Die Saarfrage


Das Saargebiet ist von der französischen Besatzungszone in Deutschland getrennt und bildet seit 1947 eine Zoll-, Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich. Die Regierung des Saarlandes genießt dabei zwar eine politische Autonomie, verbleibt aber unter der Kontrolle eines Vertreters Frankreich, des Hohen Kommissars Gilbert Grandval. Es existiert also in wirtschaftlicher Hinsicht eine wirkliche Grenze zwischen dem Saarland und Deutschland. Die Amerikaner und die Briten unterbinden jedoch sehr schnell die französischen Versuche, das Saarland noch enger an Frankreich zu binden.


Die Bundesregierung fordert ihrerseits offen das Ende des besonderen Saarstatuts und die Wiedereingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland (BRD). Und Bundeskanzler Konrad Adenauer will die Verhandlungen über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) nutzen, um diese Frage in seinem Sinne zu lösen. Gleichzeitig bedient er sich der Plattform des Europarates, um hinsichtlich des Anschlusses des Saarlandes an sein Mutterland Druck auf Frankreich auszuüben. Aufgrund seiner eigenen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen lehnt Frankreich es ab, diesen Forderungen Folge zu leisten. Obwohl Adenauer nicht beabsichtigt, seine Territorialansprüche aufzugeben, unterzeichnet Frankreich den Vertrag zur Gründung der EGKS im Namen der Saarbrücker Regierung. Frankreich wird diese Regierung im Besonderen Ministerrat der EGKS vertreten, während der saarländische Landtag seine eigenen Vertreter in die Gemeinsame Versammlung entsenden kann. Über diesen Kompromiss hinaus bleibt die Saarfrage jedoch ein Anlass zu Unstimmigkeiten zwischen den beiden Ländern.


Im Herbst 1953 gibt der Europarat einen neuen Anstoß für die Verhandlungen, um eine Lösung für die Saarfrage zu finden. In der Beratenden Versammlung schlägt der niederländische Delegierte Marinus van der Goes van Naters vor, das Saarland zu einem europäischen Gebiet zu machen. Der immer stärkere Druck der internationalen Gemeinschaft und das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) im August 1954 werden Frankreich dazu zwingen, seine Haltung zu ändern. Am 23. Oktober 1954 unterzeichnen die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich die Pariser Abkommen, mit denen das Besatzungsregime in Westdeutschland beendet und die Saarfrage gelöst wird. Es wird beschlossen, dem Saarland im erweiterten Rahmen der Westeuropäischen Union (WEU) ein europäisches Statut zu geben. Dieses Abkommen muss jedoch noch von der saarländischen Bevölkerung, die sich nur schwer mit der französischen Präsenz auf ihrem Hoheitsgebiet abfindet, gebilligt werden.


In einer Volksabstimmung am 23. Oktober 1955 lehnen die Saarländer das europäische Statut der Pariser Abkommen mit 67,7 % der abgegebenen Stimmen ab. Frankreich muss nunmehr den Gedanken einer Rückkehr des Saarlandes zu Deutschland akzeptieren. Am 27. Oktober 1956 unterzeichnen Frankreich und die Bundesrepublik die Luxemburger Verträge über die politische Wiedereingliederung des Saarlandes in die BRD zum 1. Januar 1957. Mit dieser Unterzeichnung wird ein lange währender Streit in den deutsch-französischen Beziehungen beigelegt. Außerdem regt er die Verhandlungen über den Bau des Moselkanals zwischen Frankreich, Luxemburg und Deutschland an.

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