The Constitutional Treaty of 29 October 2004
Die Ausarbeitung des Vertrags über eine Verfassung für Europa
Um die Gemeinschaften und die Europäische Union (EU) zu reformieren, wurden zwischen 1986 und 2001 vier Verträge erarbeitet, mit denen es jedoch nicht gelang, sämtliche Probleme auf der Tagesordnung der verschiedenen Regierungskonferenzen (RK) zu lösen. Die schwierigen Verhandlungen um die endgültige Fassung eines jeden Vertrags sowie die Tendenz, die Lösung bestimmter Fragen auf einen späteren Vertrag zu vertagen, zeigten zudem, dass das klassische Verfahren zur Vertragsrevision durch eine Regierungskonferenz an seine Grenzen gelangt war. Die Notwendigkeit, die Herausforderungen der größten Erweiterung der EU zu meistern und die Struktur und die Arbeit der EU demokratischer und transparenter zu gestalten, sprachen außerdem für eine umfassende Reform der Union. So wurden verschiedentlich Stimmen für einen neuen Ansatz zur Überwindung der Hindernisse laut, die die Aushandlung der bisherigen Verträge so schwierig und unproduktiv gemacht hatten.
So wurde im Ergebnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates von Laeken vom 14. und 15. Dezember 2001 ein neues Gremium eingerichtet: der so genannte Europäische Konvent. Dieser Konvent unter der Leitung von Valéry Giscard d’Estaing setzte sich aus Vertretern aus 28 Ländern (15 Mitgliedstaaten, 12 Bewerberländern und einem Land, das einen Beitrittsantrag gestellt hat) sowie Vertretern der Kommission und des Europäischen Parlaments zusammen und hatte die Aufgabe, dem Europäischen Rat Vorschläge für notwendige Reformen vorzulegen und die Arbeiten der zukünftigen Regierungskonferenz vorzubereiten. Die Lösung eines Konvents hatte sich bei der Ausarbeitung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die am 7. Dezember 2000 in Nizza unterzeichnet wurde, als sehr effizient erwiesen. Denn der Konvent ersetzte die Zusammenkünfte der Regierungsverantwortlichen hinter verschlossenen Türen durch ein Gremium, das öffentlich tagte und in dem alle politischen Akteure vertreten waren.
Der Europäische Konvent erarbeitete den Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa, der am 13. Juni und 10. Juli 2003 einvernehmlich angenommen wurde, und legte ihn dem Vorsitzenden des Europäischen Rates vor. Am 4. Oktober 2003 nahm eine Regierungskonferenz in Rom ihre Arbeit auf, um den Wortlaut des neuen Vertrags auszuhandeln. Sie nahm jedoch nur wenige Änderungen am Entwurf des Konvents vor. Der Europäische Rat, der am 17. und 18. Juni 2004 in Brüssel stattfand, klärte die letzten kontroversen Punkte und einigte sich auf den Vertrag über eine Verfassung für Europa. Der „Verfassungsvertrag“ (häufig als „Europäische Verfassung“ bezeichnet) wurde am 29. Oktober 2004 in Rom unterzeichnet. Er sollte nach der Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten am 1. November 2006 in Kraft treten und den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, den Vertrag über die Europäische Union sowie die Rechtsakte und Verträge zu deren Ergänzung oder Änderung (einschließlich der Beitrittsverträge) aufheben. Diese Aufhebung betrifft nicht den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, der somit weiterhin in der Fassung des Protokolls Nr. 36 zum Verfassungsvertrag in Kraft bleibt.