Die Europäische Politische Gemeinschaft

Die Europäische Politische Gemeinschaft


Parallel zu den Verhandlungen über die Modalitäten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) entsteht die Idee einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG). Denn nachdem alle Hoffnung verloren scheint, dass der Europarat eines Tages zu einer echten politischen Autorität in Europa wird, suchen die pro-europäischen Kreise der Sechs nach einem neuen Weg, um die Ausarbeitung eines europäischen politischen Statuts zu gewährleisten, dem die neue zukünftige europäische Armee unterstellt wird und das diese kontrolliert. Nach der Unterzeichnung des Vertragsentwurfs zur Gründung der EVG am 30. Mai 1952 fordert die Beratende Versammlung des Europarates daher die sechs Regierungen auf, die Gemeinsame Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) – die die Versammlung der künftigen EVG werden soll – mit der Erstellung des Entwurfs einer europäischen politischen Gemeinschaft zu beauftragen.


Ohne zu warten, bis die EVG-Versammlung ihre Arbeit aufnimmt, beauftragen die Regierungen der Sechs die EGKS-Versammlung – unter dem Vorsitz des belgischen Außenministers Paul-Henri Spaak –, innerhalb von sechs Monaten den Entwurf eines europäischen politischen Statuts zu verfassen. Um jedoch dem EVG-Vertragsentwurf zu entsprechen, muss die EGKS-Versammlung erweitert werden, sodass die für jedes Land für die künftige EVG-Versammlung vorgesehene Mitgliederzahl erreicht wird. Jeweils drei deutsche, französische und italienische Mitglieder werden aus der Beratenden Versammlung des Europarates hinzugewählt. Die so entstandene Versammlung wird als „Ad hoc-Versammlung“ bezeichnet, d.h. sie tritt nur für diese eine Aufgabe zusammen. Ein Verfassungsausschuss wird unverzüglich eingerichtet, dessen Leitung dem deutschen Delegierten Heinrich von Brentano anvertraut wird.


Dieser Ausschuss stellt Überlegungen zu den Institutionen der künftigen europäischen politischen Gemeinschaft an. Eine Verfassung parlamentarischen Typs mit deutlichen föderalen Tendenzen wird erarbeitet. Die Abgeordneten sehen ein Doppelkammerparlament mit einer durch allgemeine Wahlen bestellten Völkerkammer und einem europäischen Senat vor, der von den nationalen Parlamenten benannt wird. Das Parlament würde nicht nur die Exekutive kontrollieren, sondern könnte auch tatsächlich als Gesetzgebungsorgan in Erscheinung treten, was bisher dem Ministerrat der EGKS vorbehalten war. Die Ad hoc-Versammlung schlägt außerdem die Einrichtung eines Exekutivrates vor, einer effektiven Regierung der Gemeinschaft, die der Völkerkammer gegenüber verantwortlich ist und deren Vorsitzender vom Europäischen Senat ernannt wird. Der Text sieht zudem die Gründung eines Gerichtshofes und eines Wirtschafts- und Sozialrates vor.


Die Ausarbeitung dieses ehrgeizigen Projekts gibt den Niederlanden, deren sehr offene Wirtschaft stark exportorientiert ist, die Gelegenheit, die Eröffnung eines gemeinsamen Marktes zwischen den Sechs ohne Zölle oder Mengenbeschränkungen vorzuschlagen. Im Dezember 1952 fordert der niederländische Außenminister Jan Willem Beyen von seinen Partnern, dass die künftige EPG eine starke wirtschaftliche Dimension erhält, durch die Einrichtung eines allgemeinen gemeinsamen Marktes, in dem die Freizügigkeit der Produktionsfaktoren unter der Garantie einer hohen Behörde gilt. Ein gemeinsamer Markt für alle Güter scheint vielen Staaten, die sich nur schwer von ihrer protektionistischen Tradition trennen können, jedoch riskant.


Die Versammlung nimmt den Vertragsentwurf im März 1953 beinahe einstimmig an und übergibt ihn den sechs Außenministern der EGKS. Doch die Reaktionen sind eher verhalten. Die einen sind der Ansicht, zuerst müsse die EVG verwirklich werden, bevor man sich an die Umsetzung einer politischen Gemeinschaft machen könne. Andere bedauern die Überlegenheit der parlamentarischen Befugnisse und schlagen vor, einen neuen Entwurf zu verfassen, der die Gesetzgebungsbefugnis zwischen dem Exekutivrat und dem Rat der nationalen Minister aufteilt. Der Entwurf wird Gegenstand langwieriger diplomatischer Verhandlungen, die nach und nach versiegen. Durch die Weigerung der französischen Nationalversammlung am 30. August 1954, den Vertrag zur Gründung der EVG zu ratifizieren, wird automatisch auch das Vorhaben der Europäischen politischen Gemeinschaft aufgegeben, das eng mit der Verteidigungsgemeinschaft verflochten ist.

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