Die einheitliche Währung

Die Währung der Europäischen Union



Währungen waren bekanntlich stets ein mächtiges Kommunikationsmittel, da mit ihnen Botschaften übermittelt werden können, deren Empfangsbereich praktisch unbegrenzt ist. Sie sind aber mehr. Die Kommunikation einer Währung ist eine Botschaft, die vereint, da sie den kleinsten gemeinsame Nenner der Gruppe bildet, von der sie verwendet wird. Dadurch wird die Währung zu einem sehr wirkungsvollen und wichtigen Identität stiftenden Instrument. Aufgrund ihrer ununterbrochenen Verwendung in den letzten 2 400 Jahren ist sie zu einer solchen Gewohnheit geworden, dass man sich ihrer Rolle fast nicht mehr bewusst ist. Damit erklärt sich, dass – von den ältesten Währungen bis zu den Banknoten unserer Zeit – darauf das Bildnis eines Herrschers oder republikanische Symbole abgebildet sind als Zeichen der politischen Identität oder der Zugehörigkeit, und solche symbolhaften Zeichen finden sich, wie man noch sehen wird, auch beim Euro. Eine Währung ist des Weiteren ein starkes Symbol für gesellschaftliche Bindungen. Eine Währung ist einer der Vertrauens- und Solidaritätsträger, der Träger von Garantieerwartungen, jede Währung bringt das Vertrauen der Bürger in die Rolle des Staates als Garant des nationalen Zusammenhalts, des Schutzes der Bürger sowie der Verbesserung ihrer Existenzbedingungen zum Ausdruck.


Anfang 2002 wird der Euro zur Währung einer Union von Staaten und Völkern, und übernimmt so unmissverständlich eine institutionelle Funktion.


Die rückseitigen Abbildungen auf den Banknoten beziehen sich auf Brückenbauwerke wie Arkaden, Bögen, Pfeiler und Säulen, die auf der Vorderseite auf Tore und Fenster. Tor und Brücke – diese beiden Bilder verweisen uns auf die berühmte Simmel-Metapher. Geld ist Tor und ist Brücke, will uns Georg Simmel damit sagen. Es ist Brücke insofern, als die gegenseitige Abhängigkeit des Handels dadurch gefördert wird, es ist Tor, weil es völlig unpersönlich und abstrakt ist. Jede Institution ist gleichzeitig Tor und Brücke, bei allem vom Menschen als Gesellschaftswesen Geschaffenen besteht die Tendenz zur Kristallisierung, zur Institutionalisierung. Der Euro ist auf Dauerhaftigkeit angelegt: Er ist mithin eine Institution. Möglicherweise ist er die bürgernaheste Institution, denn wir tragen ihn in unserer Tasche und in unserem Denken. Er ist Tor und Brücke. Er ist Tor, da er sich zu einer unbekannten Welt hin öffnet, zu einer ungewissen Zukunft, die Angst hervorruft. Er ist allerdings Brücke, weil er ganz entsprechend der typischen Funktion des Geldumlaufs die Europäer eint, das Bewusstsein ihrer Zugehörigkeit zu einem gleichen Wirtschafts- und Währungsraum fördert und für Europa auf der Suche nach seiner Identität einen klaren Bezugspunkt bildet. Der in diesem Sinne verstandene Euro wirkt bei den europäischen Bürgern als „Element Identität stiftender Versöhnung“ sowohl durch Stärkung ihres Zugehörigkeitsgefühls als auch durch seine Funktion als Abgrenzung zwischen den europäischen Völkern und der übrigen Welt.


Die Themenwahl von Architekturelementen verschiedener Baustile bedeutet außerdem eine Würdigung der Fähigkeit menschlicher Arbeit zur Schaffung großer Werke und zu deren Vervollkommnung im Laufe der Zeit und veranschaulicht die Stabilität des Währungszeichens. Auch soll dadurch, dass man spezifische Ähnlichkeiten mit bestehenden Werken zu vermeiden trachtet, „das gestalterische Potenzial als solches“ dargestellt werden. Mit gutem Grund wurde daraus gefolgert, dass die mit diesen Banknoten den europäischen Bürgern übermittelte Botschaft in der Aufforderung besteht, Pläne zu entwerfen und zu verwirklichen, weil jeder Gegenstand durch technische und schöpferische Erfindungsgabe neu entworfen und neu geschaffen werden kann, so dass sich nach der semiotischen Interpretation ergeben würde, dass die Fortentwicklung des großartigen Projekts der Europäischen Union in starkem Maße von der Fähigkeit zur Konzeption und Neukonzeption von Dingen und Ereignissen abhängt.


Ferner ist ebenfalls zu Recht unterstrichen worden, dass die Abbildungen auf den Banknoten eine unbestreitbare Rückkehr zu allegorischen Motiven markieren, wie sie bei der Münzprägung des neunzehnten Jahrhunderts vorherrschend waren, aber anders ausgelegt wurden. Aus dieser Sicht bringt die bildliche Darstellung monumentaler Werke, die der Arbeit des Menschen geschuldet sind, den Willen zum Ausdruck, ein solides, steinernes und eisernes dauerhaftes Ganzes, das nicht von wirtschaftlichen oder politischen Zufälligkeiten abhängt, nach dem Bild jener mit den Motiven der klassischen Kultur in Verbindung gebrachten Ewigkeit zu bauen. Darüber hinaus werden mit dem bewussten Verzicht auf die Darstellung konkreter Persönlichkeiten oder auf territoriale Bezüge die monetaristischen Theorien beachtet, deren Regeln auf Universalität und Intertemporalität basieren.

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