Der in Messina eingesetzte Regierungsausschuss
Der von der Konferenz in Messina eingesetzte Regierungsausschuss
Unter dem Vorsitz des belgischen Außenministers Paul-Henri Spaak konstituiert sich der von der Konferenz von Messina eingesetzte Regierungsausschuss am 9. Juli 1955 am Sitz des belgischen Außenministeriums in Brüssel. Die folgenden Tagungen finden in den Gebäuden der Compagnie de Trieste in der Rue Belliard statt. Die sechs Delegationsleiter sind: Carl Friedrich Ophüls, Gesandter (Bundesrepublik Deutschland), Baron Jean-Charles Snoy et d’Oppuers, Generalsekretär des belgischen Wirtschaftsministeriums (Belgien), Félix Gaillard, Abgeordneter und ehemaliger Minister (Frankreich), Lodovico Benvenuti, ehemaliger Unterstaatssekretär im italienischen Außenministerium (Italien), Lambert Schaus, Botschafter Luxemburgs in Brüssel (Großherzogtum Luxemburg), und Gerard Marius Verrijn Stuart, Professor an der Universität Amsterdam (Niederlande). Aufgrund der Beharrlichkeit des niederländischen Außenministers Johan Willem Beyen ist ein ständiger Vertreter der britischen Regierung ebenfalls eingeladen, an allen Sitzungen des Spaak-Komitees teilzunehmen. So entsendet das Vereinigte Königreich Russell F. Bretherton, Unterstaatssekretär am Board of Trade, nach Brüssel.
Unter dem Vorsitz Paul-Henri Spaaks wird sofort ein Lenkungsausschuss aus den Delegationsleitern gebildet und mit der Organisation, der der Leitung, der Koordinierung und der regelmäßigen Begleitung der Arbeiten der Sonderausschüsse betraut:
1. der Sonderausschuss für den gemeinsamen Markt, Investitionen und soziale Angelegenheiten
2. der Sonderausschuss für herkömmliche Energie
3. der Sonderausschuss für Kernenergie
4. der Sonderausschuss für Verkehr und Bauwesen
Außerdem werden folgende Ausschüsse eingesetzt: ein Unterausschuss für Investitionen und ein Unterausschuss für soziale Angelegenheiten Rahmen des Ausschusses für den Gemeinsamen Markt, Investitionen und soziale Angelegenheiten und ein Unterausschuss für Luftfahrt und eine Unterausschuss für Post und Telekommunikation im Rahmen des Ausschusses für Verkehr und Bauwesen.
Am 18. Juli 1955 tritt der Lenkungsausschuss zusammen und beginnt mit der Prüfung der Vorschläge, die von den nationalen Delegationen zur Umsetzung der Entscheidungen, die auf der Konferenz von Messina getroffen wurden, und erstellt die ersten Richtlinien für jeden Ausschuss.
Auf Grundlage dieser Richtlinien nehmen die Ausschüsse und die technischen Gruppen am 20. Juli ihre Arbeit auf. Die Sachverständigen erhalten indessen die Anweisung, ihre Arbeit nicht mit der Untersuchung der institutionellen Fragen zu beginnen. Was die Arbeitsmethode anbelangt, beschließt der Lenkungsausschuss, in mehreren Ausschüssen Fragebögen auszuarbeiten, die die Sachverständigen konkret beantworten müssen. Die Sitzungen folgen sehr schnell aufeinander, jede Woche jeweils von Dienstagmorgen bis Freitagabend. Entsprechend dem, was aus der Entschließung von Messina hervorgeht, gibt der Lenkungsausschuss den Ausschüssen den gemeinsamen Markt als Arbeitshypothese vor; alle anderen Bemühungen müssen sich diesem Hauptziel unterordnen.
Nachdem es zu Beginn an den Vorarbeiten teilgenommen hat, entschließt sich das Vereinigte Königreich im Oktober 1955 trotz allem, die Arbeiten im Spaak-Ausschuss aufzugeben, da ihm die Erfolgschancen sehr niedrig und auf alle Fälle wenig wünschenswert erscheinen. Die Briten stellen sich tatsächlich gegen eine europäische Zollunion, da sie ihre zolltarifliche Autonomie bewahren, ihre Industrien schützen und ihre privilegierten Beziehungen zu den Partnern des Commonwealth beibehalten möchten. Darüber hinaus möchte England, das seit 1952 Kernwaffen besitzt und bereits Atomforschungsprogramme mit den Vereinigten Staaten und Kanada finanziert, diese einträgliche Zusammenarbeit nicht durch eine Assoziierung mit Euratom gefährden.
Was die Teilnahme internationaler Organisationen an den Arbeiten betrifft, so entscheidet Spaak, dass die Hohe Behörde der Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) einen ständigen Sitz mit beratender Stimme im Lenkungsausschuss hat, während die Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC), der Europarat und die Europäische Konferenz der Verkehrsminister (EKVM) vom Ausschuss nur hinzugezogen werden, wenn sein Vorsitzender Spaak deren Anwesenheit für nützlich erachtet.
Am Ende dieser Arbeiten beginnt die Arbeitsgruppe im Februar 1956 mit der Ausarbeitung des Berichtes. Damit sind betraut: Pierre Uri, Leiter der Wirtschaftsabteilung der Hohen Behörde der EGKS, Hans von der Groeben, Regierungsdirektor im deutschen Wirtschaftsministerium, und der belgische Diplomat Albert Hupperts. Alle drei ziehen sich nach Cap-Ferrat im Süden Frankreichs zurück, um den zukünftigen Bericht der Delegationsleiter an die Außenminister auszuarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt ist der Spaak-Bericht für die Regierungen nicht bindend. Trotzdem bildet dieses am 21. April fertig gestellte Dokument die Verhandlungsgrundlage für die Arbeiten der Außenministerkonferenz der sechs Mitgliedsstaaten am 29. und 30. Mai 1956 in Venedig dienen wird.