Power to legislate
Die Gesetzgebungsbefugnis
Während im Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) von 1951 keine Gesetzgebungsbefugnisse für die Versammlung vorgesehen sind, erhält sie durch die Römischen Verträge von 1957 eine Rolle in der Ausübung der Legislativgewalt, und in zahlreichen Fällen muss sie eine Stellungnahme abgeben, bevor der Rat oder die Kommission einen Beschluss fassen.
Diese beratende Rolle hat sich parallel zum Parlament weiter entwickelt, dessen Befugnisse im Laufe der Jahre beachtlich ausgeweitet wurden, sodass es gleichberechtig neben dem Rat zum Gesetzgeber geworden ist.
Das Europäische Parlament nimmt in unterschiedlichem Maße am Gesetzgebungsprozess teil, je nach dem Verfahren, das zur Ausarbeitung der gemeinschaftlichen Rechtsakte angewendet wird:
– Konsultationsverfahren
– Konzertierungsverfahren
– Zustimmungsverfahren
– Verfahren der Zusammenarbeit
– Mitentscheidungsverfahren>
Konsultation
Das Konsultationsverfahren wird in den Fällen angewandt, in denen kein anderes Verfahren vorgesehen ist. Der Rat entscheidet auf Vorschlag der Kommission und nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments. Die Kommission und der Rat berücksichtigen die vom Parlament vorgeschlagenen Abänderungen und geben im Allgemeinen informelle Stellungnahmen ab, um die Annahme oder die Ablehnung der Abänderungen zu rechtfertigen. Die Konsultation kann obligatorisch oder fakultativ sein.
Konzertierungsverfahren
Das Verfahren der Konzertierung zwischen dem Parlament und dem Rat wurde mit der Gemeinsamen Erklärung vom 4. März 1975 eingeführt. Es kann „für die gemeinschaftlichen Rechtsakte von allgemeiner Tragweite angewandt werden, die ins Gewicht fallende finanzielle Auswirkungen haben und deren Erlass nicht schon auf Grund früherer Rechtsakte geboten ist“.
Bei der Vorlage eines Vorschlags gibt die Kommission an, ob der betreffende Rechtsakt nach ihrer Ansicht Gegenstand des Konzertierungsverfahrens sein könnte. Das Europäische Parlament kann bei Abgabe seiner Stellungnahme die Eröffnung dieses Verfahrens verlangen; auch der Rat ist hierzu befugt. Die Konzertierung, deren Ziel die Herbeiführung eines Einvernehmens zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat ist, findet in einem „Konzertierungsausschuss“ statt, der sich aus dem Rat und Vertretern des Europäischen Parlaments zusammensetzt. Die Kommission nimmt an den Arbeiten des Konzertierungsausschusses teil.
Der Rat fasst einen endgültigen Beschluss nach einer neuen Stellungnahme, die das Europäische Parlament abgeben kann, wenn eine hinreichende Annäherung der Standpunkte der beiden Organe erreicht ist.
Zustimmungsverfahren
Der Rat entscheidet auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments. Die Zustimmung ist in folgenden Fällen notwendig:
- für die Übertragung von besonderen Aufgaben an die Europäische Zentralbank (Artikel 105.6 EG-Vertrag),
- für die Veränderung bestimmter Artikel der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (Artikel 107.5 – ehemaliger Artikel 106.5 – des EG-Vertrags),
- für die Festlegung der Aufgaben, Ziele und Organisation von Strukturfonds (Artikel 161 – ehemaliger Artikel 130 D – des EG-Vertrags),
- für die Festlegung eines einheitlichen Wahlverfahrens zum Europäischen Parlament (Artikel 190 –ehemaliger Artikel 138 – des EG-Vertrags),
- für den Abschluss von Assoziierungsabkommen, die auf Artikel 310 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) begründet sind, für den Abschluss von Abkommen, die durch die Einführung von Zusammenarbeitsverfahren einen besonderen institutionellen Rahmen schaffen, für den Abschluss von Abkommen mit erheblichen finanziellen Folgen für die Gemeinschaft und für Abkommen, die eine Änderung eines nach dem Mitentscheidungsverfahren angenommenen Rechtsaktes bedingen (Artikel 300 – ehemaliger Artikel 228 – des EG-Vertrags),
- für die Feststellung einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung der Grundsätze der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit (Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union),
- für die Entscheidung betreffend den Beitritt neuer Mitgliedstaaten (Artikel 49 – ehemaliger Artikel O – des Vertrags über die Europäische Union).>
Verfahren der Zusammenarbeit
Das Kooperationsverfahren (Artikel 252 – ehemaliger Artikel 189 C – des EG-Vertrags) wurde mit der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 für bestimmte Bereiche wie beispielsweise Maßnahmen betreffend die Einrichtung und die Arbeitsweise des Binnenmarktes eingeführt. Nach dem Vertrag über die Europäische Union von 1992 wird das Kooperationsverfahren in all den Fällen angewandt, in denen der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließen muss.
In einer ersten Lesung gibt das Parlament eine Stellungnahme zu dem von der Kommission vorgelegten Entwurf ab. Der Rat, der mit qualifizierter Mehrheit beschließt, legt einen gemeinsamen Standpunkt fest, der an das Parlament weitergeleitet wird. Innerhalb von drei Monaten kann das Parlament den Standpunkt des Rates annehmen, ablehnen oder abändern. In den beiden letzten Fällen muss das Parlament mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder beschließen. Wenn es den gemeinsamen Standpunkt ablehnt, kann der Rat in zweiter Lesung nur mit Einstimmigkeit beschließen.
Kommt es zu einer Abänderung durch das Parlament, überprüft die Kommission den Entwurf erneut innerhalb von einem Monat. Anschließend leitet sie die vom Parlament vorgenommenen Abänderungen, die sie nicht übernommen hat, zusammen mit dem von ihr überarbeiteten Entwurf weiter und gibt eine Stellungnahme dazu ab. Innerhalb einer Frist von drei Monaten, die um einen weiteren Monat verlängert werden kann, kann der Rat den überarbeiteten Entwurf mit qualifizierter Mehrheit annehmen. Er kann ihn einstimmig abändern oder die von der Kommission nicht übernommenen Änderungsvorschläge des Parlaments ebenfalls einstimmig annehmen. Falls es in der vorgesehenen Frist zu keiner Entscheidung kommt, gilt der Entwurf der Kommission als nicht angenommen.
Mit der Revision durch den Vertrag von Amsterdam von 1997 wurde das Kooperationsverfahren abgeschafft und durch die Mitentscheidung in allen betroffenen Bereichen ersetzt, außer in der Wirtschaftspolitik (Artikel 99, 102 und 103 – ehemalige Artikel 103, 104 und 104 B – des EG-Vertrags) und der Währungspolitik (Artikel 106 – ehemaliger Artikel 105 A – des EG-Vertrags).
Mitentscheidung
Das Mitentscheidungsverfahren (Artikel 251 – ehemaliger Artikel 189 B – des EG-Vertrags) wurde 1992 mit dem Vertrag über die Europäische Union eingeführt, um die Beteiligung des Parlaments am gesetzgebenden Prozess zu stärken. Die Mitentscheidung beinhaltet folgende Unterschiede gegenüber dem Verfahren der Zusammenarbeit:
- die Möglichkeit, einen Text in erster Lesung anzunehmen, wenn das Parlament keine Änderungsvorschläge macht oder wenn der Rat alle vom Parlament vorgeschlagenen Änderungsvorschläge übernimmt,
- die Einführung einer Schlichtungsphase zwischen den Vertretern des Rates und des Parlaments, für den Fall, dass der Rat nicht alle vom Parlament unterbreiteten Änderungsvorschläge in zweiter Lesung übernimmt.
Das Mitentscheidungsverfahren wurde durch den Vertrag von Amsterdam von 1997 deutlich vereinfacht. Seine Anwendung wurde durch die Verträge von Amsterdam und von Nizza von 2001 auf neue Bereiche ausgedehnt.