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Das Ende des Kalten Krieges: Auf dem Weg zu einer neuen Partnerschaft (1989-2011)

Das Ende des Kalten Krieges: Auf dem Weg zu einer neuen Partnerschaft (1989-2011)


Am Ende des 20. Jahrhunderts vollziehen sich in Osteuropa große geopolitische Umwälzungen. Mit dem Fall der Berliner Mauer, dem Zusammenbruch des kommunistischen Blocks und dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 löst sich das bipolare System des Kalten Krieges auf. Angesichts dieser sich verändernden Welt müssen auch die deutsch-französischen Beziehungen neu überdacht werden, denn die anstehenden Probleme sind weniger bilateraler als vielmehr multilateraler Natur.


Als die Berliner Mauer am 9. November 1989 fällt, macht sich in Frankreich Unschlüssigkeit breit. Es keimt die Angst vor einem wiedervereinten Großdeutschland auf, das seine Partner dominiert und sich der Sowjetunion zuwenden könnte. Deshalb sähe es der französische Staatspräsident François Mitterrand (1981-1995) lieber, wenn die Teilung fortbestünde. Bundeskanzler Helmut Kohl (1982-1998) möchte die Bedenken zerstreuen und versichert, dass das deutsche Haus nur unter einem europäischen Dach errichtet werden könne. Die deutsche Einheit und die europäische Einheit sind damit untrennbar miteinander verknüpft. Diesen Standpunkt vertreten auch die wichtigsten Partner Deutschlands, an erster Stelle Frankreich. So regen Mitterrand und Kohl am 19. April 1990 eine Regierungskonferenz über die politische Union an, auf der es um die Stärkung der Gemeinschaftsorgane und insbesondere die Festlegung und Umsetzung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gehen soll. Angesichts der weit auseinandergehenden Standpunkte der Mitgliedstaaten sind es wieder Mitterrand und Kohl, die ihre Vorstellungen von der künftigen politischen Union in einem Schreiben vom 6. Dezember konkretisieren und genaue und kohärente Maßnahmen anregen. Mit der Unterzeichnung des Vertrags über die Europäische Union (EU) am 7. Februar 1992 in Maastricht wird dieser diplomatische Prozess erfolgreich abgeschlossen.


Die Umsetzung des Vertrags erweist sich jedoch als schwierig und das von Maastricht ausgehende Vertrauen schwindet rasch. Angesichts der durch den wirtschaftlichen Abschwung und den Anstieg der Arbeitslosigkeit schwierigen Bedingungen und der Verunsicherung der Öffentlichkeit in Bezug auf den Zweck und die Modalitäten der europäischen Integration, stellen die Regierungen die nationalen Interessen im EU-Kontext in den Vordergrund. So lassen die Meinungsverschiedenheiten zwischen Frankreich und Deutschland den deutsch-französischen Motor ins Stottern geraten.


Mit dem Amtsantritt von Jacques Chirac als Staatspräsident (1995-2007) im Jahr 1995 flauen die deutsch-französischen Beziehungen ab, auch wenn in Paris und Berlin die Bereitschaft zur Verständigung beteuert wird. Insbesondere die gemeinsame Währung, der Stabilitäts- und Wachstumspakt und der Beschluss von Chirac zur Wiederaufnahme der Atomtests geben Anlass zu Meinungsverschiedenheiten. So kommt es, dass es bei der Aushandlung des Vertrags von Amsterdam im Jahr 1997 in der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich klemmt. Die nationalen Interessen beider Länder gehen auseinander.


Der Amtsantritt von Bundeskanzler Gerhard Schröder (1998-2005) im Jahr 1998 lässt auf das Wiederaufleben der deutsch-französischen Partnerschaft hoffen, doch die Meinungsverschiedenheiten werden schnell offenbar: Auf der Europäischen Ratstagung im März 1999 in Berlin prallen die tiefgreifenden Divergenzen zwischen Chirac und Schröder in den Fragen des Gemeinschaftshaushalts und der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aufeinander. Auch die Diskussionen auf der Ratstagung in Nizza im Dezember 2000 im Vorfeld der Erweiterung der EU um die mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) lassen erhebliche Spannungen zwischen Berlin und Paris erkennen, insbesondere was die Stimmengewichtung im Rat, die Zusammensetzung der Kommission und des Europäischen Parlaments und das Europa der Verteidigung anbelangt. So entsteht der Vertrag von Nizza als Ergebnis eines mühevollen Kompromisses, der die Entscheidungsmechanismen verkompliziert anstatt sie zu straffen.

Als Chirac und Schröder die Bedeutung des deutsch-französischen Motors für den europäischen Integrationsprozess derart deutlich vor Augen tritt, verändern sie ihre Zusammenarbeit. Sie treffen sich regelmäßig, und die Gipfeltreffen werden wieder zu wirksamen Arbeitsinstrumenten. Zusätzlich werden deutsch-französische Ministerräte eingerichtet. So erzielen sie in verschiedenen Fragen Einigung: Chirac und Schröder verurteilen zusammen die Intervention der USA im Irak, beenden ihren Streit über die GAP und legen dem Konvent über die Zukunft Europas gemeinsame Vorschläge vor. Aber das Scheitern des Referendums zur Ratifizierung des Vertrags über eine Verfassung für Europa in Frankreich und in den Niederlanden im Frühjahr 2005 stürzt die EU in eine tiefe Krise.


Mit dem Amtsantritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel im November 2005 und von Staatspräsident Nicolas Sarkozy im Mai 2007 betritt ein neues deutsch-französisches Duo die politische Bühne, das von der Presse „Merkozy“ genannt wird. Neben den abweichenden Ansichten zu verschiedenen europäischen Themen, insbesondere zu der von Nicolas Sarkozy angeregten Union für das Mittelmeer, ist es vor allem der unterschiedliche Führungsstil, der die beiden Politiker trennt. Die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise, die die Welt im Jahr 2008 erschüttern, zwingen das deutsch-französische Duo jedoch zu erneuter Annäherung.

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