Die EWG und das GATT
Die EWG und das GATT
Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wirft die Frage nach ihren Beziehungen mit den internationalen Wirtschaftsorganisationen auf. Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade oder GATT) wird am 10. Oktober 1947 in Genf von 23 Staaten unterzeichnet, die ihre Zölle senken wollen; dieses Abkommen deckt zu diesem Zeitpunkt fast die Hälfte des Umfangs des Welthandels ab. Es handelt sich dabei um die ersten multilateralen Zollverhandlungen in der Geschichte. Der Vertrag sieht die Ausweitung des internationalen Handels auf Grundlage des Freihandels vor. Er tritt am 1. Januar 1948 in Kraft. Seine beiden Grundprinzipien sind:
- die Nicht-Diskriminierung
Diesem auch als „Meistbegünstigungsklausel“ bezeichneten Grundsatz zufolge müssen die zwischen zwei GATT-Vertragsstaaten vereinbarten handelspolitischen Vergünstigungen auf alle anderen Vertragspartner übertragen werden, mit Ausnahme der Entwicklungsländer, die eine Sonderbehandlung genießen.
- der Ausgleich
Diese Bestimmung zwingt einen Vertragsstaat, der eine Vergünstigung abschafft, einen Ausgleich zu schaffen, der dem entstandenen Nachteil entspricht.
Der Vertrag über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wird dem GATT vor seinem Inkrafttreten vorgelegt und dort heftig kritisiert, vor allem was den gemeinsamen Außenzoll, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und das System zur Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete (ÜLG) angeht. Einige GATT-Vertragsstaaten befürchten, dass die EWG protektionistische Maßnahmen ergreift, die den Grundsätzen des GATT zuwiderlaufen. Die Vereinigten Staaten sind ihrerseits mit einem großen Defizit ihrer Zahlungsbilanz konfrontiert und wollen ihren Absatz auf dem europäischen Binnenmarkt erhöhen. Im November 1958 schlägt der amerikanische Unterstaatssekretär Douglas Dillon die Aufnahme von multilateralen Verhandlungen zur Senkung der Zölle zwischen den GATT-Signatarstaaten vor. Das Genfer Abkommen sieht einen Ausgleich für Drittstaaten vor, wenn einige Mitgliedstaaten des GATT eine Zollunion bilden. Daher beschließt die EWG 1960 die Senkung ihres gemeinsamen Außenzolls um 20 %, an den die Sechs ihre nationalen Zölle anpassen müssen. Die Dillon-Verhandlungen oder Dillon-Runde führen schließlich zu einer durchschnittlichen Senkung des GAZ der EWG um 6,5 %.
Im Mai 1964 eröffnet das GATT in Genf die Verhandlungen der so genannten Kennedy-Runde. Sie werden am 15. Mai 1967 abgeschlossen. Die Vereinigten Staaten wollen ihre Exporte ausbauen, was jedoch den schrittweisen Abbau der Handelshemmnisse voraussetzt. Bereits 20 % der amerikanischen Exporte gehen in Richtung des gemeinsamen europäischen Marktes. Die Mitgliedstaaten der EWG ihrerseits fordern erneute Zollsenkungen in den Beziehungen mit den Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation. Bereits zu Beginn der Verhandlungen verständigen sich die Vereinigten Staaten und die EWG auf eine maximale Senkung aller Zölle auf 50 % über einen Zeitraum von fünf Jahren und eine Angleichung der höchsten Zollsätze. Aber der amerikanische Kongress lehnt eine allgemeine Kappung ab und definiert eine Höchstgrenze für den Zollabbau für eine Reihe von Erzeugnissen sowie Ausnahmeregelungen. Die sektorbezogenen GATT-Verhandlungen führen zwischen 1968 und 1972 zu einer Senkung von durchschnittlich 35 % auf Industriegüter, die drei Viertel des Welthandels ausmachen. Insgesamt ist die EWG in der Landwirtschaft zwar sehr protektionistisch geprägt, im Bereich der Industrieerzeugnisse ist sie es dagegen sehr viel weniger.