Die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete

Die Assoziierung der Überseeländer und -gebiete


Im Rahmen der europäischen Relance und angesichts der langsamen politischen Auflösung der Französischen Union sucht Frankreich nach einer Möglichkeit, seine Kolonien an die sich im Aufbau befindliche Gemeinschaft anzubinden, um das Bild von sich bewahren zu können, was es aufgrund der historischen Verbindungen mit seinem Reich von sicht hat. Es handelt sich darum, den Erzeugern in Übersee neue Absatz- und Handelsmärkte in Europa bieten zu können und gleichzeitig den Vorteil europäischer Investitionen für die öffentlichen Infrastrukturen genießen zu können, die Paris alleine nicht mehr gewährleisten kann. Darüber hinaus führen die Verbindungen zwischen Frankreich und seinen Überseeländern und -gebieten (PTOM) unausweichlich zu einem hohem Kostenaufwand für das Mutterland (Verwaltungskosten, Subventionen und Investitionen, Aufwand für Präferenzabkommen und Preisstützung für landwirtschaftliche Überseeerzeugnisse), der mit großer Sicherheit die französische Wirtschaft zu stark behindern würde, als dass sie diese Kosten nach einem Beitritt des Landes zu einem gemeinsamen europäischen Markt, der offen für die Konkurrenz ist, weiterhin alleine auffangen könnte. Da die zukünftigen europäischen Partner Frankreichs mehr in die PTOM exportieren, als sie aus diesen Gebieten importieren, ist die Assoziierung für die französische Regierung die beste Möglichkeit angesehen, um das Übersee-Importvolumen in den Gemeinsamen Markt zu erhöhen und folglich das Handelsdefizit der Wirtschaft des Kolonialreiches zu verringern. Frankreich versucht aber auch, seine Freihandelssituation in der Franc-Zone mit seinen künftigen Verpflichtungen in einem gemeinsamen europäischen Markt in Einklang zu bringen.


Es steht aber völlig außer Frage, die PTOM schlicht und ergreifend in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zu integrieren. Die grundlegenden Unterschiede zwischen dem wirtschaftlichen und sozialen Aufbau dieser Gebiete und dem der europäischen Länder könnten die Entwicklungsmöglichkeiten ersterer untergraben. Eine Assoziierung gibt Frankreich zudem die Möglichkeit, die Abschwächung seiner politischen Bande mit den Ländern Schwarzafrikas elegant durch ein System von Handelspräferenzen und eine Verstärkung der Wirtschaftsbeziehungen mit Westeuropa auszugleichen.


Nachdem einmal das Prinzip der Einbindung der PTOM in den Gemeinsamen Markt in Paris angenommen wurde, stellt sich das konkrete Problem, wie eine europäische Zollunion mit einem Gemeinsamen Außenzolltarif (GZT) unter Beibehaltung der präferenziellen Beziehungen zwischen Frankreich und seinen Überseegebieten eingerichtet werden kann. Mehr als 70 % der Importe der französischen PTOM kommen aus dem Mutterland und 67 % der Exporte dieser Gebiete gehen nach Frankreich. Die Exporte der französischen PTOM nach Deutschland, Italien, in die Niederlande und die belgisch-luxemburgische Wirtschaftunion (BLWU) belaufen sich hingegen auf weniger als 10 %, was auf eine beträchtliche Steigerung hoffen lässt. Auch wenn sie keinen GZT wollen, der Frankreich von seinen afrikanischen Märkten trennen würde, so sind sich die französischen Verantwortlichen doch durchaus bewusst, dass das Land die Hilfe seiner europäischen Partner benötigt, um die Überseegebiete, insbesondere die Sahararegionen, aufzuwerten und einen wachsenden Anteil seiner Produktion aufzunehmen. Frankreich schlägt also seinen Partnern die diskriminierungslose Öffnung seiner Überseemärkte der Franc-Zone vor, das heißt die progressive Abschaffung seiner Tarif- und Kontingentprivilegien; im Gegenzug sollen die sechs Mitgliedstaaten sich gemeinsam an den für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Gebiete notwendigen Investitionen beteiligen. Die Partner Frankreichs müssen folglich einem zusätzlichen finanziellen Aufwand zu dem, der bereits von Paris in Übersee betrieben wird, zustimmen. Die Investitionen in die Entwicklungshilfe scheinen den Kolonialmächten tatsächlich die beste Garantie gegen Unabhängigkeitsbestrebungen und pro-kommunistische Bewegungen einiger afrikanischer Führer zu sein. Es ist wahr, dass die Epoche keinen Anlass zum Optimismus gibt. Der Einfluss Frankreichs in Nordafrika und Schwarzafrika schwindet stetig. Während die Beziehungen mit den seit März 1956 unabhängigen Protektoraten Tunesien und Marokko sich bereits verschlechtert haben, wird die Lage seit dem Ausbruch des Algerienkrieges im November 1954 äußerst brisant. Die Situation lässt finanzielle Schwierigkeiten und eine Krise der Zahlungsbilanz befürchten, die nur noch durch massive Budgetzuweisungen durch die Behörden in Paris ausgeglichen werden können. Der neue Wettbewerb, der aus der Teilnahme der PTOM am Gemeinsamen Markt entsteht, wird somit als bestes Mittel gesehen, um die Produktion zu steigern, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und die Exporte zu stärken und so das finanzielle Gleichgewicht wieder herzustellen. Die Investitionen und Ankäufe der europäischen Länder in den Überseegebieten müssten die Zahlungsbilanz der Franc-Zone wieder ausgleichen, die durch die Steigerung der Ankäufe der PTOM im Gemeinsamen Markt noch weiter destabilisiert werden könnte.


Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Auswirkungen der Suezkrise in den Köpfen der Menschen noch sehr präsent sind. Frankreich, das diplomatisch gedemütigt ist, zeigte sich machtlos gegenüber den beiden Supermächten und folglich erscheint ein vereintes Europa erneut als beste Möglichkeit für Frankreich, eine bedeutende Rolle auf internationaler Ebene zu spielen. Die Suezkrise und das diplomatische und militärische Scheitern in Suez haben ebenso die Abhängigkeit Westeuropas von Energielieferungen und die Notwendigkeit zu Tage gefördert, die Oberhand über die Rohstoffreserven der Überseegebiete zu behalten. In den Vereinigten Staaten und bei den Vereinten Nationen (UNO) gewinnt der antikolonialistische Diskurs, der im April 1955 in Bandung bei der Konferenz der blockfreien Länder der dritten Welt wieder angefacht wurde, an Einfluss.


Das willentliche Schweigen der Verfasser des Spaak-Berichtes, die der Ansicht waren, eine derartige diplomatische Initiative müsse von Frankreich ausgehen, zwingt die französischen Verhandlungspartner, ihre Karten auf den Tisch zu legen und sich offen vor ihren europäischen Partnern zu erklären, die keinesfalls als Bittsteller angesehen werden möchten. Auch wenn die Außenminister der sechs Mitgliedstaaten, die im Februar 1956 in Brüssel über die Fortschritte der Arbeiten des von der Konferenz von Messina eingesetzten Regierungsausschusses beraten, die Entscheidung treffen, den Delegationsleitern die spätere Prüfung der Situation der Überseegebiete zu übertragen, konkretisiert sich das Projekt in der Folge nicht. Die Frage der Beziehungen der PTOM mit dem Gemeinsamen Markt, deren große Komplexität von allen vorausgesehen wird, wird offiziell erst am 29. Mai 1956, am ersten Tag der Außenministerkonferenz der sechs Mitgliedstaaten in Venedig, vom französischen Außenminister Christian Pineau aufgebracht. Frankreich macht aus der Lösung dieser Frage sofort eine Vorbedingung für jegliches umfassende Übereinkommen zur europäischen Relance.


Die europäischen Partner Frankreichs, zuallererst die Bundesrepublik Deutschland und die Niederlande, sind sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, finanzielle Verpflichtungen einzugehen, ohne an der Verwaltung dieser Gebiete teilzuhaben. Sie sträuben sich, möglicherweise unter Verlusten der Mittel, in soziale Vorhaben oder unrentable Infrastrukturen in Gebieten zu investieren, die zwar politisch mit Frankreich und Belgien verbunden sind, die aber angesichts der schnellen Entwicklung der internationalen Situation ihre Beziehungen zum Gemeinsamen Markt später abbrechen könnten. Darüber hinaus lassen der politische und demographische Druck in Übersee immer höhere öffentliche Investitionen voraussehen. In Sorge um das protektionistische Potenzial eines solchen Systems, das offensichtlich an die imperial preferences imperialen Präferenzen und die Preisstützung befürwortet, und in Sorge um seine mögliche Unvereinbarkeit mit den Regeln des internationalen Handels des General Agreement on Tariffs and Trade (GATT), wollen die europäischen Partner Frankreichs nicht noch weiter das politische Risiko eingehen, eine Bürgschaft auf sich zu nehmen oder sich in einer Aktion mit möglicherweise neokolonistischen Beigeschmack bloßzustellen, während der Algerienkrieg in vollem Gange ist. Angesichts dieser Befürchtungen müssen die französischen Verhandlungsführer schließlich noch eine Hauptschwierigkeit überwinden. Während Frankreich fordert, dass die genauen Beträge des von den europäischen Partnern geforderten finanziellen Aufwands , die im gegenseitigen Einverständnis festgelegt werden, im Vertrag zur EWG erscheinen, bleiben die Handelsvorteile, die diese aus der progressiven Öffnung der Überseemärkte erhoffen können, für alle Spekulationen offen.


Belgien wird am 24. und 25. Mai 1956 sofort von Frankreich angesprochen und versichert die französische Regierung Guy Mollets seiner grundsätztliche Unterstützung. Spaak lässt aber sofort wissen, dass die Bedingungen für die von Frankreich angestrebte Assoziierung die Verteidigung der aufstrebenden Überseeindustrien, den Schutz der Rohstoffe aus den PTOM, den Schutz der Absatzmärkte der mutterländischen Wirtschaft in Übersee und die Beteiligung der europäischen Länder an den öffentlichen Investitionen berücksichtigen müssen. Er besteht schließlich darauf, dass die Investitionen nicht die Ausübung der Souveränität durch das Mutterland in Frage stellen können. Kurz nach seiner Rückkehr aus Venedig bringt Spaak gegenüber seinen französischen Ansprechpartnern seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die Staaten Westeuropas sich einander annähern, um die afrikanischen Gebiete gemeinsam so umfassend wie möglich aufzuwerten. Im Herbst 1956 erarbeiten die Regierungen Belgiens und Frankreichs ein gemeinsames Memorandum über die eventuelle Teilnahme der PTOM am Gemeinsamen Markt. Sie entscheiden, dass nach Ablauf einer Übergangsphase die Beteiligung der PTOM auf einer absoluten Ausgewogenheit zwischen der Behandlung, von der die europäischen Länder in diesen Gebieten profitieren, und der, von denen die Überseegebiete im Gemeinsamen Markt profitieren, beruhen soll. Die europäischen Länder werden so behandelt wie Paris, und die PTOM werden so behandelt, wie sich die Mitgliedstaaten der EWG untereinander behandeln. Für den Absatz der aus den PTOM exportierten landwirtschaftlichen Produkte wird trotzdem ein besonderes System vorgesehen. Außerdem soll ein Investitionsfonds an die Stelle der öffentlichen Gelder treten, die von Paris über den Haushalt oder über die Ausgabe garantierter Anleihen zur Verfügung gestellt werden. Die Initiative für die Investitionsprogramme soll weiterhin ausschließlich im Zuständigkeitsbereich der verantwortlichen politischen Behörden liegen. Nach Abschluss des Prozesses zur vollständigen Assoziierung und nach der Prüfung des wirtschaftlichen Entwicklungsgrades der PTOM wird die Untersuchung der Möglichkeiten, einen gemeinsamen Markt in Afrika und später einen gemeinsamen einheitlichen Markt zwischen Europa und Afrika einzurichten, ausdrücklich ins Auge gefasst.


Am 29. November 1956 macht Spaak, der in Val Duchesse dem Ausschuss der Delegationsleiter der Regierungskonferenz für den Gemeinsamen Markt und die Euratom vorsitzt, den Vorschlag, im Rahmen der Gruppe für den gemeinsamen Markt eine Arbeitsgruppe einzurichten, die ausschließlich mit der Untersuchung aller technischen Probleme, die durch das französisch-belgische Memorandum aufgeworfen werden, betraut wird. Schon am 5. Dezember ist die ad hoc-Gruppe der für die überseischen Gebiete unter dem Vorsitz des belgischen Diplomaten Albert Hupperts, der einige Monate zuvor aktiv an der Ausarbeitung des Spaak-Berichtes teilgenommen hat, einsatzbereit. Die ad hoc-Gruppe hat den Auftrag, bis spätestens zum 13. Dezember einen neuen Bericht zu verfassen, der den Delegationsleiter und den Außenministern der sechs Mitgliedstaaten zur Weiterführung der Arbeiten vorgelegt wird. Im Laufe der Sitzungen behandeln die – sehr sachlichen – Debatten hauptsächlich den rechtlichen Status der PTOM, die von der Assoziierung betroffen sind, sowie das System der Handelsbeziehungen und die institutionelle und finanzielle Funktionsweise der Investitionsfonds.


Am 20. Dezember 1956 legt die ad hoc-Gruppe dem Ausschuss der Delegationsleiter ihren Abschlussbericht vor. Der Bericht bezieht sich ausdrücklich auf das Konzept der Außenhilfe, die im Rahmen des Marshall-Plans amerikanischer Hilfe für Europa vorherrschte, um die Form der Assoziierung der PTOM in den Gemeinsamen Markt zu rechtfertigen; das Dokument die Argumente zusammen, die von jeder Delegation im Hinblick auf die Assoziierungsform verteidigt werden. Paul-Henri Spaak wird sich daraufhin eifrigst bemühen, den französischen Forderungen zu ihrem Recht zu verhelfen, da er davon ausgeht, dass die politische Herausforderung und die wirtschaftlichen Vorteile, die man sich vom Gemeinsamen Markt verspricht, über nationalen Interessen stehen müssen. So begibt er sich am 2. Februar 1957 nach Den Haag, um den niederländischen Außenminister Joseph Luns davon zu überzeugen, seine Vorbehalte gegen die Investitionen der Gemeinschaft in den assoziierten PTOM aufzugeben. Frankreich übt seinerseits weiterhin Druck auf seine europäischen Partner aus. Im Januar 1957 erinnern die Nationalversammlung und die Versammlung der Französischen Union daran, dass der Vertrag zum Gemeinsamen Markt nicht ratifiziert werden kann, wenn die französische Delegation in Val Duchesse keine Garantien für die Überseefrage erhält. Aber die Niederlande und die BRD sträuben sich dagegen. Die Außenministerkonferenz der sechs Mitgliedstaaten am 26., 27. und 28. Januar 1957 in Brüssel führt zu keinerlei Fortschritten in dieser Angelegenheit.


Auf Ebene der Delegationsleiter herrscht eine vollständige Blockade, und so kann die endgültige Übereinkunft der sechs Mitgliedstaaten über die Assoziierungsform erst am 20. Februar anlässlich des Treffens der Regierungschefs und der Außenminister der sechs Mitgliedstaaten in Paris erzielt werden. Das endgültige Abkommen sieht vom ersten Jahr an die Abschaffung der Zollrechte, der Steuern mit vergleichbarer Wirkung und aller mengenmäßigen Beschränkungen über eine maximale Zeitspanne von zwölf bis fünfzehn Jahren für alle Erzeugnisse der PTOM auf dem europäischen Markt vor. Die sechs Mitgliedstaaten profitieren zudem von besonderen tariflichen Kontingenten für bestimmte Lebensmittel (Bananen, Rohkaffee, Kakaobohnen). Im Gegenzug dazu profitieren die Erzeugnisse der europäischen Länder in diesen Gebieten von dem System, das auf ihr Mutterland zutrifft. Es handelt sich also um eine Nicht-Diskriminierung und nicht um eine vollständige Abschaffung der Zölle, da ganz im Gegenteil die außerordentliche Erhebung von Zollzuschlägen (Einfuhr und Ausfuhr) erlaubt ist, insbesondere, um die aufstrebende Wirtschaft der PTOM zu schützen. Belgisch-Kongo erhält so eine ausdrückliche Ausnahmeregelung vom Prinzip der Handelsliberalisierung, um den nicht diskriminierenden Zolltarif (Einfuhrrecht zur Aufstockung des Budgets), der hauptsächlich steuerliche Gründe hat, beibehalten zu können. Die Produkte der assoziierten PTOM können so auf den gesamten Markt der sechs Mitgliedstaaten gelangen, mit dem Vorteil, dass die Zölle niedriger sind als die, die auf ähnliche Erzeugnisse aus Ländern, die nicht Teil der Assoziierungszone sind, angewandt werden. Die Produkte der PTOM profitieren also im Gemeinsamen Markt von einer sehr vorteilhaften Behandlung, da zur internen Liberalisierung ein Außenschutz hinzukommt.

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