Themendossier

Die Organisation der gemeinsamen Verteidigung

Die Organisation der gemeinsamen Verteidigung


Im Jahr 1950 zeigen der Koreakrieg und die kommunistische Bedrohung die Dringlichkeit einer Organisation der europäischen Verteidigung, die die deutschen Streitkräfte unbedingt einbezieht. Die Notwendigkeit der Wiederbewaffnung Deutschlands wird zudem immer wieder von der amerikanischen Regierung unterstrichen, die dem Kommunismus auf dem europäischen Kontinent Einhalt gebieten will.


In Europa ist die Erinnerung an den Krieg und die deutsche Militärbesatzung noch immer gegenwärtig und schmerzhaft. Aber seit dem Ende der vierziger Jahre wird die kommunistische Bedrohung immer spürbarer; die Europäer erkennen allmählich das Interesse und die Wichtigkeit der deutschen Wiederbewaffnung. Trotz des Brüsseler Pakts von 1948, der ein System des gegenseitigen Beistands im Falle eines bewaffneten Angriffs begründet, ist das Europa der Fünf – Großbritannien, Frankreich und die drei Benelux-Staaten – nicht in der Lage, allein der Bedrohung Herr zu werden. Die Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO), der im April 1949 in Washington unterzeichnet wird, gewährleistet zwar die Verteidigung Europas in einem atlantischen Rahmen, dank der massiven Unterstützung durch die Vereinigten Staaten, bietet jedoch keine praktische Lösung für die Frage der Wiederbewaffnung Deutschlands, das kein Vertragsstaat ist. Die Beteiligung Deutschlands an der Verteidigung Europas steht demnach auf der Tagesordnung, es herrschen jedoch große Meinungsunterschiede zwischen den ehemaligen Alliierten hinsichtlich der Art und Weise der Einbindung. Die Lage ist nicht einfach. Im Jahr 1950 verfügt die Bundesrepublik Deutschland (BRD) weder über eine Armee noch über ein Verteidigungsministerium noch über einen Generalstab. Das Land besitzt noch immer kein Außenministerium, und seine Lage im Herzen Europas sowie die Situation der Teilung machen es im Falle eines Ost-West-Konflikts zum Schauplatz des Geschehens.


Unter dem Druck der kommunistischen Bedrohung, die durch den Ausbruch des Koreakriegs im Juni 1950 konkret wird, plant der französische Generalkommissar für Planwirtschaft und Initiator des Schuman-Plans, Jean Monnet, im Sommer 1950, die Verteidigung Europas in einem mit dem Schuman-Plan vergleichbaren supranationalen Rahmen zu organisieren. Zur gleichen Zeit fordern die Vereinigten Staaten von ihren Verbündeten, die BRD wieder zu bewaffnen. Aber Monnet will verhindern, dass Deutschland, das sich seiner Unverzichtbarkeit immer bewusster wird, nicht vom Vorhaben der Kohle- und Stahlgemeinschaft abweicht oder seine Haltung in den Verhandlungen ändert. Er legt sein Vorhaben dem französischen Regierungschef und ehemaligen Verteidigungsminister René Pleven vor, der es seinerseits in das französische Kabinett einbringt, bevor er es am 24. Oktober 1950 der französischen Nationalversammlung vorlegt.


René Pleven schlägt vor, nach der Unterzeichnung des EGKS-Vertrags eine europäische Armee zu gründen, durch die die Eingliederung künftiger deutscher Truppen in einen Zusammenschluss ermöglicht würde, der unter der Aufsicht einer gemeinsamen europäischen Militär- und Politikbehörde stünde. Das Vorhaben der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG), das von den meisten westlichen Ländern akzeptiert wird, wird jedoch im August 1954 von der französischen Nationalversammlung abgelehnt. Auch die Westeuropäische Union (WEU), die im Oktober 1954 durch die Ausweitung des Brüsseler Pakts für Deutschland entsteht, kann das Scheitern der EVG und der europäischen militärischen Integration nie ganz ausgleichen.

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