Themendossier

The founding and reforms of the European Union

Die Gemeinschaften in der Europäischen Union


Mit dem Inkrafttreten des am 7. Februar 1992 in Maastricht unterzeichneten Vertrages über die Europäische Union am 1. November 1993 gründen die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften eine Europäische Union.


Nach Artikel A des Vertrages sind die „Europäischen Gemeinschaften Grundlage der Union, ergänzt durch die mit diesem Vertrag eingeführten Politiken und Formen der Zusammenarbeit“. Die Europäische Union stellt somit keine Nachfolgeorganisation der Gemeinschaften dar, die weiterhin als eigenständige Organisationen mit einer supranationalen Integrationsform bestehen bleiben. Die Europäische Union verfügt außerdem über keine eigene Rechtspersönlichkeit.


Die Gemeinschaften arbeiten von nun an im Rahmen einer erweiterten institutionalisierten Struktur, deren Rechtscharakter umstritten ist und die sie gleichzeitig einbindet und durch die zwei Bereiche der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit ergänzt: die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (JI). Artikel M des Vertrags garantiert das Weiterbestehen der Gemeinschaften. Er stellt fest, dass vorbehaltlich der Bestimmungen zur Änderung der drei Verträge zur Gründung der drei Europäischen Gemeinschaften „der vorliegende Vertrag die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie die nachfolgenden Verträge und Akte zur Änderung und Ergänzung der genannten Verträge unberührt lässt“.


Indem sie die Europäische Union ins Leben rufen, demonstrieren die Mitgliedstaaten ihre Entschlossenheit, den mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften eingeleiteten Prozess der europäischen Integration auf eine neue Stufe zu heben, und unterstreichen die historische Bedeutung der Überwindung der Teilung des europäischen Kontinents und die Notwendigkeit, feste Grundlagen für die Gestalt des zukünftigen Europas zu schaffen . Die Europäische Union bildet folglich in der Form des Maastrichter Vertrags nur eine Etappe auf dem Weg der Europäischen Gemeinschaften zu einem politisch integrierten europäischen Raum. Der Zeitpunkt für das Überschreiten dieser neuen Schwelle ist mit dem Mauerfall in Berlin im November 1989 gekommen, der zu einer radikalen Veränderung der geopolitischen Situation auf dem europäischen Kontinent führt. Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaften geben sich durch diesen Vertrag einen einheitlichen institutionellen Rahmen, der kohärenter und effizienter ist, alle Bereiche ihrer gemeinsamen Aktivitäten abdeckt und die Arbeit einer Organisation erleichtert, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Nachbarstaaten aus Mittel- und Osteuropa aufzunehmen.


Das Modell des griechischen Tempels mit drei Pfeilern, einem Giebeldreieck und einem gemeinsamen Sockel wird häufig herangezogen, um die Struktur des Vertragstextes zu erklären, der in sieben Titel unterteilt ist sowie Protokolle und Erklärungen als Anlage enthält. Titel I umfasst die gemeinsamen Bestimmungen und bildet damit das einheitliche Giebeldreieck, welches das gesamte Gebäude überdacht. Titel VII stellt mit den Schlussbestimmungen den Sockel dar, auf den es sich gründet und auf dessen Grundlage es „umgestaltet“ werden kann, da in diesem Titel eine Revision der Verträge vorgesehen ist. Den wichtigsten Pfeiler des Tempels stellen die drei Gemeinschaften dar (Titel II, III und IV mit den Bestimmungen zur Änderung der Gründungsverträge). Die zwei weiteren Pfeiler sind die Bereiche der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit (Titel V zur GASP und Titel VI zu JI).


Im Rahmen des ersten Pfeilers besteht der wichtigste Fortschritt des Maastrichter Vertrags in der Einbindung der Bestimmungen über die schrittweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) in den Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), der zum Gründungsvertrag der Europäischen Gemeinschaft (EG) wird. Auf dem Weg zur wirtschaftlichen Integration stellt nun die Verwirklichung der WWU die neue Zielsetzung dar, nachdem der Binnenmarkt im Jahr 1992, wie in der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 vorgesehen, vollendet wurde. Die Änderung der Bezeichnung der Organisation in „Europäische Gemeinschaft“ betont endgültig die Erweiterung der Zuständigkeiten der Gemeinschaft auf nicht-wirtschaftliche Gebiete. Von den drei Gemeinschaften ist es die EG, die ihre Rolle als vorherrschende Gemeinschaft mit allgemeiner Ausrichtung unterstreicht, indem sie ihre Tätigkeiten schrittweise auf weitere wirtschaftliche und soziale Bereiche ausweitet und in späteren Entwicklungsphasen im Rahmen eines Prozesses der „Vergemeinschaftung“ sogar wichtige politische Zuständigkeiten im Bereich der zwei zwischenstaatlichen Pfeiler übernimmt. Im Vergleich zur EG werden die EGKS und die EAG mehr und mehr in die Rolle spezifischer Sektoren der Hauptgemeinschaft gedrängt. Erwähnt sei auch, dass die Bestimmungen über die neue Unionsbürgerschaft durch den Maastrichter Vertrag in den EG-Vertrag eingefügt werden.


Die späteren Reformen der Verträge, die im Jahr 1997 in Amsterdam und im Jahr 2001 in Nizza vereinbart wurden, ändern die in Maastricht festgelegte organisatorische Struktur in keinster Weise und beschränken sich darauf, die Reform von 1992 fortzusetzen, indem sie einige formelle (z. B. die Neunummerierung der Artikel des EU-Vertrages durch den Amsterdamer Vertrag in arabischen Zahlen) und substanzielle Änderungen (z. B. neue Zuständigkeiten im sozialen Bereich, vor allem in der Beschäftigungspolitik durch den Amsterdamer Vertrag oder Anpassungen bei der Zusammensetzung und der Funktionsweise der Institutionen durch den Vertrag von Nizza, die die Osterweiterung der Union ermöglichen sollen) vornehmen. Folgende zwei Punkte müssen jedoch besonders hervorgehoben werden, da sie direkte Auswirkungen auf die in Maastricht eingeführte Architektur haben: erstens die Vergemeinschaftung der Visa-, Asyl- und Einwanderungspolitik als Folge der Reform von Amsterdam (die Zusammenarbeit in der Innen- und Justizpolitik ZIJP wird von diesem Zeitpunkt an zum dritten Pfeiler), sowie zweitens die Auflösung der EGKS am 23. Juli 2002, da ihr Gründungsvertrag fünfzig nach seinem Inkrafttreten ausläuft. Nach diesem Zeitpunkt bleiben die zwei existierenden Gemeinschaften, die EG und die EGKS, als solche im Rahmen der Europäischen Union bestehen.


Diese vom Maastrichter Vertrag ins Leben gerufene komplexe Architektur, die häufig als unübersichtlich beurteilt wird, erfordert eine tief greifende Reform. Aufgrund der bevorstehenden Erweiterung der Europäischen Union auf 25 Mitglieder im Mai 2004 wird diese wichtige Reform als dringlich empfunden.


Der am 29. Oktober 2004 in Rom unterzeichnete Vertrag über eine Verfassung für Europa definiert eine neue Architektur für die Europäische Union, die einfacher und transparenter gestaltet ist. Der Verfassungsvertrag sieht die Aufhebung aller früheren Verträge, mit Ausnahme des EGKS-Vertrags, vor. Er würde zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens den EG-Vertrag sowie den EU-Vertrag aufheben. Die „neu gegründete“ Europäische Union, die endlich mit einer Rechtspersönlichkeit ausgestattet wäre, würde somit die durch den Maastrichter Vertrag eingesetzte Europäische Union und die Europäische Gemeinschaft ersetzen.


Hinsichtlich der weiter bestehenden Gemeinschaft (EAG oder Euratom) enthält der Vertrag zur Begründung einer Verfassung für Europa ein Protokoll, das auf die Anpassung des EAG-Vertrags an die neuen Bestimmungen des Verfassungsvertrags zielt, vor allem im institutionellen und finanziellen Bereich. Die den EAG-Vertrag ändernden Bestimmungen sind dem Verfassungsvertrag als Anlage beigefügt. In einer ebenfalls dem Vertrag beigefügten Erklärung von fünf Mitgliedstaaten, nämlich Deutschland, Irland, Ungarn, Österreich und Schweden, wird darauf hingewiesen, dass „die wesentlichen Bestimmungen des Euratom-Vertrags seit seinem Inkrafttreten nicht geändert wurden und dass eine Aktualisierung erforderlich ist “. Diese fünf Länder sprechen sich für eine Regierungskonferenz aus, die so bald wie möglich einberufen werden sollte. Die Festlegung der Beziehungen zwischen der EAG und der „neu gegründeten Europäischen Union“ als zwei unterschiedliche Organisationen, die auf zwei verschiedenen Verträgen basieren, bleibt unvollendet. Die Befugnisse der EAG im atomaren Bereich sollen in Zukunft zweifellos von der Europäischen Union wahrgenommen werden.

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