird für Verfahren gegen in diesem Rahmen erlassene Rechtsakte zuständig.
Die verstärkte Zusammenarbeit ist im Rahmen des dritten Pfeilers möglich, aber an noch striktere Bedingungen geknüpft als die verstärkte Zusammenarbeit im gemeinschaftlichen Rahmen. Die durch die Zusammenarbeit entstehenden Kosten werden von den beteiligten Staaten finanziert, sofern vom Rat nicht einstimmig eine andere Entscheidung getroffen wird.
Rechtsakte
Zu den Gemeinsamen Standpunkten und den Übereinkommen kommt ein neuer Typ des Rechtsakts, nämlich der Rahmenbeschlusshinzu.
Politiken
Nach der Vergemeinschaftung der Politiken im Hinblick auf die Freizügigkeit (Visa, Asyl und Einwanderung) umfasst die dritte Säule nur noch die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Dabei verfolgt die Union das Ziel, den Bürgern in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten, indem sie ein gemeinsames Vorgehen der Mitgliedstaaten im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen entwickelt sowie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verhütet und bekämpft.