Der europäische Gedanke

Der europäische Gedanke


Das Ideal der europäischen Einheit, das von einigen Eliten schon zwischen den beiden Weltkriegen propagiert worden war, findet nach dem Zweiten Weltkrieg schnell weite Verbreitung. Tausende junger Menschen träumen von einem geeinten Europa und von einer vereinten, friedlichen Welt. Während der Wiederaufbau nach dem Krieg höchste Priorität hat, fordern viele die Schaffung einer autonomen europäischen Einheit. Um die Spaltung der Welt in zwei antagonistische Blöcke und den Krieg, der sich unweigerlich daraus ergeben würde, zu verhindern, scheint die Entstehung eines dritten Pols tatsächlich unverzichtbar. In diesem Zusammenhang fordern immer mehr Stimmen die Neutralität der westlichen Staaten zwischen dem amerikanischen Materialismus und dem sowjetischen Totalitarismus. Aber das Konzept der Blockfreiheit, das mit der Verschärfung des Kalten Krieges immer schwieriger umzusetzen ist, wird bald nur noch von pazifistischen und internationalistischen Bewegungen verteidigt. Diese finden sich im Stockholmer Appell zusammen, der im März 1950 vom Weltkongress der Kämpfer für den Frieden veröffentlicht wird und ein absolutes Verbot von Kernwaffen in der Welt fordert.


Was jedoch die Form und die genauen Bedingungen dieser Vereinigung Europas angeht, gehen die Meinungen je nach politischer und ideologischer Überzeugung oft auseinander. Während sich die einen für eine Föderation unter der Leitung einer föderalen Behörde oder sogar einer europäischen Regierung aussprechen, ziehen die anderen einen einfachen Bund souveräner Staaten vor. Von der Notwendigkeit der Förderung eines europäischen Ideals in der Politik und in der Öffentlichkeit überzeugt, gründen mehrere Anhänger der europäischen föderalen Einheit im Jahr 1946 die Europäische Union der Föderalisten, in der etwa fünfzig föderalistische Bewegungen vertreten sind. Zudem werden zahlreiche internationale Kongresse veranstaltet, um die Idee in die Realität umzusetzen.


In den nationalen Parlamenten, vor allem in Belgien, Frankreich, Italien und den Niederlanden, gewinnen die Anhänger des Föderalismus zunehmend an Bedeutung. Im Jahr 1947 beschließt Richard de Coudenhove-Kalergi, Gründer der Paneuropa-Union, diese Abgeordneten in der Europäischen Parlamentarier-Union (EPU) zu versammeln. Dank einer besseren Organisation können die Parlamentsvertreter so Druck auf die nationalen Regierungen ausüben.

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