Die notwendige Diskretion
Die notwendige Diskretion
Die Wirtschaftskreise und vor allem die Kohle- und Stahlindustriellen werden bei der Ausarbeitung des Vorhabens bewusst ausgeklammert, denn die Aufdeckung des Vorhabens hätte bei den französischen Industriellen mit Sicherheit zahlreiche Einwände hervorgerufen und das Misstrauen der deutschen Industriellen geweckt.
Robert Schuman beschließt außerdem, die französischen Abgeordneten nicht zu informieren, weil er befürchtet, dass diese sich mehr für die institutionellen Folgen als für das eigentliche Vorhaben interessieren.
Auch im Ausland werden nur einige wenige eingeweiht. Der amerikanische Außenminister Dean Acheson wird ohne Einbeziehung der Botschaften persönlich in Kenntnis gesetzt und sichert Schuman bald sein Interesse und seine Unterstützung zu. Am 8. Mai legt Schuman seinen Plan persönlich den fünf Wirtschaftsministern des Vereinigten Königreichs, der Beneluxstaaten und Italiens vor, die unter höchster Geheimhaltung in Paris zusammentreffen. Am Abend des 8. Mai werden alle im Zuge der Vorbereitung entstandenen Unterlagen vernichtet. Bestärkt durch die zustimmenden Reaktionen seitens der Alliierten Frankreichs, entsendet Schuman seinen persönlichen Vertreter Robert Mischlich nach Bonn, um auch Konrad Adenauer zu informieren, der Anfang des Jahres bereits Gelegenheit hatte, sich mit Schuman über die Zweckmäßigkeit eines europäischen Kohle- und Stahlkartells zu verständigen. Am Vormittag des 9. Mai übergibt Mischlich dem Bundeskanzler und dessen Kabinettchef Herbert Blankenhorn den amtlichen Text des französischen Vorschlags über eine Gemeinsame Hohe Behörde sowie ein persönliches Schreiben über die höchst politische Bedeutung des Vorhabens. Adenauer ist begeistert und sichert Mischlich sofort seine Unterstützung zu. Schuman wird umgehend telefonisch verständigt und kann schließlich am späten Vormittag des 9. Mai den vorab unterrichteten französischen Ministerrat informieren. Damit sind alle Voraussetzungen für eine Pressekonferenz am 9. Mai um 18.00 Uhr im französischen Außenministerium am Quai d’Orsay gegeben.