Die Unzulänglichkeit der Organisationen
Die Unzulänglichkeit der Organisationen
Die an einer zügigen Integration des europäischen Kontinents interessierte französische Regierung gibt sich mit den im Jahre 1950 bestehenden europäischen Organisationen, darunter dem Europarat und der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC), nicht zufrieden. Trotz der konsequenten Bemühungen zahlreicher proeuropäischer Bewegungen zur Einrichtung einer echten supranationalen Autorität kommen diese Organisationen über die Ebene einer zwischenstaatlichen Zusammenarbeit kaum hinaus.
Der Europarat, der lediglich mit unklaren Zuständigkeiten in nahezu allen Bereichen der öffentlichen Tätigkeit ausgestattet ist, lässt bei den engagierten Europäern, die zunächst große Hoffnungen in ihn gesetzt hatten, bald Enttäuschung aufkommen. Insgesamt erweist sich auch die Beratende Versammlung in Straßburg schnell als parlamentarische Tribüne, als Gremium für den Dialog prominenter nationaler Delegierter, die keinerlei Verpflichtung gegenüber ihren Wählern haben. Obwohl zahlreiche Projekte von der Versammlung erörtert und in die Wege geleitet werden, gelingt es ihr kaum, die Regierungen, die im Ministerkomitee de facto alle Entscheidungsbefugnisse behalten, zu deren Verwirklichung zu veranlassen. Der Europarat bleibt bei den wirklichen wirtschaftlichen und politischen Problemen sowie den Verteidigungsfragen außen vor und profiliert sich vor allem in den Bereichen der Sozial-, Gesundheits- und Kulturpolitik.
Die im April 1948 gegründete Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) ist eine zwischenstaatliche Organisation, in der alle Entscheidungen, die in dem aus Vertretern aller Mitgliedstaaten bestehenden Rat gefällt werden, der Einstimmigkeit unterliegen. Die OEEC soll die Umsetzung des Marshall-Plans gewährleisten, mit dem die USA allen europäischen Ländern umfangreiche Hilfen für den Wiederaufbau ihrer Wirtschaft anbieten, jedoch unter der Bedingung, dass diese eine genaue Bestandsaufnahme ihrer Ressourcen vorlegen und gemeinsam ein ehrgeiziges Wiederaufbauprogramm vereinbaren. Sechzehn Länder Westeuropas – die BRD und das Gebiet Triest treten 1949 bei – folgen dem amerikanischen Vorschlag und einigen sich über die Verteilung der Marshallplan-Hilfe, ohne indes zu einem gemeinsamen Investitions- und Wiederaufbauprogramm für die einzelnen Volkswirtschaften zu gelangen, die sich letztlich weiter voneinander abschotten voneinander bleiben. Die OEEC beschränkt sich im Übrigen auf die Formulierung ganz allgemeiner Richtlinien, ohne jemals eine echte Integration der nationalen Märkte in Europa zu erreichen, und enttäuscht so die Befürworter der Einheit und Geschlossenheit Europas. Gleichwohl trägt die OEEC zur multilateralen Liberalisierung des innereuropäischen Warenverkehrs und – über die Einrichtung einer Europäischen Zahlungsunion (EZU) im Zeitraum 1950-1958 – zur Währungsstabilisierung bei, was zugleich die Modernisierung des Produktionsapparates fördert.
Im Jahr 1947 gründet der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Vereinten Nationen (UN-ECOSOC) seinerseits eine Wirtschaftskommission für Europa (ECE – Economic Commission for Europe), die die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa fördern soll. Als erstes regionales Organ der UNO, dem sowohl alle europäischen Länder als auch die USA und die Sowjetunion angehören, umfasst diese Kommission eine Reihe von Organisationen, die die europäischen Regierungen nach 1945 gegründet hatten: die Organisation européenne du charbon (Europäische Kohleorganisation), die Organisation européenne des transports terrestres (Europäische Binnentransportorganisation) und die Commission économique d'urgence pour l'Europe (Nothilfekommission für die Wirtschaft in Europa). Allerdings kommt die Tätigkeit der Wirtschaftskommission für Europa aufgrund des Kalten Kriegs bald zum Erliegen. Abgesehen von einigen Initiativen zum Vertrieb von Kohle und zum Handel mit Eisenbahnmaterial bleiben ihre Tätigkeiten auf wenige Bereiche und Personen beschränkt.