Attributions
Befugnisse des Rates der Europäischen Union
Die Befugnisse, die dem Rat in den Verträgen erteilt wurden, waren nicht für alle drei Gemeinschaften gleich. Es gab beträchtliche Unterschiede zwischen dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), der am 23. Juli 2002 auslief, und den Verträgen zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG oder Euratom).
In der EGKS von 1951 war die Hohe Behörde das wichtigste Organ und der Besondere Ministerrat spielte nur eine untergeordnete Rolle, die vor allem in der Abstimmung der Tätigkeit der Kommission und der für die allgemeine Wirtschaftspolitik ihrer Länder verantwortlichen Regierungen bestand.
Die Römischen Verträge von 1957 kehren das Machtverhältnis der EGKS um, und der Rat wird zum Gravitationszentrum des institutionellen Gefüges, da er die Hauptentscheidungsbefugnis erhält. Ein Vergleich von Artikel 8 des EGKS-Vertrags und Artikel 145 Absatz 1 des EG-Vertrags, die die Befugnisse der Hohen Behörde beziehungsweise des Rates festlegen, ist sehr aufschlussreich. Die allgemeinen Handlungsvorgaben für beide Organe sind ähnlich: für die Verwirklichung der Ziele des Vertrags nach dessen Maßgabe zu sorgen.
Die Befugnisse des Rates jeder einzelnen Gemeinschaft werden vom einheitlichen Rat, der durch den Fusionsvertrag von 1965 eingerichtet wurde, übernommen. Die Schaffung des einheitlichen Rates bedeutet jedoch nicht die Fusion der Verträge an sich, und die Befugnisse des Rates unterscheiden sich weiterhin von einer Gemeinschaft zur anderen.
Artikel 202 des EG-Vertrags (der frühere Artikel 145 des EWG-Vertrags) wurde seit Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte im Jahre 1987 nicht modifiziert. Dieser Artikel legt die Hauptbefugnisse des Rates folgendermaßen fest: Er sorgt für die Abstimmung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, er besitzt eine Entscheidungsbefugnis, und er überträgt der Kommission in den von ihm angenommenen Rechtsakten die Durchführungsbefugnis für die Vorschriften, die er erlässt.
Neben diesen allgemeinen Befugnissen, die durch bestimmte Vertragsbestimmungen geregelt sind, hat der Rat nach Artikel 208 bis 210 des EG-Vertrags weitere, untergeordnete Befugnisse: Er kann die Kommission auffordern, Untersuchungen vorzunehmen, er regelt die rechtliche Stellung der im Vertrag vorgesehenen Ausschüsse und setzt die Gehälter und Vergütungen der Mitglieder der Organe fest.
Der Rat ernennt außerdem die Mitglieder des Rechnungshofes, des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen. Nach den durch den Vertrag von Nizza aus dem Jahre 2001 eingetretenen Änderungen beschließt der Rat nicht mehr einstimmig, sondern mit qualifizierter Mehrheit. Eine Anhörung des Europäischen Parlaments ist nur zur Ernennung der Mitglieder des Rechnungshofes erforderlich (Artikel 247, 258 und 263 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Artikel 160 B und 166 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft). Seit dem Vertrag von Nizza benennt der Rat, der in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs tagt, mit qualifizierter Mehrheit die Person, die er zum Präsidenten der Kommission zu ernennen beabsichtigt.
Im Rahmen der beiden Bereiche der Regierungszusammenarbeit, die durch den Vertrag über die Europäische Union im Jahre 1992 eingerichtet wurden – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres –, ist der Rat die wichtigste Instanz zur Koordinierung und Beschlussfassung (Titel V und VI des EU-Vertrags).