Der Luxemburger Kompromiss

Der Luxemburger Kompromiss


Sechs Monate lang bleibt Frankreich Brüssel fern und boykottiert die Gemeinschaft. Doch da es um die Gefahren einer dauerhaften Isolation und deren Auswirkungen auf die Volkswirtschaft weiß, akzeptiert es letztlich neue Verhandlungen. Bei den Tagungen am 17./18. Januar und am 28./29. Januar 1966 in Luxemburg schlägt der luxemburgische Ministerpräsident und amtierende Ratsvorsitzende Pierre Werner eine Kompromisslösung vor. Dieser Kompromiss besagt, dass wenn ein Land der Ansicht ist, es stehen wesentliche Interessen auf dem Spiel, die Verhandlungen so lange fortgesetzt werden müssen, bis ein für alle Partner annehmbarer Kompromiss gefunden wird. Ist dies nicht der Fall, fordert Frankreich die Achtung der Einstimmigkeit (d.h. das Vetorecht des in der Minderheit befindlichen Staates), während die Fünf sich an den Wortlaut des Vertrags halten. Dieser Text ändert den Sinn des EWG-Vertrags grundlegend, indem er ein neues Druckmittel der Staaten auf den Rat zulässt, zumal der Kompromiss weder die wesentlichen nationalen Interessen definiert und dies somit der Auslegung durch den betroffenen Staaten überlässt, noch ein Schiedsverfahren im Falle der Uneinigkeit vorsieht.


Seit diesem Zeitpunkt berufen sich Mitgliedstaaten immer wieder auf den Luxemburger Kompromiss, wenn sie Mehrheitsentscheidungen blockieren wollen. Entgegen der wörtlichen Auslegung des Textes stützen sie sich auf den Kompromiss, um die Einstimmigkeit zur Regel in der Entscheidungsfindung zu machen. Die Delegationen haben den Luxemburger Kompromiss so zu einem Vetorecht verkommen lassen, von dem bisweilen bei zweitrangigen Problemen Gebrauch gemacht wird. Zwar hat die Luxemburger Vereinbarung die Sechs aus einer Sackgasse befreit, er hat aber auch eine Situation geschaffen, in der die Angst vor einer Blockade der Verhandlungen das Initiativrecht Kommission faktisch einschränkt. Diese politische Fehlentwicklung, die mit wachsender Mitgliederzahl der Gemeinschaft immer schwieriger zu handhaben ist, wird durch die Anwendung der Einheitlichen Europäischen Akte vom dem 1. Juli 1987, die die Anwendungsbereiche der Mehrheitsentscheidungen beträchtlich ausdehnt, teilweise korrigiert.

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