Der Spaak-Bericht (21. April 1956)

Der Spaak-Bericht


Der Spaak-Bericht vom 21. April 1956 ist der Dreh- und Angelpunkt der Regierungsverhandlungen von Val Duchesse. Im Vorwort dieses 135 Seiten umfassenden Dokuments gehen die Delegationsleiter der Sechs von der Feststellung aus, dass zwischen dem wachsenden Einfluss der Vereinigten Staaten und der kollektivistischen Staaten die Außenstellungen Westeuropas geschwächt werden, sein Einfluss abnimmt und seine weiteren wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten aufgrund der Spaltung sinken.


Zudem sind sie der Ansicht, dass keiner der sechs Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) in der Lage ist, allein die ungeheuren Mittel für die Forschung und die grundlegenden Investitionen aufzubringen, um die im Atomzeitalter zu erwartende technische Revolution auszulösen. Diese Entwicklungen würden außerdem durch die zu eng gesteckten Grenzen der europäischen Märkte entscheidend behindert werden. Auf der Konferenz von Messina im Juni 1955 wird deshalb das Augenmerk auf zwei wesentlich Ziele gelenkt: den gemeinsamen Ausbau der Atomindustrie und die Errichtung eines allgemeinen gemeinsamen Marktes. Die im Spaak-Bericht vorgesehenen Lösungen bilden einen konkreten Aktionsplan, den die Delegationsleiter den Regierungen als Verhandlungsgrundlage für die zukünftigen Verträge vorschlagen, wobei die Regierungen rechtlich nicht an die Ergebnisse des Spaak-Ausschusses gebunden sind.


Der Bericht besteht aus drei Teilen: Der erste befasst sich mit dem gemeinsamen Markt, der zweite behandelt Euratom, und der dritte schließlich beschäftigt sich mit Sachgebieten, die vordringlich behandelt werden müssen.


I. Der gemeinsame Markt


In der Einleitung des ersten Teils wird der Begriff des gemeinsamen Marktes, der in der Entschließung von Messina nur grob umrissen wurde, genauer definiert: „Mit dem gemeinsamen Markt soll in Europa ein großer Wirtschaftsraum entstehen, in dem die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik geschaffen werden, die – gestützt auf die Einheit mächtiger Produktionskräfte – eine fortlaufende wirtschaftliche Ausweitung, größere Sicherheit gegen Rückschläge, eine beschleunigte Hebung des Lebensstandards und die Entwicklung harmonischer Beziehungen zwischen den Teilnehmerstaaten zum Ziele haben wird.“


Die Experten der Sechs sind der Ansicht, dass durch einen Zusammenschluss der einzelnen Märkte eine Verzettelung von Produktionskräften verhütet und auf kostenintensive Produktionszweige verzichtet werden kann. In ihren Augen werden durch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes neue Absatzmärkte eröffnet, die die Anwendung modernster technischer Verfahren erlauben und die Unternehmen zu mehr Investitionen in die Entwicklung und die Modernisierung der Produktion sowie zur Verbesserung der Qualität ihrer Erzeugnisse ermutigen.


Diese Vorteile können jedoch nur erzielt werden, wenn Fristen gewährt werden und wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen ein Ende gesetzt wird. Die Staaten müssen zur Sicherung der Währungsstabilität, der wirtschaftlichen Expansion und des sozialen Fortschritts zusammenarbeiten.


Der Spaak-Bericht empfiehlt deshalb die Gründung eines gemeinsamen Marktes auf regionaler Ebene, mit einer Zollunion als Grundlage. Dabei soll in drei Richtungen vorgegangen werden:


- die stufenweise Beseitigung aller protektionistischen Maßnahmen, die den Außenhandel behindern;

- die Einführung von Regeln und Verfahren, um den Auswirkungen von staatlichen Eingriffen oder Monopolstellungen zu begegnen;

- die Erschließung neuer Möglichkeiten durch die Förderung unterentwickelter Gebiete und die Nutzung bisher nicht eingesetzter Arbeitskräfte, die Unterstützung für die Umstellung der Unternehmen, die Freizügigkeit des Kapitals und der Menschen.


In dem Bewusstsein, dass solche Veränderungen nicht über Nacht geschehen können, schlagen die Verfasser des Spaak-Berichts vor, den gemeinsamen Markt in einer Übergangszeit zu verwirklichen, die in drei Etappen von jeweils vier Jahren aufgeteilt ist, mit einer möglichen Verlängerung um höchstens drei Jahre.


In der Frage der Organe war die französische Delegation in Brüssel darauf bedacht, nicht zu viel Souveränität abzugeben. Der Spaak-Bericht dagegen erklärt, dass, je flexibler im Hinblick auf die jeweilige Marktlage und die Entwicklung der Umstände verfahren werden muss, es umso notwendiger ist es, sich auf Institutionen zu stützen, deren Befugnisse klar abgegrenzt sind, und auf Verfahren zurückzugreifen, deren Mannigfaltigkeit der Vielfalt der möglichen Probleme entspricht.


Und so werden drei leitende Grundsätze vorgeschlagen:


- Erstens bleiben die allgemeinpolitischen Fragen den Regierungen vorbehalten, da die notwendige rasche Prüfung und Beschlussfassung mit der komplexen Verfahrensweise zwischenstaatlicher Beziehungen oder Organisationen unvereinbar ist.


- Weiter formuliert der Bericht eine vorsichtige Aufforderung zur Einrichtung supranationaler Organe, da er die Ansicht vertritt, dass bestimmte Beschlüsse von so ausschlaggebender Bedeutung für die Entwicklung und die Funktionsweise des Marktes sind, dass auf Grund eines Vorschlags des gemeinsamen Organs, dessen Objektivität gesichert ist, in manchen Fällen eventuell von der Regel der Einstimmigkeit zwischen den Regierungen abgesehen werden könnte.


- Schließlich werden Rechtsmittelverfahren und eine parlamentarische Kontrolle vorgesehen. Analog zum System der EKGS sieht der Bericht vier Organe vor: einen Ministerrat, in dem die Beratungen zwischen den Regierungen zur Abstimmung der allgemeinen Politik untereinander sowie mit der Gemeinschaft stattfinden und die Entscheidungen gefasst werden, die die Regierungen gemeinsam erlassen müssen; eine Europäische Kommission, die die Anwendung der Verträge gewährleistet und über die Funktionsweise und die Entwicklung des gemeinsamen Marktes wacht; ein Gerichtshof, der über Klagen wegen Verletzung des Vertrages durch die Staaten oder die Unternehmen und Anträge auf Aufhebung von Entscheidungen der Kommission entscheidet; und schließlich eine parlamentarische Kontrolle durch die Gemeinsame Versammlung der EGKS.


Ein Investitionsfonds als unabhängige Körperschaft soll die Verwirklichung von Vorhaben von europäischem Interesse, die Finanzierung der regionalen Entwicklungspläne und die Umstellung von Unternehmen erleichtern.


1. Die Zollunion


Für die Zollunion fordert der Spaak-Bericht den schrittweisen Abbau der Zölle. Er sieht eine erste Senkung um 10 % am Ende des ersten Jahres, dann erneut um je 10 % im Abstand von 18 Monaten vor, wodurch eine erste Etappe von 30 % in vier Jahren erreicht würde. In der Folge würde die Reduzierung in ähnlicher Weise erfolgen. Die erste Senkung würde linear vorgenommen werden. Die Reduzierung um den Prozentsatz wird danach nicht auf ein Erzeugnis angewandt, sondern als Durchschnitt auf Warengruppen. Bei jeder Senkung würde der Durchschnitt mit dem Wert der Einfuhren aus den übrigen Ländern der Gemeinschaft über einen Zeitraum von drei Jahren, für den Statistiken vorliegen, gewichtet werden. Hohe Zölle sollten mindestens um die Hälfte des allgemeinen Senkungssatzes gesenkt werden. Ausgangspunkt können nicht die auf dem Papier stehenden Zölle sein, sondern ein Durchschnitt der in den drei vorhergehenden Jahren erhobenen Zölle. Die Abschaffung der Zölle auf dem gemeinsamen Markt sollte einhergehen mit der Einführung eines einheitlichen Außentarifs für den Verkehr mit dritten Ländern.


In der Überzeugung, dass die Einführung des gemeinsamen Tarifs gemäß möglichst einfachen Berechnungsmethoden geschehen muss, betonen die Verfasser des Berichts die Notwendigkeit, strukturelle Unterschiede zwischen den Erzeugerländern und den Einfuhrländern zu berücksichtigen und eine Verhandlungsgrundlage für spätere Beziehungen mit Drittländern zu schaffen. Die vorgesehenen Mechanismen definieren schließlich ein Zollniveau, das sich mit den GATT-Vorschriften vereinbaren lässt und sich auf das arithmetische Mittel der bestehenden Zollsätze stützt.


2. Die Kontingentierungen


Der Spaak-Bericht sieht die Abschaffung der Kontingentierungen vor:


a. durch die Konsolidierung der in der OEEC erzielten Ergebnisse bis zu einem Datum, das mit der ersten Senkung der Zölle im Rahmen des Vertrages zusammenfallen könnte;


b. danach auf Grundlage des folgenden Prinzips: Man käme über die jährlicher Erweiterung der Kontingente, beispielsweise um 20 %, für sämtliche Erzeugnisse überein. Durch die fortschreitende Erweiterung würden die Kontingente unwirksam und könnten schließlich ohne Schwierigkeiten aufgehoben werden.


Für besonders restriktive Kontingente käme zunächst ein Basiskoeffizient, beispielsweise 1 % der nationalen Produktion des betreffenden Erzeugnisses, zur Anwendung, um anschließend zur normalen jährlichen Erweiterung überzugehen.


Für die Experten der Sechs geht die Abschaffung der Ausfuhrbeschränkungen in die anderen Länder der Gemeinschaft unvermeidbar mit der Abschaffung der Einfuhrbeschränkungen oder der Zölle einher. Dasselbe gilt für die Abgaben bei der Ausfuhr, die in manchen Fällen erhoben werden, und deren Beibehaltung mit der Funktionsweise des gemeinsamen Marktes unvereinbar wäre.


3. Die Dienstleistungen


Der Spaak-Bericht setzt voraus, dass die Wirtschaftsleistungen sich nicht nur auf Waren, sondern in zunehmendem Maße auch auf Dienstleistungen erstrecken: Verkehr, Versicherungen, Bank- und Finanzwesen, Groß- und Einzelhandel, Hotel- und Gaststättengewerbe, personenbezogene Dienstleistungen, freie Berufe und öffentliche Verwaltung.


Mit Vorrang sollen diejenigen Dienstleistungen behandelt werden, deren Liberalisierung zur reibungslosen Funktionsweise des gemeinsamen Marktes für Güter beiträgt. Dafür muss darauf geachtet werden, dass jegliche Diskriminierung nach Wohnsitz und Staatsangehörigkeit abgeschafft wird, mit Ausnahme des Zugangs zum öffentlichen Dienst. Schließlich betonen die Verfasser des Berichts die Notwendigkeit, eine möglichst weitgehende Gleichwertigkeit und Gleichstellung der Universitätsdiplome anzustreben.


4. Die Landwirtschaft


Für die Verfasser des Spaak-Berichts ist die Einrichtung eines allgemeinen gemeinsamen Marktes in Europa ohne die Einbeziehung der Landwirtschaft undenkbar. Ihrer Ansicht nach ist sie eine der Voraussetzungen für ein Gleichgewicht des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. Sie geben jedoch zu, dass aufgrund der sozialen Struktur der Landwirtschaft, der Notwendigkeit einer regelmäßigen Versorgung, der Schwankungen des Marktes durch Witterungseinflüsse und mangelnde Elastizität der Nachfrage für bestimmte Erzeugnisse in diesem Sektor besondere Probleme bestehen. Ihrer Meinung nach könnten durch die Bildung gemeinsamer Marktorganisationen die Einfuhren beträchtlicher Mengen an landwirtschaftlichen Erzeugnissen verringert werden, deren Verbrauch nicht elastisch ist, und der Verbrauch anderer Erzeugnisse könnte gesteigert werden.


Eine Übergangszeit sowie besondere Verfahren könnten notwendig werden, um einen schrittweisen Ausgleich der Preisunterschiede zu gewährleisten. Am Ende dieser Übergangszeit werden die nationalen Vorschriften – sowohl für die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft als auch für die Beziehungen mit dritten Ländern – durch ein gemeinsames System ersetzt worden sein.


5. Die Wettbewerbsregeln


Der Spaak-Bericht geht davon aus, das der gemeinsame Markt nicht automatisch zur rationellsten Arbeitsteilung führen wird, wenn die Verbraucher weiterhin durch die Lieferanten besonders wegen ihrer Staatsangehörigkeit oder des Landes ihres Wohnsitzes zu unterschiedlichen Bedingungen beliefert werden können. Die Diskriminierung muss daher verboten werden.


Gleichzeitig muss der Vertrag Wege vorsehen, um zu verhindern, dass Staatshilfen oder marktbeherrschende Praktiken (Aufteilung der Märkte durch Absprachen unter Unternehmen, Absprachen zur Einschränkung der Produktion oder Begrenzung des technischen Fortschritts, völlige oder teilweise Beherrschung des Marktes eines Produkts durch ein einziges Unternehmen) die Verwirklichung der grundlegenden Ziele des gemeinsamen Marktes vereiteln.


Die Berichtigung der Verzerrungen und die Angleichung der Rechtsvorschriften werden schließlich als weitere Ziele der von den Sechs verfolgten Politik definiert.


6. Der Verkehr


Im Transportwesen, das für das Funktionieren des gemeinsamen Marktes notwendig ist, empfiehlt der Spaak-Bericht eine Änderung der Transportarife und -bedingungen in den internationalen Verkehrsbeziehungen sowie die Ausarbeitung einer allgemeinen gemeinsamen Verkehrspolitik sowie die Finanzierung von im europäischen Interesse liegenden Investitionen.


7. Die Zahlungsbilanz


Die Delegationsleiter kommen zu dem Schluss, dass die Einrichtung und die reibungslose Funktionsweise eines gemeinsamen Marktes voraussetzen, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um Störungen des Gleichgewichts der Zahlungsbilanzen zu vermeiden und gleichzeitig einen hohen Beschäftigungsstand zu gewährleisten. Durch den gegenseitigen Beistand der Mitgliedstaaten lassen sich die Beibehaltung oder Wiedereinführung von Beschränkungen sowie Rückschlage in der gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Expansion verhüten. Dieser Beistand wird sich in erster Linie auf die allgemeinen Organisationen wie z.B. die Europäische Zahlungsunion und den Internationalen Währungsfonds (IWF) stützen; darüber hinaus kann er mit der fortschreitenden Verwirklichung des gemeinsamen Marktes zusätzliche Formen annehmen.


8. Entwicklung und volle Nutzung der europäischen Produktivkräfte


Der Spaak-Bericht sieht zwei Finanzinstrumente zur Gewährleistung einer ausgeglichenen und reibungslosen Entwicklung des gemeinsamen Marktes vor.


1. Einen Investitionsfonds, der gleichzeitig über umfangreiche Ressourcen verfügt und selbst als Kreditnehmer erster Ordnung auf den europäischen und internationalen Kapitalmärkten auftreten kann, erscheint unerlässlich für die Finanzierung von Projekten, die sich aufgrund ihres Wesens oder ihres Ausmaßes nicht leicht zur Finanzierung durch die Finanzierungsmittel der sechs Einzelstaaten eignen. Dieser Investitionsfonds soll außerdem die gemeinsame Entwicklung der weniger begünstigten Regionen fördern.


2. Das zweite von den Delegationsleitern geplante Entwicklungsinstrument ist ein Anpassungsfonds für die Arbeitnehmer.


9. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und des Kapitals


In Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer befürwortet der Spaak-Bericht ein System der schrittweisen Einführung der Freizügigkeit in Form einer vorab vereinbarten jährlichen Erhöhung der Zahl der Arbeitnehmer der übrigen Mitgliedstaaten, die von den einzelnen Staaten als Arbeitssuchende zugelassen werden müssten.


Zudem setzt der freie Kapitalverkehr voraus, dass die mit dem Warenverkehr oder den Bewegungen der Arbeitnehmer verbundenen Überweisungen ebenfalls liberalisiert werden. Die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten müssen das uneingeschränkte Recht haben, Kapitalien aus den Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft zu erwerben, zu überweisen und zu verwenden.


II. Euratom


In Bezug auf die Atomenergie und vor allem auf Veranlassung von Louis Armand betont der Spaak-Bericht die Notwendigkeit, ihre Forschungs- und Investitionsanstrengungen zusammenzulegen. Euratom wird ihre Arbeit auf fünf große Themengebiete konzentrieren müssen:


1. Entwicklung der Forschung und Informationsaustausch: Die europäische Atomenergiekommission, der ein Sachverständigenbeirat für Wissenschaft und Wirtschaft zur Seite steht, muss in Verbindung mit den bereits bestehenden Institutionen ein Forschungszentrum und Ausbildungsstätten für Spezialisten schaffen. Der größte Teil der Forschungen würde weiterhin in jedem Land von den öffentlichen oder privaten Einrichtungen oder durch die Industrie selbst durchgeführt. Um eine aufeinander abgestimmte Entwicklung der Forschungen zu erleichtern, wird die Europäische Kommission hinweisende Projektionsziele für die Kernenergie aufstellen, die die Erfordernisse im Rahmen des gegebenen Bedarfs umreißen. Die Abstimmung zwischen den Rechten der Erfinder oder der Eigentümer der Entdeckungen und den Interessen der Gemeinschaft wird auf der Grundlage der Freiwilligkeit gesucht werden, z.B. durch Förderung des Abschlusses von Patentnutzungsverträgen.


2. Sicherheitsregeln und -kontrollen: Die Kommission wird die Ausarbeitung eines absoluten Schutzes der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren der Radioaktivität zur Aufgabe haben.


3. Entwicklung der Investitionen und gemeinsame Einrichtungen: Die Rolle von Euratom im Bereich der Investitionen wird ihrer Aufgabe im Bereich der Forschung entsprechen, d.h. sie wird die Gründung gemeinsamer Einrichtungen ermöglichen, deren Finanzierung die Mittel der Unternehmen oder der sechs Einzelstaaten übersteigt.


4. Versorgung mit Erzen und Kernbrennstoffen: Euratom müsste eine Ankaufspriorität für die noch freien Erzaufkommen in den Mitgliedstaaten oder in den unter ihrer Verwaltung stehenden Gebieten zuerkannt werden. Diese Ankaufspriorität hat zwei Auswirkungen: Wenn die Kaufpreise nicht auf rein vertraglicher Grundlage festgelegt werden können, müsste die Europäische Atomenergiekommission mit Hilfe eines gemischten Ausschusses aus Produzenten und Verbrauchern die Preise durch Schiedsspruch regeln, wogegen vor dem Gerichtshof Klage eingereicht werden kann. Andererseits müsste zu der kommerziellen Verhandlung durch die Produzenten eine politische Verhandlung durch Euratom hinzutreten, die sich auf die von den Käufern zu gebenden Sicherheitsgarantien bezieht. Die Modalitäten, unter denen Erze und Kernbrennstoffe den Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden, müssen den nicht diskriminierenden Zugang zu den Versorgungsquellen und die Kontrolle der Verwendung dieser Stoffe gewährleisten. Zur Ausführung dieser Versorgungsaufgaben richtet die Kommission eine Agentur mit kaufmännischer Geschäftsführung ein, die finanziell selbständig ist, ihr aber direkt untersteht.


5. Die Einrichtung eines gemeinsamen Marktes auf dem Atomgebiet: Der Spaak-Bericht ist der Ansicht, dass die Schaffung eines gemeinsamen Marktes für Materialien, Hilfsmittel und Spezialausrüstungen, besondere Erleichterungen für Investitionen in der Kernindustrie sowie die Freizügigkeit der Fachleute als unerlässliche Voraussetzungen für die Entwicklung der Atomenergie in Europa gefördert werden müssen.


In institutioneller Hinsicht sind die Verfasser des Berichts der Meinung, dass die Verantwortung nur übernommen werden kann, wenn die laufende Verwaltung der Atomgemeinschaft einem ständigen Organ anvertraut wird, das in der Lage ist, schnell zu handeln, d.h. einer europäischen Kommission, deren Mitglieder – in möglichst geringer Zahl – im Einvernehmen zwischen den Regierungen bestellt würden und eigene Befugnisse und ein eigenes Mandat hätten. Diese Kommission wäre der Versammlung gegenüber verantwortlich, der der Haushalt zur Zustimmung unterbreitet werden würde, bevor es vom Rat mit qualifizierter Mehrheit angenommen würde.


III. Sachgebiete, die vordringlich behandelt werden müssen


Zu den Sachgebieten, die vordringlich behandelt werden müssen, zählen die Delegationsleiter:


1. die Energie: Aufgrund der Feststellung, dass Erdöl die Angelegenheit der großen internationalen Konzerne ist, die den europäischen Rahmen übersteigen, und dass Gas und Strom eine Verteilung auf nationaler Ebene erfordern, sieht der Spaak-Bericht keinen Anlass, den gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl mit Vorrang auf die anderen Energiequellen auszudehnen. Ein begrenztes Vorgehen scheint trotzdem dringlich, da die Energie zunehmend knapp und teuer wird.


2. den Luftverkehr: In diesem Bereich weist der Spaak-Bericht vor allem auf die Notwendigkeit hin, die gemeinsame Finanzierung des für den Luftverkehr notwendigen Materials, die Ausweitung des Rechts auf die Nutzung des Materials einer anderen Gesellschaft sowie das Recht zur gewerblichen Zwischenlandung auf europäischer Ebene zu organisieren.


3. das Post- und Fernmeldewesen: Die Empfehlungen der Delegationsleiter zielen unter anderem auf die Gründung einer begrenzten Postunion, die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Postverwaltungen und die Ausarbeitung einer europäischen Nachtflugpost ab.


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