Die Organe der EWG

Die Organe der EWG


Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), der am 25. März 1957 von den Vertretern der sechs Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) unterzeichnet wurde, spiegelt die Debatten um die Organe wider, die die Redaktionsphase gekennzeichnet hatten und in denen sich Befürworter und Gegner der Supranationalität gegenüberstanden.


Von Beginn der Arbeiten des Delegationsleiterausschusses in der Regierungskonferenz für den Gemeinsamen Markt und Euratom im Juni 1956 an versucht der belgische Außenminister und Vorsitzende der Konferenz, Paul-Henri Spaak, eine grundlegende Einigung über die Befugnisse der zukünftigen Organe zu erzielen, noch bevor ihre Zuständigkeiten definiert werden. Die im Spaak-Bericht enthaltenen Beschlussfassungsmodalitäten zur Behandlung materieller Fragen stellen die Diskussionsgrundlage dar. Sehr bald sprechen sich die niederländische und die deutsche Delegation für eine möglichst föderal geprägte Gemeinschaft aus, indem insbesondere der Kommission ein größerer Einfluss auf die Beschlüsse des Rates verliehen wird. Die französische Delegation besteht im Gegenteil auf der Notwendigkeit, sich über die Modalitäten einer Regierungszusammenarbeit zu einigen. Es kann demnach nur ein „zwitterhaftes“ institutionelles Gefüge anvisiert werden, das Elemente der Regierungszusammenarbeit und der Supranationalität eng miteinander verflicht. Schließlich kommen die Sechs über ein System überein, das der Gemeinschaft gleichzeitig direkte Gesetzgebungsbefugnisse verleiht und ihr die Möglichkeit gibt, indirekt Einfluss auf die Rechtsordnung der Mitgliedstaaten auszuüben.


Die Grundstruktur des EWG-Vertrags ähnelt in vielerlei Hinsicht der des Vertrags über die Gründung der EGKS. Bekanntlich waren mehrere Fachleute der Hohen Behörde der EGKS eng an den Vorbereitungen des EWG-Vertrags beteiligt. Der EWG-Vertrag stützt sich auf die herkömmliche Gewaltenteilung; er sieht mutatis mutandis eine Legislative, eine Exekutive und eine Judikative vor. Dabei handelt es sich jeweils um die Versammlung, den Rat und den Gerichtshof. Ihre Zuständigkeitsbereiche sind begrenzt, sie verfügen jedoch über echte Befugnisse.


Die Versammlung besteht aus Vertretern, die die sechs Mitgliedstaaten nach einem von jedem von ihnen bestimmten Verfahren aus ihren Parlamenten entsenden.


Die Bundesrepublik Deutschland (BRD), Frankreich und Italien stellen jeweils 36 Vertreter, Belgien und die Niederlande jeweils 14 und Luxemburg sechs. Die Versammlung übt Beratungs- und Kontrollbefugnisse aus. Sie erörtert den jährlichen Gesamtbericht, der ihr von der Kommission vorgelegt wird. Sie kann die Kommission durch einen Misstrauensantrag mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der einfachen Mehrheit ihrer Mitglieder abwählen. Nach diesem Misstrauensvotum müssen die Mitglieder der Kommission geschlossen ihr Amt niederlegen. Die Versammlung kann auch vom Rat mit Haushaltsentwürfen befasst werden, zu denen sie Änderungsvorschläge unterbreiten kann. Sie gibt Stellungnahmen zu bestimmten Regelungen ab, wenn diese ihr von der Kommission oder dem Rat vorgelegt werden.


Der Rat setzt sich aus Regierungsvertretern zusammen, gewährleistet die gemeinsame Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und hat in den meisten Fällen Entscheidungsbefugnis. Er fasst seine Beschlüsse einstimmig, mit qualifizierter Mehrheit oder einfacher Mehrheit. In den meisten Fällen, in denen eine einfache oder eine qualifizierte Mehrheit verlangt werden, kann der Beschluss nur auf Vorschlag der Kommission gefasst werden; um diesen Vorschlag zu ändern, bedarf es eines einstimmigen Beschlusses des Rates. Im Falle der qualifizierten Mehrheit kommt folgende Gewichtung der Stimmen zur Anwendung: die BRD, Frankreich und Italien verfügen über jeweils vier Stimmen, Belgien und die Niederlande über jeweils zwei und Luxemburg über eine Stimme. Bei Beschlüssen, die nicht auf Vorschlag der Kommission gefasst werden, ist außerdem die Zustimmung von mindestens vier Mitgliedstaaten erforderlich.


Die Kommission besteht aus einem Kollegium von neun Mitgliedern, die kollektiv verantwortlich sind und von den Regierungen für eine Dauer von vier Jahren ernannt werden. Sie werden aufgrund ihrer allgemeinen Befähigung ausgewählt und müssen volle Gewähr für ihre Unabhängigkeit bieten.

Die Kommission arbeitet nach dem Kollegialitätsprinzip; Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Sie unterbreitet dem Rat Vorschläge, von denen der Rat nur in einstimmiger Entscheidung abweichen kann. Sie hat für die Anwendung des Vertrags und der von den Organen auf Grund des Vertrags getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen. Sie gibt Empfehlungen oder Stellungnahmen auf den im Vertrag bezeichneten Gebieten ab, soweit dieser dies ausdrücklich vorsieht oder soweit sie es für notwendig erachtet. Die Kommission trifft in eigener Zuständigkeit Entscheidungen und wirkt am Zustandekommen der Handlungen des Rates und der Versammlung mit. Schließlich übt sie die Befugnisse aus, die ihr der Rat zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften überträgt.


Der Gerichtshof besteht aus sieben Richtern, deren Zahl der Rat mit einstimmigem Beschluss erhöhen kann. Der Gerichtshof wird von zwei Generalanwälten unterstützt, die genau wie die Richter für sechs Jahre von den Regierungen ernannt werden. Der Gerichtshof sichert die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrags. Er überwacht die Rechtmäßigkeit des Handelns des Rates und der Kommission, soweit es sich nicht um Empfehlungen oder Stellungnahmen handelt. Er ist für Klagen zuständig, die wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrags oder einer bei dessen Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm erhoben werden.


Wie auch der EGKS-Vertrag sieht der EWG-Vertrag ein beratendes Organ vor. Dabei handelt es sich um den Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA), der aus Vertretern der verschiedenen Gruppen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, insbesondere der Erzeuger, der Landwirte, der Arbeitnehmer, der Kaufleute und Handwerker und der freien Berufe besteht. Die Mitglieder werden vom Rat durch einstimmigen Beschluss auf vier Jahre ernannt. Die Zahl der Vertreter der Mitgliedstaaten wird wie folgt festgesetzt: 22 Deutsche, 12 Belgier, 24 Franzosen, 24 Italiener, 5 Luxemburger und 12 Niederländer.

Der Ausschuss muss vom Rat oder der Kommission in den im Vertrag vorgesehenen Fällen gehört werden, in allen anderen Fällen kann er gehört werden. Seine Gründung geht auf einen Vorschlag der Delegationen der Benelux-Staaten zurück, da Ausschüsse dieser Art in diesen Ländern einen großen Einfluss auf den Beschlussfassungsprozess in der Wirtschaftspolitik ausüben.

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