Die Arbeit der 'drei Weisen' und die Rolle der Vereinigten Staaten
Die Arbeit der „Drei Weisen“
Im November 1956 beauftragen die Delegationsleiter der Mitgliedsstaaten der Sechser-Gemeinschaft im Rahmen der Regierungskonferenz für den Gemeinsamen Markt und Euratom den Franzosen Louis Armand, Präsident der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF, den Deutschen Franz Etzel, Vizepräsident der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), und den Italiener Francesco Giordani, ehemaliger Präsident des italienischen Beirates für Nuklearforschung, mit der Ausarbeitung eines Berichtes über die Möglichkeiten, die Atomkraft für den stetig wachsenden Energiebedarf in Europa zu nutzen.
Mehrere Monate lang treffen die drei Weisen politische und wirtschaftliche Verantwortungsträger für Atomenergie aus den sechs Ländern und stehen in ständigem Kontakt zu den Teilnehmern der Regierungskonferenz in Val Duchesse. Auf Einladung der Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Kanadas erhalten sie vor Ort Einblicke in die jeweiligen Forschungsergebnisse und -arbeiten. Auch können sie sich mehrfach mit der amerikanischen und der britischen Atomenergiekommission austauschen und erhalten dadurch technische Informationen über die jeweiligen Reaktoren.
Am 25. März 1957 wird gleichzeitg mit dem Vertrag zu Gründung der Europäsichen Wirtshaftsgemeinschaft auch der Vertrag zur Gründung Euratoms unterzeichnet. Im Mai 1957 kommen die Weisen in ihrem Bericht über Euratom zu dem Schluss, dass Europa im Rahmen von Euratom die für die Entwicklung der Energiekapazitäten notwendigen technischen und industriellen Ressourcen in der Sechser-Gemeinschaft mobilisieren muss. Euratom ist dabei gleichzeitig die politische Forum, das erforderliche Garantien bieten und mit der amerikanischen Regierung Sonderabkommen über den Austausch von Kenntnissen und spaltbaren Brennstoffen schließen kann. Im Bericht wird außerdem noch einmal hervorgehoben, dass die europäischen Staaten in hohem Maße von Erdöllieferungen aus dem Nahen Osten abhängen, da die Sechs zusammen nur 15 % der weltweiten Energieproduktion gewährleisten. Daher gilt es zu vermeiden, dass Erdöl zu einem Druckmittel in der internationalen Politik wird. Gleichzeitig wird aber in dem Bericht eine Verdopplung bis hin zu einer Verdreifachung der Energieimporte in den folgenden Jahren prognostiziert. Auf der Grundlage der Annahme, dass Energiekosten den Wirtschaftsaufschwung und die Anhebung des Lebensstandards in Europa behindern könnten, setzen die Weisen das Ziel fest, bis 1960 die Importe herkömmlicher Brennstoffe zu stabilisieren, und empfehlen, sofort mit dem Bau von Atomkraftwerken mit einer Gesamtleistung von 15 Millionen KW zu beginnen, um nach und nach kohle- und erdölbefeuerte Anlagen zu ersetzen.