Gstaad


Der Wunsch, die föderalistischen Konzepte in die Praxis umzusetzen, veranlasst eine Reihe von Abgeordneten zur Gründung proeuropäischer Gruppen in den nationalen Parlamenten. Im Februar 1947 gründen britische Abgeordnete die Federalist Group of the House of Commons. Drei Monate später übernimmt Winston Churchill den Vorsitz des United Europe Mouvement, in dem britische Politiker und Geschäftsleute vertreten sind, die eine flexible europäische Konföderation nach dem Vorbild des britischen Commonwealth befürworten. Die französischen Volksvertreter rufen am 19. Juni 1947 auf Initiative der Union europäischer Föderalisten (UEF) die französische Fraktion der Föderalisten ins Leben. Belgien, Griechenland, Italien, Luxemburg und die Niederlande folgen.


Im Juli 1947 treten diese proeuropäischen Fraktionen im Rahmen einer ersten Konferenz im schweizerischen Gstaad unter der Bezeichnung Europäische Parlamentarier-Union (EPU) zusammen. Diese Veranstaltung findet auf Initiative des Grafen Richard Coudenhove-Kalergi statt, des charismatischen Gründers und Vorsitzenden der Paneuropa-Union. Bereits im Oktober 1946 hatte er einen Fragebogen an mehr als viertausend Parlamentarier in Westeuropa versandt, um sie zur Gründung einer europäischen Föderation im Rahmen der Vereinten Nationen zu befragen. Er erhält zahlreiche positive Antworten, was ihn dazu veranlasst, in jedem Parlament die baldige Einrichtung eines parteiübergreifenden Ausschuss zu planen. Diese sollen einen Europäischen Kongress einberufen, der bereits einen wahren Europarat erahnen lässt, den Coudenhove bereits seit mehr als dreißig Jahren fordert.


Vom 8. bis zum 10 September 1947 beruft Richard de Coudenhove-Kalergi im schweizerischen Gstaad den ersten Kongress der EPU ein, auf dem 114 europäische Abgeordnete und Senatoren aus zehn Staaten über die wirkungsvollsten Mittel zur Förderung des europäischen Föderalismus debattieren. Sie beschließen, im Rahmen der föderalistischen Parlamentsfraktionen zu handeln und den Entwurf einer europäischen Verfassung föderaler oder konföderaler Prägung auszuarbeiten, die eine Exekutive, eine Legislative und eine Judikative sowie eine gemeinsame europäischen Währung vorsieht.

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