Der Europatag



Der 9. Mai wird in allen Mitgliedstaaten als Europatag begangen. Mit dem Entstehen der Monarchien wurde bekanntlich damit begonnen, bürgerliche und dynastische Feste zu feiern, bei denen das religiöse Element (Krönungen, Hochzeiten der Herrscher, Geburt des Thronerben usw.) nicht fehlte. Solche Feste wurden in der Regel durch Turniere, Wettspiele, Umzüge oder Jagdpartien erheitert. Ab der französischen Revolution gewannen jedoch bürgerliche Volks- und Nationalfeste an Bedeutung, mit denen das Erlangen der Freiheit gegenüber internen Privilegien (Frankreich) oder von der Unterwerfung unter eine Fremdherrschaft (wie auf dem amerikanischen Kontinent) gefeiert werden sollte. So ist in den Mitgliedstaaten den Nationalfesten ein spezieller Tag gewidmet. Bürgerliche Feste sind wichtige Momente zur Gedächtniswahrung, sie dienen zur regelmäßigen Naturalisierung eines eklektischen Erbes, zur Lebendighaltung des Bewusstseins um die Vergangenheit, zur Vereinheitlichung von Beziehungsnetzen.


Der Nationalfeiertag ist häufig der Tag, an dem der Staat unabhängig geworden ist, bisweilen handelt es sich um den Tag, an dem der Schutzherr gefeiert wird, oder um einen sonstigen Gedenktag, der für die Nation von besonderer Bedeutung ist.


Im Verfassungsvertrag ist der 9. Mai als Europatag festgelegt, in Erinnerung an die Erklärung des französischen Außenministers Robert Schuman vom 9. Mai, die gemeinhin als Geburtsstunde der Europäischen Union gilt.


Die Feier am 9. Mai ist nicht nur der Jahrestag des Gründungsakts des europäischen Einigungsprozesses. Sie ist auch der Moment, um sich einer aktuellen und gegenwärtigen Realität bewusst zu werden, die sich täglich erneuert. Die Realität, in einer auf die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit gegründeten Europäischen Union zu leben, die eine demokratische Ordnung besitzt, die auf der Souveränität des Volkes und auf nunmehr unbestrittenen und von der überwältigenden Mehrheit der europäischen Völker mitgetragenen Werten beruht. Und der Sinn des Festtags muss gerade darin liegen, den bis zur Bekräftigung dieser Grundsätze und Werte zurückgelegten Weg nicht zu vergessen und vor allem die erzielten Errungenschaften nicht als selbstverständlich zu betrachten.


Der Festtag des 9. Mai bietet alljährlich erneut Gelegenheit, Europa und seine Institutionen den Bürgern näher zu bringen. Er ist ein Informationstag, um vor allem, aber nicht nur, in Schulen und Hochschulen durch Initiativen mit besonderen kulturellen und Bildungsinhalten über die Themen der Europäischen Union Aufschluss zu geben und darüber zu diskutieren. Die Begehung des 9. Mai muss auch Gelegenheit sein, die Bürger näher an Europa heranzuführen und das Gefühl der Distanz, der Gleichgültigkeit, wenn nicht gar der Abneigung zu überwinden, das sie gegenüber den europäischen Institutionen empfinden. Es ist der Augenblick, in dem die Symbole der Union voll zur Geltung gebracht werden müssen. Wie bei Nationalfeiertagen ist tatsächlich eine starke Präsenz europäischer Flaggen erforderlich, die nicht nur an den für die Feierlichkeiten bestimmten Orten und Plätzen gehisst, sondern auch und vor allem an Fenstern aufgehängt werden sollten. Der 9. Mai muss schließlich ein Tag des Volksfestes und der Begegnung zwischen Männern und Frauen aus verschiedenen Städten, Regionen und Ländern unseres Europas sein.

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