Die Probleme zwischen Frankreich und Deutschland

Die deutsch-französischen Probleme


Bei Kriegsende stehen in Frankreich vor allem die Sicherheit und der wirtschaftliche Aufschwung im Vordergrund. Man ist sich jedoch auch bewusst, in welchem Maße die Zukunft des Landes unmittelbar mit der inneren Lage in Deutschland verknüpft ist. Die im Rahmen der Kriegsreparationen von Frankreich besetzten deutschen Gebiete, das Saarland und das Ruhrgebiet, zählen zu den reichsten und produktivsten Kohlebecken in Europa, deren strategische Bedeutung auch darauf zurückzuführen ist, dass die Kohle- und Hüttenindustrien der Beneluxstaaten vorwiegend für die heimischen Märkte produzieren.


Die Problematik wird durch die Frage der Kartelle zusätzlich erschwert. Trotz der Bombenangriffe durch die Alliierten und trotz der massiven Zerstörungen hatte die deutsche Industrie ihre Produktionskapazitäten fast auf Vorkriegsniveau halten können. Außerdem war es dank der umfangreichen Wirtschaftshilfen, die Westdeutschland im Rahmen des Marshall-Plans erhielt, gelungen, das bestehende Handelsdefizit zu verringern und ein neues Währungssystem zu errichten. Im Westen wird die Wiederbelebung des Kapitalismus in Deutschland als wirksamer Schutz gegen den Kommunismus angesehen. Allmählich entstehen daher wieder Kartelle, in denen die größten deutschen Unternehmen konzentriert sind und versuchen, über Verkaufskontore den Binnenmarkt zu kontrollieren und den Wettbewerb zu nivellieren. Die Alliierten sehen jedoch die Kohle- und Stahlkartelle als Relikt der Konzerne an, die zwischen den beiden Weltkriegen zur zerstörerischen Macht des Dritten Reichs beigetragen hatten. In Frankreich ist man sich auch bewusst, dass die eigenen Industrien sich im Wettbewerb nicht auf Augenhöhe mit den deutschen Kartellen befinden. Die Kontrolle über die Kohlebecken und die Entflechtung der Schwerindustrie stellen somit in den französisch-deutschen Nachkriegsbeziehungen eine große Herausforderung und eine unabdingbare Voraussetzung für die europäische Integration dar. Zur Sicherung des Friedens und des Wohlstands auf dem europäischen Kontinent müssen die Saar- und die Ruhrfrage auf friedliche Art und Weise gelöst werden. Einzig eine europäische Lösung scheint hierbei eine dauerhafte Entspannung bringen zu können.


In dem Bestreben, die vollständige territoriale Souveränität Westdeutschlands wiederherzustellen, spricht sich der deutsche Bundeskanzler Adenauer 1950 öffentlich mehrfach für eine deutsch-französische Union aus. Im November 1949 legt er sogar einen Plan für die Union der deutsch-französischen Schwerindustrie vor und befürwortet die Einsetzung einer internationalen Behörde, welche die Kohle- und Industrieregionen Deutschlands, Belgiens und Frankreichs überwachen soll. Der deutsche Bundeskanzler hofft, durch die Einbeziehung der Saar- und der Ruhrfrage in einen größeren europäischen Rahmen auf der Grundlage der Anerkennung der Gleichberechtigung Deutschlands gegenüber seinen jeweiligen Partnern eine friedliche Lösung herbeizuführen.


Die BRD kann angesichts ihrer politischen und militärischen Schwäche durch die europäische Einigung nur gewinnen, denn diese verspricht eine Lockerung der Sanktionen und die Gleichberechtigung. Da die supranationale Kontrolle bei den anderen Partnerländern ebenfalls auf Akzeptanz stößt, lässt die Schaffung der Hohen Behörde für Kohle und Stahl Deutschland seine unterlegene Position überwinden.

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