Die Verhandlungen über den EGKS-Vertrag

Die Verhandlungen über den EGKS-Vertrag


Der Verhandlungsbeginn


Der französische Außenminister Robert Schuman weiß, dass er die die proeuropäische Stimmung, die durch die Erklärung vom 9. Mai 1950 entstanden war, durch schnelles Handeln ausnutzen muss. Bereits zum 20. Juni 1950 beruft er in Paris eine Konferenz zur Ausarbeitung des Entwurfs für einen Vertrag zur Gründung einer Gemeinschaft für Kohle und Stahl.


Robert Schuman ist der Ansicht, dass die Idee einer supranationalen Institution, der einzigen in der Erklärung erwähnten Institution, ohne jegliche Zugeständnisse von dem Vertragsentwurf aufgegriffen werden muss. Bevor über die technischen Modalitäten verhandelt wird, fordert er daher die interessierten Länder auf, sich für eine supranationale Instanz, die „Hohe Behörde“, auszusprechen.


Die Regierungen Deutschlands, Italiens, Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs erklären sich mit dieser Empfehlung einverstanden, wobei die niederländische Regierung einige Vorbehalte im Hinblick auf die Rolle der Hohen Behörde äußert, zumindest in der von Jean Monnet vertretenen Form. Da die politischen Kräfte in Großbritannien nach wie vor den supranationalen Grundsatz ausdrücklich ablehnen, bleibt das Land den direkten Verhandlungen zu diesem Zeitpunkt noch fern.


Multilaterale Verhandlungen


Am 20. Juni 1950 nehmen Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg in Paris die Verhandlungen auf. Die französische Regierung verhandelt mit ihren Partnern über die Organisation und die Arbeitsweise der künftigen Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Unter dem Vorsitz von Jean Monnet konzentrieren sich die Verhandlungsführer zunächst auf institutionelle Fragen und mögliche Rechtsmittel. Die Delegierten der drei Beneluxstaaten fordern einen Vertrag, in dem die fachlichen Befugnisse, die der Hohen Behörde für einen begrenzten Zeitraum übertragen werden sollen, eindeutig formuliert werden, da manche die Einmischung der Behörde in sensible innerstaatliche Bereiche befürchten. Sie schlagen die Schaffung politischer Organe als Gegengewicht zu den Befugnissen der Hohen Behörde. Die Idee eines zwischenstaatlichen Organs, des Ministerrates, wird angenommen. Eine Gemeinsame Versammlung wird geschaffen, in der die Völker der Mitgliedstaaten vertreten sind. Außerdem wird die Einrichtung eines Gerichtshofes zur Beilegung von Streitigkeiten geplant.


Bei den Verhandlungen über die Zuständigkeiten der künftigen Gemeinschaft werden wirtschaftliche Überlegungen weitgehend berücksichtigt. So bemühen sich die Verhandlungsführer, die Gemeinschaft in die Lage zu versetzen, die Entflechtung der deutschen Schwerindustrie zu gewährleisten. Die Gespräche führen erneut zu Diskussionen darüber, welchen Stellenwert der supranationale Gedanke in der Gemeinschaft haben soll. Als die meisten Probleme gelöst sind, wird der EGKS-Vertrag am 19. März 1951 von den sechs Delegationen paraphiert.


Danach bleiben den Ministern nur noch einige praktische, jedoch sehr heikle Fragen im Hinblick auf den Sitz der Hohen Behörde, das Verfahren der Ernennung ihrer Mitglieder, die Sitzverteilung in der Gemeinsamen Versammlung und die Stimmengewichtung im Ministerrat zu lösen. Die Hohe Behörde umfasst neun Mitglieder – von denen eines kooptiert wird –, die von den Regierungen im gegenseitigen Einvernehmen für die Dauer von sechs Jahren ernannt werden. Die mit einer Kontrollbefugnis ausgestattete Versammlung setzt sich aus 78 Delegierten aus den jeweiligen nationalen Parlamenten zusammen, und jeder Staat verfügt über einen Vertreter im Ministerrat. Der Gerichtshof besteht aus sieben Richtern, die von den Regierungen ernannt werden, um die Einhaltung und Anwendung des Vertrags sicherzustellen. Der EGKS-Vertrag wird von den sechs Mitgliedstaaten am 18. April 1951 in Paris für die Dauer von fünfzig Jahren unterzeichnet.

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